Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 731
Digestum vetus cum Glossa ordinaria
Pergament · 1, 320, 1 Bll. · 47 × 29 cm · Bologna · 1290–1300
- Schlagwörter (GND)
- Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Digesta / Digestum vetus / Fragment.
- Entstehungsort
- Bologna.
- Entstehungszeit
- 1290–1300.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 1, 320, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 47 × 29 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + 11 + II3 + 16 V163 + III169 + 6 V229 + IV237 + 5 V287 + VI299 + 2 V319 + 1320 + (I-1)321*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 321*.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–319), weitere Zählung mit Blei (1–320). Vor- und Nachsatzbl. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a, 312*). Ab 13v durchgängig Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg mittig (fehlt auf 169v), ab 299v rechts.
- Zustand
- 1 mit Klebestreifen restauriert und angeklebt. 1–8 Wasserschaden. 2a Abklatsch. Bll. zuweilen gebräunt. Besonders anfangs zahlreiche Flecken. Schrift zuweilen verblasst.
- Schriftraum
- 36,2 × 25 cm.
- Spaltenanzahl
- 4 Spalten.
- Zeilenanzahl
- Legaltext: 18–54 Zeilen; Klammerglosse: 11–109 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Die Schrift ist ein typisches Beispiel der in Bologna gepflegten Littera Bononiensis. Aufgrund ihrer Standardisierung sind Aussagen über verschiedene Hände kaum möglich. Die Schrift ist entsprechend dem anspruchsvollen Buchschmuck kalligrafisch aufwändig gestaltet. Wie der Kolophon auf 319rb ausweist, vollendete ein gewisser Albertus den Text: Qui scripsit scribat semper cum domino uiuat. Viuat in celis Albertus in nomine felis. Von einer Hand, die nördlich der Alpen geschrieben haben dürfte, stammt das Inhaltsverzeichnis auf 1v.
- Buchgestaltung
- Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Seitentitel mittig mit einem L auf der Versoseite und der dem jeweiligen Buch zugeordneten Ziffer auf der Rectoseite alternierend in Blau und Rot. Mittig und zweispaltig angelegter Text von Klammerglosse umflossen. Im Legaltext beginnt jedes Buch mit Miniatur, jeder Titel alternierend mit Rankeninitiale oder Bildeinschlussinitiale mit Person im Schulterstück, zuvor genannte Tituli rubriziert. In jeder Lex ist jeweiliger Jurist mit blauer Lombarde, Anfang des Gesetzestexts mit roter Lombarde, jeweils mit Fleuronnéverzierungen in Gegenfarbe, hervorgehoben. Ferner Paragrafenzeichen in Blau und Rot. Verweise zwischen Legaltext und Klammerglosse anhand von Buchstaben. In Klammerglosse jedem Titel Rankeninitiale vorangestellt, ferner Unterteilung mit alternierend blauen und roten Lombarden mit Fleuronnéverzierungen in Gegenfarbe sowie alternierend blauen und roten Paragrafenzeichen.
- Buchschmuck
- 25 Miniaturen, die der Werkstatt, welche auch das Kopenhagener Decretum Gratiani (Kopenhagen, RL, MS Gl. kgl. Saml. 193 fol) illuminierte, sowie der Werkstatt des Spagna-Meisters zugesprochen werden. Auf 1v und 4r nicht vollständig ausgeführte oder durch Wasserschaden nicht zu erkennende Wappen. Auf 2r Wappen mit schwarzem, dreilätzigem Turnierkragen in Silber? Bilderschließung online in heidICON.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Zahlreiche Korrekturen, Anmerkungen und Verweise von mehreren Händen, wie auch mannigfache grafische Verweiszeichen.
- Einband
- Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom zwischen 1878 und 1889 gefertigt. Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf dem Rücken mit leichten Fraßspuren blaues und rotes Schildchen mit aktueller Signatur, unter dem blauen Schildchen in Gold Wappenstempel von Papst Leo XIII., unter dem roten in Gold Wappenstempel von Kardinal und Bibliothekar Jean-Baptiste Pitra (1812–1889) (Schunke, Einbände 2.2, S. 849).
- Provenienz
- Pavia / Padua / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Auf Vorderspiegel blaues aufgeklebtes Schildchen mit der aktuellen Signatur. Auf 1r neben aktueller Signatur Capsa-Nummer C. 81., darunter Allacci-Signatur 536 [durchgestrichen], nebst Altsignaturen 2062 [durchgestrichen], 512. Dem Buchschmuck und der Schrift nach dürfte die Hs. um 1300 in Bologna entstanden sein. Dass es sich um eine universitäre Produktion handelt, dafür sprechen die Pecienvermerke, so auf 89r auf dem rechten Seitensteg: finit xxvij, darüber das correxi des Korrektors. Noch im darauffolgenden Jh. gelangte die Hs. in die Hände eines gewissen Daniel de Scarampiis, bei dem es sich um ein Mitglied der aus Asti stammenden Adelsfamilie der Scarampi handeln könnte, aus deren Reihen auch ein möglicher Auftraggeber für die Hs. denkbar wäre. Wohl in Pavia verkaufte dieser die Hs. 1399 über den Prior des dortigen Dominikanerklosters San Tommaso als Mittelsmann an den Studenten Cosimo Veronesi, wie der Besitzeintrag auf 319va (ähnlich auf 320r) ausweist: In nomine domini. Amen. M. ccclxxxxviiijo. die xviiijo frebuarj [!], ego Cosmas de Veronisijs de Sicilia emi istud Digestum vetus pro florenijs [LXXX, s. 320r] a domino fratre Stefano de Filiano, priore sancti Thome ordinis Predicatorum Papie, qui nomine domini Danielis de Scarampijs [übergeschrieben: vendidit] presente Anthonio de [übergeschrieben: Tussignano de] Bononia bidello domini Anthonij de Tussignano et predictos denarios numeraui tunc sibi. Jener Cosimo Veronesi muss 1407 an die Universität Padua gewechselt sein. Schließlich war Studenten der Hochschule erlaubt, zollfrei Bücher in die Stadt einzuführen, was eigens in diesen mit einem Vermerk bestätigt wurde. So lesen wir auf 2r: Dominus Cosmas conduxit in Paduam [da unleserlich weiter nach Gargan, L’enigmatico ‚conduxit‘, S. 34f.: die 19 Decembris 1407, mit der Unterschrift: m subscripsi]. Hier stieg er bis zum Vicerector citramontanorum iuristarum auf und ist noch bis 1439 in den Quellen nachzuweisen (Pace, Cosmas, S. 195f.). Seine Bücher (er besaß ferner Pal. lat. 742 und Pal. lat. 759) muss er zuvor schon verkauft haben. Denn für das Jahr 1419 haben wir einen weiteren Vermerk für eine Einreise nach Padua, von einem gewissen Antonius: Dominus Antonius conduxit in Paduam 13 Augusti 1419 mit der Unterschrift Mel subscripsi (1r). Zeugnis einer der Verkäufe findet sich auf 318v: Tomas notarius subscripsi. Nach Lehmann wäre die Hs. später Eigentum des Ulrich Fugger (1526–1584) gewesen, wie die darauf hinweisende Signatur 293. Hen. aussagen würde, die sich in den Digitalisaten allerdings nicht finden ließ.
- Literatur
- Giulio Battelli, Ricerche, S. 315, 322; Van den Bergh / Stolte,
The Unfinished, S. 251–305; Brenkman, Historia, S. 280; Calasso, Criteri, S.
504–505; Gargan, L’enigmatico ‚conduxit‘,
S. 34f.; Gargan, Nuovi codici, S. 8; Jean-François Genest, Le fonds juridique d’un
stationnaire italien à la fin du XIIIe siècle: matériaux nouveaux pour
servir à l’histoire de la pecia, in: La production du livre
universitaire au Moyen Age. Exemplar et pecia. Actes du symposium tenu
au Collegio San Bonaventura de Grottaferrata, mai 1983, hrsg. von
Louis-Jacques Bataillon, Paris 1988, S. 133–154, hier
S. 144; Robert Gibbs, ‚Sober as a Judge‘: Ambrogio
Lorenzetti’s Allegory of Justice in the Good Commune ‚Under the
Influence‘ of the Digest and other Bolognese Illuminated Law
Manuscripts, in: Under the Influence. The Concept of Influence and the
Study of Illuminated Manuscripts, hrsg. von John
Lowden / Alixe Bovey, Turnhout
2007, S. 121–138, hier S. 129f.; Robert Gibbs, A Clash of Artistic Paradigms Illuminating
the Law: Encounters Between the Contemporaries of Oderisio da Gubbio and
Franco Bolognese in mss. 282–285 of the Collegio di Spagna and the
Premature Demise of the Paleologan Renaissance, in: Domus Hispanica. El
Real Colegio de España y el cardenal Gil de Albornoz, hrsg. von Manuel
Parada López de Corselas, Bologna 2018, S.
575–588, hier S. 584; Hanselmann, Bücherschenkung, S.
126; Jakobs, Or signori, S. 316–423,
passim; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S.
480; L’Engle, Illumination, S. 46 A.
33, 199 A. 96, 201, 203 A. 108, 213 A. 130, 219, 225 A. 162, 239 A. 193,
242 A. 197 u. 200, 245 A. 205 u. 206, 256 A. 241, 282 A. 307, 285 A.
312; Maffei, La donazione, S. 72 A.
25; Manuscripta juridica, Pal.lat.731; Murano, Opere; OVL,
Pal.lat.731; Pace, Cosmas, passim; Pace, ‚Garnerius Theutonicus’, S.
124 A. 1; Pace, Riccardo, S. 172, 174 A. 20,
175 A. 27, 188;
Röhle, Vulgathandschriften, S. 365; Röhle, Zur Rekonstruktion, S. 88
A. 6; Guido Rossi, Representation and Ostensible
Authority in Medieval Learned Law, Frankfurt am Main 2019 (Studien zur
europäischen Rechtsgeschichte 319), S. 17–60; Schunke, Einbände 2.2, S.
849; Soetermeer, Famille de copistes,
S. 465 A. 206; Soetermeer, Due tradizioni, S. 92,
96; Soetermeer, Utrumque ius, S. 147
A. 113, 278 A. 89, 312, 318 A. 74; Speciale, Libri, S. 77 A. 1; Stevenson, Latini, S. 268; Veronese Ceseracciu / Zen
Benedetti, Bibliografia, S. 313.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1va–319rb
- Titel
- Digestum vetus cum Glossa ordinaria.
- Angaben zum Text
- Von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebene Rechtssammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius (um 1182/85–um 1260/63): (1va–vc) Inhaltsverzeichnis; (2rb–3vc) Constitutio ‚Omnem‘; (4rb–21vb) Buch 1; (21vc–45rc) Buch 2; (45vb–62vc) Buch 3; (62rc–87vc) Buch 4; (88rb–107rc) Buch 5; (107rc–115vb) Buch 6; (115vb–132rb) Buch 7; (132rb–142rb) Buch 8; (142rb–152vb) Buch 9; (152vc–163rb) Buch 10; (163rb–169vc) Buch 11; (170rb–188vb) Buch 12; (188vc–200rc) Buch 13; (200rc–209rc) Buch 14; (209rc–219vb) Buch 15; (219vb–228rb) Buch 16; (228rb–242vc) Buch 17; (242vc–253vc) Buch 18; (253vc–267vb) Buch 19; (267vb–275vb) Buch 20; (275vb–289rb) Buch 21; (289rb–298vb) Buch 22; (298vb–311vc) Buch 23; (311vc–319rb) Buch 24 (bis einschließlich Dig. 24.2.11.2). – 319va-vb Einträge verschiedener Hände. – 320r Fragment (Cod. 1.5.8pr.-1.5.8.11, Cod. 1.4.7–1.4.16). – 320v Fragment (Cod. 1.4.16–1.4.27.3, Cod. 1.4.28–1.5.4.7).
- Rubrik
- 2rb ›Jmperator Iustinianus Cesar Flauius, Alamannicus, Gothicus, Francicus, Germanicus, Atticus, Alanicus, Wandalicus, Affricanus, pius, felix, inclitus victor ac triumphator et semper Augustus, Teophilo, Dorotheo, Ysidoro et Anatholio et Thaneleo et Cratino uiris illustribus et antecessoribus et Salatino uiro disertissimo antecessori salutem et hanc constitutionem‹.
- Incipit
- 2rb ›Omnem‹ tocius rei publice nostre sanctionem iam esse purgatam et compositam …
- Explicit
- 319rb … et si concubinam sibi adhibuerit idem erit dicendum [es folgt der Kolophon, s. Geschichte der Handschrift].
- Edition
- Digestum vetus, Lyon 1627.
- Bearbeitet von
- Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 731. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.