Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 738
Digestum vetus cum Glossa ordinaria
Pergament · 1, 248, 1 Bll. · 41,7 × 25,5 cm · Bologna · um 1260
- Schlagwörter (GND)
- Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Digesta / Digestum vetus.
- Entstehungsort
- Bologna.
- Entstehungszeit
- um 1260.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 1, 248, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 41,7 × 25,5 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + I2 + 13 IV106 + III112 + 2 IV128 + II132 + (V-1)141 + 7 IV196 + (V-1)205 + III211 + II215 + IV223 + II227 + V237 + IV245 + I247 + (I-1)248*. Vorderer Spiegel Gegenbl. von 1a, hinterer von 248*; diese Bll. Papier. Mindestens 1 ungez. Bl. nach 109 verloren. Zählfehler: 188a ungez.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Vatikanische Foliierung rechts oben in der Ecke: 1–247. Bl. 120–127 ist die Seitenzahl immer ohne die 1 am Anfang geschrieben. Bei ungez. Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 188a, 248*). Gerahmte Reklamanten 16v–196v, 211v–245v. Im hinteren Teil daneben auch gelegentlich Kustoden aus späterer Zeit (z. B. 227v XIII).
- Zustand
- Bl. 1 stark geschädigt. Vergleichsweise viele Kerben und Löcher im Pergament. Immer wieder Seiten mit stark beriebener Schrift (z.B. 123r).
- Schriftraum
- 28,5 × 25 cm.
- Spaltenanzahl
- 2 Spalten Textus inclusus, umgeben von 2 Spalten Klammerglossen.
- Zeilenanzahl
- Textus inclusus: im Regelfall 52 Zeilen; Klammerglosse: bis zu 119 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Die Schrift zu weit in Richtung auf die Littera Bononiensis entwickelt, als dass Gibbs’ Datierung des Legaltexts ins frühe 13. Jh. überzeugen könnte. Textus inclusus 1rb–2vc und 197rb–205vc erkennbar von zwei anderen, moderneren Händen als die übrigen Seiten. – Eine kleinere Schrift für die Klammerglosse als für den Textus inclusus ist üblich, jedoch wurde hier, bis auf 174ra–177rd, auch eine kalligraphisch weniger anspruchsvolle Schriftart gewählt. Die Verwendung von Rotunda an der genannten Stelle (zusätzlich in einer helleren Tinte) ist kein zuverlässiger Hinweis auf einen anderen Entstehungszeitraum.
- Buchgestaltung
- Wie in glossierten oberitalienischen Rechtshss. üblich ein Layout aus zweispaltigem Text und umgebender zweispaltiger Klammerglosse, in der Terminologie von Powitz, Textus, S. 84f., Klammerform des Vier-Spalten-Typs. Der Schriftspiegel anscheinend mit Metallstift vorgezogen und später sorgfältig radiert. – 133v nur im oberen Teil der Kolumne in Spalten a und b Text, c und d ganz leer, Fortführung auf 134r. Am Kolumnenende 205vc mehrere leere Zeilen. – Buchzählung als lebender Seitentitel von neuzeitlicher Hand. Verweisung von Glosse auf Haupttext mittels Buchstaben. – Alternierend rote und blaue kleine Initialen für Autorennamen und Anfänge der Leges sowie Paragrafenzeichen. Die Buchstaben nur selten mit Fleuronné (so 137v) verziert, 197rb–205vc jedoch regelmäßig einfaches Parallellinienfleuronné. Am Anfang der Bücher Ulpianus in langgezogener rot-blauer Majuskel; dazu immer Buchschmuck (s. dort).
- Buchschmuck
- Initialen mit Figuren vor allen Büchern, verbunden mit der Ulpianus-Überschrift. Dazu oft Drolerien als Initialausläufer und darunter in den Interkolumnen etc. weitere Drolerien. Die Farbigkeit weitgehend auf leuchtendes Orangerot und Blau sowie Fleischfarben reduziert. Gehört zur Frühphase des sog. Ersten oder Akademischen Stils der Bologneser Buchmalerei. Der Schmuck von 167r deutlich von einem anderen Maler als der Rest, aber wohl aus demselben Umfeld, das jenes der von Alessandro Conti, La miniatura Bolognese. Scuole e botteghe 1270–1320, Bologna 1981, als „Miniatori dei profeti“ bezeichneten Buchmaler sein dürfte, die mehrere Bände der Bibel des Enrico dei Cerchi illuminierten (Florenz, Biblioteca Medicea-Laurenziana, Plut. III, dex. 5–7, dec. 9).
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Eine Vielzahl von meist nahzeitigen Interlinearglossen in Legaltext und Klammerglosse; zudem ergänzte Glossen und andere Annotationen.
- Einband
- Pergamentband über Pappe, entstanden in Rom um 1780 (Schunke, Einbände 2.2, S. 850). Oben aufgeklebt auf den Rücken barockes helles Signaturschild 738 und blaues Schildchen mit Pal. lat. 738, darunter Buchtitel direkt auf den Rücken notiert.
- Provenienz
- universitäre Stationen in Südeuropa / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Oben auf 1r Capsa-Nummer C. 89 und Allacci-Signatur 843. Auf Vorsatzbl. 1ar unter dem Eintrag 738/Pal durchgestrichen die älteren Signaturen 646 und 657. Blaues Signaturschildchen außer auf dem Buchrücken im vorderen Spiegel. – An mehreren Buchanfängen (68vc, 118rc, 207rb) tragen teils groteske Figuren einen Schild mit vierfach in Blau und Silbern schräglinksgeteiltem Wappen. Anscheinend dasselbe Wappen findet sich auch in den annähernd gleichzeitigen Institutiones Vat. lat. 1412 auf fol. 45vb und vielleicht in Pal. lat. 739 auf fol. 177rb.
- Besonderheiten
- Die Hs. zeigt deutliche Spuren eines ineinandergreifenden Herstellungsprozesses. Die Aussparung im Drachen auf 32v für eine frühe Annotation (ähnlich 153r, 134r auch für eine Zeileninitiale) weist, anders als Gibbs annimmt, nicht auf eine erheblich spätere Ausführung der Buchmalereien hin, da an anderen Stellen die (wohl ebenfalls gleichzeitigen) Glossen entweder von Buchmalereien überdeckt werden (99v unten) oder selbst die Deckfarben überschreiben (46r, wohl auch 3r). Auch Zeileninitialen sind gelegentlich dem Buchschmuck überschrieben (118r, 145r, 159v). Buchmaler, Rubrikator und Glossator arbeiteten also abwechselnd an denselben Seiten.
- Literatur
- Battelli, Ricerche, S. 317,
323–324; Van den Bergh / Stolte,
The Unfinished, S. 251–305 („Palatino-Vaticanus VIII“); Brenkman, Historia, S. 282, Nr.
VIII; Calasso, Criteri, S.
504–505; Gibbs, Illustration, S. 183,
186; Hanselmann, Bücherschenkung, S.
126, Nr. 1; Maffei, La donazione, S. 72 A.
25; Manuscripta
juridica, Pal.lat.738; OVL,
Pal.lat.738; Pace, ‚Garnerius Theutonicus’ 1, S. 92 A. 1; Soetermeer, Utrumque ius, S.
316–318; Soetermeer, Due tradizioni, S. 96; Stevenson, Latini, S. 269.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–247vc
- Titel
- Digestum vetus cum Glossa ordinaria.
- Angaben zum Text
- Von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebene Rechtssammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius (um 1182/85–um 1260/63). – (1rb–2vb) Constitutio ‚Omnem‘; (3rb–17rb) Buch 1; (17rb–32vc) Buch 2; (32vc–46rc) Buch 3; (46rc–68vc) Buch 4; (68vc–81vc) Buch 5; (81vc–87vb) Buch 6; (87vc–99vc) Buch 7; (99vc–109vc) Buch 8 (bis Dig. 8.6.25; Schluss verloren); (109vc–118rc) Buch 9 (Anfang verloren, beginnt Dig. 9.2.12); (118rc–[1]27rc) Buch 10; ([1]27rc–134rc) Buch 11; (134rc–145rc) Buch 12; (145rc–153rc) Buch 13; (153rc–159vc) Buch 14; (159vc–167rc) Buch 15; (167rc–174rb) Buch 16; (174rb–185vb) Buch 17; (185vb–194vb) Buch 18; (194vb–207rb) Buch 19; (207rb–213rb) Buch 20; (213rc–223vc) Buch 21; (223vc–230rb) Buch 22; (230rb–241rc) Buch 23; (241rc–247vc) Buch 24 (endet mit Dig. 24.2.11.2).
- Rubrik
- 1rb (beschädigt) ›Imperator‹ Cesar Flauius Iustinianus, Alamannicus, Goticus, Francicus, Germanicus, Guandalicus, Alaricus, Vandalicus, Affricanus, pius, felix, inclitus uictor, triumphator et semper Augustus, Teophilo, Daretheo, Theodoro, Ysodoro et Anetheolio et Thaleo et Cratino [v]iris illustribus et antecessoribus Salamino viro dissertissimo salutem.
- Incipit
- 1rb ›Omnem‹ rei publice nostre sanctionem iam esse purgatam et compositam …
- Explicit
- 247vc … si concubinam sibi adhibuerit, idem erit probandum. ›Explicit‹.
- Edition
- Digestum vetus, Lyon 1627.
- Bearbeitet von
- Dr. Christoph Winterer, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 738. Beschreibung von: Dr. Christoph Winterer (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.