Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 739

Digestum vetus cum Glossa ordinaria

Pergament · 1, 330, 1 Bll. · 38,7 × 24 cm · Oberitalien (Bologna?) · um 1270–1280


Schlagwörter (GND)
Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Digesta / Digestum vetus.
Entstehungsort
Oberitalien (Bologna?).
Entstehungszeit
um 1270–1280.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1, 330, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
38,7 × 24 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + IV8 + 3 V38 + III44 + 9 V134 + VI146 + VII159 + 7 V229 + VI241 + 8 V322 + IV330 + (I-1)331*. Vorderer Spiegel Gegenbl. von Vorsatzbl. 1a, hinterer von 331*; diese Bll. Papier. Zählfehler: 153 doppelt vergeben (153a), 288 übersprungen.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Vatikanische Foliierung rechts oben: 1–330. Bei ungez. oder doppelt gez. Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 153a, 331*). Reklamanten von Schreiberhand.
Zustand
Insgesamt gut, einzelne Seiten sehr abgenutzt oder verschmutzt.

Schriftraum
32,7 × 20,7 cm (bis zu).
Spaltenanzahl
2 Spalten Textus inclusus, umgeben von 2 Spalten Klammerglossen.
Zeilenanzahl
Textus inclusus: im Regelfall 45 Zeilen; Klammerglosse: bis zu 103 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Voll ausgebildete Textualis, sehr ähnlich der Littera Bononiensis. Wie üblich kleinere Schrift für die Klammerglosse als für den Textus inclusus, auf 1r in den nach oben freien Zeilen Oberlängen wie in Urkunden ausgezogen.
Buchgestaltung
Die für glossierte oberitalienische Rechtshss. entwickelte Seiteneinrichtung aus zweispaltigem Text und umgebender zweispaltiger Klammerglosse, in der Terminologie von Powitz, Textus, S. 84f., Klammerform des Vier-Spalten-Typs. Der Schriftspiegel anscheinend mit Metallstift vorgezogen und später sorgfältig radiert. Grundlinien bis zum Rand durchgezogen. Glossen z.T. in Dreiecksform angeordnet. – Buchzählung als lebender Seitentitel von neuzeitlicher Hand. Verweisung von Glosse auf Haupttext mittels Buchstaben. – Blaue kleine Initialen für Autorennamen und rote für die Anfänge der Leges. Die Paragrafenzeichen alternierend rot und blau. Die Buchstaben nur selten mit Fleuronné (etwa 3r). Buchanfänge mit überlängter rot-blauer Majuskelschrift Ulpianus, Anfangsbuchstaben jeweils in Deckfarben (s. Buchschmuck). Die Majuskelschrift auf der Zeile „tanzend“. – Im vorderen Bereich verbreitet Pecienvermerke an der Glosse erhalten, jedenfalls 22ra, 24va, 27rd, 30rd, 32vd, 35vd, 39rd, 48rd, 60vd, 63vd, 67rd. Allerdings stehen die Vermerke nicht wie in Bologna üblich am Ende, sondern am Anfang (Battelli, z.B. 30rd: X. pe[cia] incipit hic). Soetermeer, Utrumque ius, S. 314, kann weitere Peciengrenzen aufgrund äußerer Merkmale benennen (6va, 14rd, 17rd).
Buchschmuck
Initialen der Ulpianus-Überschrift jeweils in Deckfarben ausgeführte langgezogene Lombarden: Entweder blaue Buchstaben auf Feldern aus gelbem Ocker (Goldimitat?) oder stärker vegetabil gestaltete rotbraune und ockergelbe Initialen auf blauen Feldern. Gelegentlich als Ausläufer nach oben oder unten Ranken, Drachen oder groteske Figuren (u. a. 1rb, 3rb, 177rb, 189vc, 278rb, 295rc); 17rc zwei Gesichter an einer besonders kleinen Initiale; 100vc ein Fisch als Füllung des Binnenfelds. Gelegentlich Randzeichnungen, u. a. Figuren und Drachen (z.B. 20v, 36v, 42v, 63r, 67r, 73v, 105v, 107r, 120r, 120v, 122v, 126v, 128v, 141v, 144r, 144v, 152r, 194r, 194v, 195v, 214v).

Nachträge und Benutzungsspuren
Nachgetragene Additiones zu den Glossen, identifizierte Autoren: Bartolo da Sassoferrato (um 1313–1357) (176vd, 177ra, 184vd, 267r–330r), Iacopo Bottrigari (1274–1347) (189va), Odofredo (†1265) (1ra, 1vd, 25v), Riccardo Malómbra (†1334) (176r, 176vd, 178ra).

Einband
Pergamentband über Pappe, entstanden in Rom um 1780 (Schunke, Einbände 2.2, S. 850). Aufgeklebt auf den Rücken barockes helles Signaturschild 739, darunter Buchtitel direkt auf den Rücken notiert; ganz unten blaues Signaturschild Pal. lat./739.
Provenienz
Südeuropäisches universitäres Milieu / Florenz / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
1r Capsa-Nummer C. 39 und Allacci-Signatur 253. Auf Vorsatzbl. 1ar unter 739 Pal. durchgestrichen 657 (?). 1r oben Eintrag des Florentiner Humanisten und Diplomaten Giannozzo Manetti (1396–1459): Manet 12. π. [für FF] vet. (Pace, Riccardo, S. 59f. A. 72). Giuseppe B. Cagni nimmt an, die Handschrift habe wie auch der heutige Codex Pal. lat. 622 dem 1453 in Paradiso degli Alberti verstorbenen portugiesischen Juristen Velasco gehört. Durch einen Brief vom 17. Januar 1456 ist das Interesse Manettis an schönen Rechtshss. mit Glosse aus dem Besitz Velascos belegt, jedoch fehlen in der Hs. alle Hinweise auf Velasco. Nach 1529 wurde Manettis Handschriftensammlung von Ulrich Fugger (1526–1584) erworben, dessen Büchersammlung schließlich in die Bibliotheca Palatina einfloss (s. Einleitung). – Die nicht ganz den Bologneser Standards entsprechende Schrift, die Zählung der Pecien am Anfang sowie die ortsuntypische Buchmalerei sprechen gegen eine Entstehung in Bologna. Jedoch 177ra an einem Drachenleib vielleicht ein sechsfach in Blau und Silbern schräglinksgeteiltes Wappen, womöglich dasselbe wie das mehrfach in Pal. lat. 738 sowie in Vat. lat. 1412 vorkommende vierfach geteilte Wappen. Das Wappen, wenn es kein reines Phantasiewappen ist, würde wegen der Herkunft der anderen Hss. für Bologna sprechen.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_739
Literatur
Battelli, Ricerche, S. 315, 325; Van den Bergh / Stolte, The Unfinished, S. 251–305 („Palatino-Vaticanus IX“); Brenkman, Historia, S. 282, Nr. IX; Calasso, Criteri, S. 504–505; Calasso, Sassoferrato, S. 662; Giuseppe B. Cagni, Vespasiano da Bisticci e il suo epistolario, Rom 1969 (Temi et testi 15), S. 134 A. 1; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 126, Nr. 1; Jakobs, Or signori, S. 316 (Sigle V9); Maffei, La donazione, S. 72 A. 25; Manuscripta juridica, Pal.lat.739; OVL, Pal.lat.739; Pace, ‚Garnerius Theutonicus’ 1, S. 92 A. 1; Pace, Riccardo, S. 38 A. 1, 59–61, 163; Paradisi, La diffusione, S. 8 A. 12, 35; Soetermeer, Utrumque ius, S. 278, 312–314; Soetermeer, Due tradizioni, S. 92, 96; Stevenson, Latini, S. 269.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–330rc Digitalisat

Beteiligte Personen
Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X) / Accursius (GND-Nr.: 100956599).
Titel
Digestum vetus cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebene Rechtssammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius (um 1182/85–um 1260/63). Die Glosse nach Soetermeer, Utrumque ius, S. 313, „hinsichtlich der accursischen Additionen zum mindesten sehr unvollständig“. Anscheinend enthält die Glosse namentlich nicht gekennzeichnete Additiones (Soetermeer, Due tradizioni). – (1rb–2vb) Constitutio ‚Omnem‘; (3rc–17rc) Buch 1; (17rc–37vb) Buch 2; (37vb–54vb) Buch 3; (54vb–78vc) Buch 4; (78vc–94vb) Buch 5; (94vb–100vc) Buch 6; (100vc–115rb) Buch 7; (115rb–126rc) Buch 8; (126rc–138vb) Buch 9; (138vc–151vb) Buch 10; (151vc–159vc) Buch 11; (160rb–177rb) Buch 12; (177rb–189vc) Buch 13; (189vc–200rb) Buch 14; (200rb–211rb) Buch 15; (211rb–220rb) Buch 16; (220rb–234vb) Buch 17; (234vb–248vc) Buch 18; (248vc–267rc) Buch 19; (267rc–278rb) Buch 20; (278rb–295rc) Buch 21; (295rc–304vb) Buch 22; (304vb–321rc) Buch 23; (321rc–330rc) Buch 24. – Am Ende von Buch 11, fol. 159vc, Bandteilung: Explicit prima pars (vgl. Battelli).
Rubrik
1rb ›Imperator Cesar Iustinianus Flauius, Alamannicus, Gothicus, Francus, Germanicus, Athicus [?], Vandalicus, pius, felix, inclitus uictor, triumphator, semper Augustus, Teophilo, Dorotheo, Isodoro, Anatholio et Thalaseo, Constantino uiris illustribus et antecessoribus et Salonino viro disertissimo antecessori salutem‹.
Incipit
1rb [O]mnem […] sanctionem iam esse purgatam et compositam …
Explicit
330rc … si concubinam sibi adibuit [!], idem erit probandum. Benedictus deus in donis suis et sanctus in omnibus operibus suis qui uiuit et regnat in secula seculorum.Amen‹.
Edition
Digestum vetus, Lyon 1627.

2) 330v Digitalisat

Titel
Federproben und kurze Notizen.
Angaben zum Text
Einträge unterschiedlicher Länge von sehr vielen Händen, wohl. 14. und 15. Jh. und wohl in der Regel italienisch.


Bearbeitet von
Dr. Christoph Winterer, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 739. Beschreibung von: Dr. Christoph Winterer (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.