Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 740

Digestum vetus cum Glossa ordinaria

Pergament, Papier · 2, 170, 2 Bll. · 37,6 × 23,7 cm · Südfrankreich (?) · 2. Drittel 13. Jh.


Schlagwörter (GND)
Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Digesta / Digestum vetus.
Entstehungsort
Südfrankreich (?).
Entstehungszeit
2. Drittel 13. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament und Papier.
Umfang
2, 170, 2 Bll.
Format (Blattgröße)
37,6 × 23,7 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(2 oder I)2a + 2 III12 + 113 + 114 + 2 V34 + 135 + 136 + IV44 + III50 + 12 V169 + (2 oder I)171*. Kopert im Schema nicht berücksichtigt. Zählfehler: 51a nicht gez. Ursprünglich nur Pergament. Neue Vorsätze aus Pergament. 3–4 sind unbeschriebene Bll. aus Papier, ebenso 15–34. Die Pergamentbll. 13, 14, 35 und 36 könnten auch aus zwei Doppelblättern bestehen, in deren Mitte die beiden Quinionen aus Papier, Bl. 15–34, eingeheftet sind.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Vatikanische Foliierung rechts oben: 1–169. Reste einer alten Foliierung mit römischen Ziffern. Bei ungez. Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1*, 1a–2a, 170*–171*, 171*a). 14v, 45v (!), 59v, 79v, 89v, 99v … 169v Reklamanten.
Zustand
Pergament vergleichsweise dunkel und oft verschmutzt, aber insgesamt gut. Viele, zum Teil ergänzte Blattverluste nach 14v und am Schluss.
Wasserzeichen
Traube, zwei Varianten, auf Bll. 3, 19, 26, 29, keine Übereinstimmung mit WZIS oder Piccard, auf Bll. 21–24, 31-34, Wzz. ähnlich Gerhard Piccard, Wasserzeichen Frucht, Stuttgart 1983 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Sonderreihe, Findbuch = Die Wasserzeichenkartei Piccard im Hauptstaatsarchiv Stuttgart 14), I, 983.

Schriftraum
32,6 × 22,0 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten Textus inclusus, umgeben von 2 Spalten Klammerglossen. Einzelne Seiten nur zweispaltig.
Zeilenanzahl
Textus inclusus: 45–52 Zeilen; Klammerglosse: bis zu 115 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
1rb–2vc deutlich altertümlicher als der Rest der Hs. Die Schrift des Hauptteils, schon auf dem Weg zur Textualis, sicher französisch, jedoch wohl kaum aus einem Zentrum des Nordens: Die doppelte Brechung von d, g, o, p nicht konsequent durchgeführt, keine Tendenz zum doppelstöckigen a, kein entschiedenes Zusammenziehen der Wörter. Auch die Lombarden eher aus dem mediterranen Raum.
Buchgestaltung
Die Seiten überwiegend nach dem Muster glossierter oberitalienischer Rechtshss. eingerichtet: zweispaltiger Text mit umgebender zweispaltiger Klammerglosse, in der Terminologie von Powitz, Textus, S. 84f., Klammerform des Vier-Spalten-Typs. Allerdings auch, wie in Frankreich üblich, Seiten nur mit Glossen in zweispaltiger Anordnung. – Anscheinend mit Metallstift vorgezogener, später radierter Schriftspiegel. Grundlinien bis zum Rand durchgezogen. – Buchzählung als lebender Seitentitel in Rot und Blau von vermutlich zeitgenössischer Hand. Verweisung von Glosse auf Haupttext mittels abstrakter Verweisungszeichen. – Ab 5ra abwechselnd rote und blaue kleine Lombarden für Autorennamen sowie für die Anfänge der Leges. Selten einfachstes Parallelstrichfleuronné in den Binnenfeldern. Ebenso die Paragrafenzeichen alternierend rot und blau. Anfangswörter der Bücher in überlängter rot-blauer Majuskelschrift. 1rb–2vc nur rote Paragrafenzeichen, umfangreiche Rubrik 1rb nicht ausgeführt.

Nachträge und Benutzungsspuren
Zahlreiche interlineare und marginale Annotationen. Enthält auch von Accursius (um 1182/85–um 1260/63) verfasste Additiones zu seiner Glossa ordinaria (56va, 75va, 77rb–110rc). Weiterhin identifizierte Additones von: Alb (Alberto da Pavia [tätig 1211–1240]?) (75v); Bartolo da Sassoferrato (um 1313–1357) (77r, 133r); Odofredo (†1265) (67va–71rd, passim).

Einband
Kopert mit erhaltener Klappe, nach Schunke, Einbände 2.2, S. 850, um 1780 in Rom entstanden, womöglich aber älter. Aufgeklebt oben auf den Rücken barockes helles Signaturschild 740; darunter Buchtitel direkt auf den Rücken notiert; ganz unten blaues Signaturschild Pal. lat./740.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
1r unten Allacci-Signatur 547. Auf 1ar aktuelle Signatur 740/Pal. und die ausgestrichene Altsignatur 653. - 38r oben Besitzeintrag Istuc FF [= Digestum] vetus est magistri Iohanne Chommeyro, clerici et eum [?] […] praedicto […] librum. Wie die Signatur auf 1ar 294, darunter hen., nahelegt (darüber befindet sich noch die Bezeichnung pi vetus), handelt es sich hier um eine vom französischen Buchdrucker und Gelehrten Henri Estienne (1531–1598) für Ulrich Fugger (1526–1584) erworbene Hs., die mit der Bibliothek des Augsburger Büchersammlers 1567 nach Heidelberg gekommen sein dürfte und in diesem Fall nach dessen Tod in das Eigentum des Pfälzer Kurfürsten überging. 1r unten Allacci-Signatur 547. 1ar unter aktueller Signatur 740/Pal. zunächst π vetus, dann durchgestrichen 294, dann hen. und dann wieder ausgestrichen 653. – 38r oben Besitzeintrag Istuc FF [= Digestum] vetus est magistri Iohanne Chommeyro, clerici et eum [?] […] praedicto […] librum.
Besonderheiten
Constitutio ‚Omnem‘ 1rb–2vc möglicherweise aus einem anderen, älteren Codex übernommen. Textverlust am Ende von Buch 1 und Beginn von Buch 2 sollte möglicherweise durch einen Nachtrag ersetzt werden; die vorbereiteten Bll. allerdings leer.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_740
Literatur
Battelli, Ricerche, S. 317, 324; Van den Bergh / Stolte, The Unfinished, S. 252–305 („Palatino-Vaticanus X“); Richard G. Böhm, Accursius und die ‚Constitutio Antoniana‘. Vom Einfluss der ‚glossa ordinaria‘ zu der Ulpianstelle der Digesten (Dig. I, 5, 17) auf die moderne Erforschung der ‚constitutio imperatoris Antonini‘ (de civitate = P. Giss. 40 col. 1), in: Atti del Convegno Internazionale di Studi Accursiani, Bologna, 21–26 ottobre 1963, Bd. 2, hrsg. von Guido Rossi, Mailand 1968, S. 637–660, hier S. 657 A. 49; Brenkman, Historia, S. 282, Nr. X; Calasso, Criteri, S. 504–505; Francesco Calasso, Medio evo del diritto, Bd. 1: Le fonti, Mailand 1954, Tav. III; Calasso, Sassoferrato, S. 662; Feenstra, Quelques remarques, S. 215 A. 36, 217–221; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 126, Nr. 1; Maffei, La donazione, S. 72 A. 25; Manuscripta juridica, Pal.lat.740; OVL, Pal.lat.740; Paradisi, La diffusione, S. 8 A. 12, 35; Soetermeer, Utrumque ius, S. 310; Soetermeer, Due tradizioni, S. 90–94, 96; Stevenson, Latini, S. 269.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–169vd Digitalisat

Beteiligte Personen
Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X) / Accursius (GND-Nr.: 100956599).
Titel
Digestum vetus cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebene Rechtssammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius (um 1182/85–um 1260/63). – (1rb–2vc) Constitutio ‚Omnem‘; (3r-4v) leer; (5rb–14v) Buch 1 (Textverlust nach Dig. 1.16.9.5 … hoc enim etiam ad invidiam); (15r-34v) leer; (35rb–40vb) Buch 2 (35rb–35vc nur Glosse; Anfang verloren, beginnt in Dig. 2.14.7.18, […] sed si quis, ut supra rettulimus …); (40vb–50rc) Buch 3; (51rb–67rc) Buch 4; (67rc–80rb) Buch 5; (80rb–85rb) Buch 6; (85rb–95vc) Buch 7; (95vc–104rc) Buch 8; (104rc–113rb) Buch 9; (113rb–122rc) Buch 10; (122rc–128vb) Buch 11; (128vb–140rc) Buch 12; (140rc–147vb) Buch 13; (147vb–153vc) Buch 14; (153vc–161rc) Buch 15; (161rc–167vc) Buch 16; (167vc–169vc) Buch 17 (Textverlust ab Dig. 17.1.12.16).
Incipit
1rb Omnem nostre rei publice sanctionem iam esse purgatam et compositam…
Explicit
169vc … quod si mandaueris exigendam, deinde prohibuisti, exactamque recepi[sti].
Edition
Digestum vetus, Lyon 1627.


Bearbeitet von
Dr. Christoph Winterer, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 740. Beschreibung von: Dr. Christoph Winterer (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.