Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 745

Infortiatum cum Glossa ordinaria

Pergament · 2, 329, 2 Bll. · 42,5 × 26,5 cm · Oberitalien · Ende 13. Jh.


Schlagwörter (GND)
Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Digesta / Infortiatum.
Entstehungsort
Oberitalien. Wahrscheinlich Bologna.
Entstehungszeit
Ende 13. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
2, 329, 2 Bll.
Format (Blattgröße)
42,5 × 26,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + (II-1)3 + 9 VI111 + IV119 + 17 VI323 + III329 + 1330* + (I-1)331*. Vorderer Spiegel Gegenbl. zu 1a, hinterer zu 331*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Rechts oben eine vatikanische Blattzählung, die auf Bl. 292 wieder auf 192 zurückspringt (1–291, 192–229) und deswegen ab hier durch eine moderne Bleistiftzählung ergänzt wird (292–329). Bei ungez. Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a–2a, 330*–331*). Ab 27v zeitgenössische Reklamanten.
Zustand
Insgesamt gut.

Schriftraum
35 × 24,3 cm.
Spaltenanzahl
Textus inclusus und Klammerglosse jeweils zweispaltig.
Zeilenanzahl
Textus inclusus 42 Zeilen, Klammerglosse bis zu 93 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Weit entwickelte Rotunda, der Kalligraphie der idealtypischen Littera Bononiensis angenähert, jedoch nicht von gleicher Perfektion.
Buchgestaltung
Die übliche Seiteneinrichtung glossierter Rechtshss.: zweispaltiger Text mit umgebender zweispaltiger Klammerglosse, in der Terminologie von Powitz, Textus, S. 84f., Klammerform des Vier-Spalten-Typs. Mit Metallstift vorgezogene Liniierung. Klammerglossen teilweise in Dreiecks- und Quadratformen angeordnet. – Am Anfang der Leges vor der Kolumne blaue Lombarden mit sich einrollendem Fleuronné in Rot, die Autorennamen in der Zeile mit einer kleineren Lombarde mit blauem Parallelstrichfleuronné gekennzeichnet. Alternierend rote und blaue Caputzeichen. Die Leges und die Bücher sollten mit größeren Initialen eingeleitet werden, für die in den Kolumnen Raum gelassen wurde. Die Abschnitte zu den Leges in der Klammerglosse werden mit eingerückten fleuronnégeschmückten kleinen Lombarden alternierend in Rot und Blau gekennzeichnet, durch die auch die Verbindung zu den Stellen des Legaltexts hergestellt werden kann. Es wurde jedoch auch ein Verweisungssystem aus Buchstaben, Strichen und Punkten eingetragen.
Buchschmuck
Zierinitialen (und evtl. Miniaturen) an den Anfängen der Bücher und Tituli nicht ausgeführt.

Nachträge und Benutzungsspuren
Nachgetragen sowohl die Kommentare 1ra–3vb als auch das Register 329va–b. Viele marginale und interlineare Annotationen, u. a. Glossen von folgenden benennbaren Autoren: Alberto da Pavia (belegt 1211–1240) (66v); Andrea Ciaffi (um 1318/1326) (43r); An. und Ange. (Angelo degli Ubaldi [um 1327-um 1407] ?) (9v); Bartolo da Sassoferrato (um 1313–1357) (ab 4r passim); Dino del Mugello (um 1254–um 1300) (ab 4r passim); Iacopo Bottrigari (1274–1347) (10v, 194r, 298v); Iacopo de Arena (um 1270–um 1320) (ab 5r passim); Jacques de Révigny (um 1230–1296) (15r, 19v, 102v); Oldrado da Ponte (†1335) (8v, 9v, 10r–v, 13r); Raffaele Fulgosio (1367–1427) (89v, 102v, 128r, 228v). Außerdem ungenannte doctores (9v, 11r, 118r, 226v) (vgl. OVL).

Einband
Den äußeren Einband bildet ein Pergamentband über Pappe, der nach Schunke, Einbände 2.2, S. 850, um 1780 in Rom entstanden ist. Oben auf den Rücken aufgeklebt barockes helles Signaturschild 745, darunter Buchtitel direkt auf den Rücken notiert; unten blaues Schildchen mit Pal. lat. 745. Geflochtenes rotgelbes Kapital. Hinter Einband und barocken Vorsatzblättern ist auch ein älterer Kopert erhalten, der vorne (2a) aus einem wiederverwendeten quergedrehten Pergamentdoppelbl. und hinten (330*) aus einem Pergamentdoppelbl. besteht, dem ein weiteres Bl. angestückt ist.
Provenienz
Padua / Vicenza / Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Außer auf dem Rücken auch ein blaues Signaturschild Pal. lat. 745 auf dem vorderen Spiegel. Auf 1ar wurde von unterschiedlichen Händen 745 und Pal. notiert; eine andere Zahl ist hier unkenntlich gemacht. Auf dem alten vorderen Einband 2ar sind oben die Capsa-Nummer C. 80, die auf ein unbekanntes Fugger-Inventar zu beziehende Angabe P. 159. b. F. / N°. 6 sowie mit Rötel die Fugger’sche Nummer 190/1 geschrieben. Unten ist hier 558 notiert. 4ra findet sich auf dem freien Platz für die Initiale die Signatur aus der Bibliothek Ulrich Fuggers (1526–1584) 190. seors., die auf eine Einzelerwerbung des Sammlers hinweist (s. Einleitung). Mit der Fuggerbibliothek 1567 von Augsburg nach Heidelberg und nach Fuggers Tod in den Besitz des pfälzischen Kurfürsten gelangt. – Oben 1r Erwerbungseintrag Infortiatum mei Francisci filij Gregorij de Anzolellis civis Vincentinj emptum in civitate Padue anno 1457 in mense Februarij a domino Ianocio [?] de Ianua precio ducatorum XXVIII. Francesco Angiolello hat auch die Codices Pal. lat. 760 und Pal. lat. 786 erworben, vielleicht auch Pal. lat. 732; mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ist er identisch mit dem bei der Belagerung von Negroponte 1470 getöteten Bruder von Giovanni Maria Angiolello. Dieser erste bekannte (wenn auch nicht frühe) Vorbesitzer weist zusammen mit der Schrift und dem Fleuronné-Stil auf eine oberitalienische Entstehung der Hs. hin. Zudem erscheint in den Glossen der (fehlerhafte) Italianismus circha statt „circa“ (u. a. 4vb, 15vb).
Besonderheiten
Bei der Neubindung umhüllter älterer Einband.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_745
Literatur
Brenkman, Historia, S. 283, Nr. IV; Calasso, Sassoferrato, S. 662; Gargan, L’enigmatico ‚conduxit‘, S. 36; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 126, Nr. 3; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 117; Manuscripta juridica, Pal.lat.745; Paradisi, La diffusione, S. 8–9, 35; Sella, Sigle, S. 181; Stevenson, Latini, S. 260.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–3vb Digitalisat

Verfasser
Dino del Mugello (GND-Nr.: 100967396) / Iacopo de Arena (GND-Nr.: 104335890) / Oldrado da Ponte (GND-Nr.: 11902425X) / Pierre de Belleperche (GND-Nr.: 100957781).
Titel
Kommentar.
Angaben zum Text
Kommentar zu einer Glosse, anscheinend über Dig. 23.3.3, vgl. Olmütz, Zemský archiv Opava, pracovište Olomouc – knihovna, Cod. C. O. 591, 21r, wo die Namen der Glossatoren aufgeführt werden (vgl. Miroslav Bohácek: Le opere delle scuole medievali di diritto nei manoscritti della biblioteca del Capitolo di Olomouc, in: Studia Gratiana 8 (1962), S. 305–421, hier S. 406, Nr. 85).
Incipit
1ra [I]n glossa rubrice, que incipit dixistis …

2) 4ra–329rb Digitalisat

Beteiligte Personen
Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X) / Accursius (GND-Nr.: 100956599).
Titel
Infortiatum cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebene Rechtssammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius (um 1182/85–um 1260/63). – (4rb–11vb) Dig. 24.3.0–Dig. 24.3.67; (11vb–20rb) Buch 25; (20rb–44vc) Buch 26; (44vc–66vb) Buch 27; (66vb–97vb) Buch 28; (97vc–119vc) Buch 29; (120rb–138vc) Buch 30; (139rb–155rb) Buch 31; (155rc–172rb) Buch 32; (172rc–195rb) Buch 33; (195rc–219rb) Buch 34; (219rb–245rc) Buch 35; (245rc–273rb) Buch 36; (273rc–299vb) Buch 37; (299vb–329rc) Buch 38.
Rubrik
4rb ›Primus liber Inforciati. Rubrica. Soluto matrimonio quemadmodum dos petatur‹.
Incipit
4rb [D]otis causa semper et ubique praecipua est: nam et publice rei interest dotes mulieribus conservari …
Explicit
329rc … uel etiam filius qui in hostium potestate erat postliminio [überschrieben: non] sit reuersus.
Edition
Infortiatum, Lyon 1627.

3) 329va–b Digitalisat

Titel
Register der Tituli zum Infortiatum.


Bearbeitet von
Dr. Christoph Winterer, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 745. Beschreibung von: Dr. Christoph Winterer (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.