Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 750
Digestum novum cum Glossa ordinaria
Pergament · 2, 180, 1 Bll. · 39,3 × 25 cm · Oberitalien · Mitte 13. Jh.
- Schlagwörter (GND)
- Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Digesta / Digestum novum.
- Entstehungsort
- Oberitalien.
- Entstehungszeit
- Mitte 13. Jh.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 2, 180, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 39,3 × 25 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a +12a + 9 IV71+ I73 + IV81 + V91 + 7 IV147 + III153 + 2 IV169 + V179 + (I-1)180*. Zählfehler: 3a ungez. Gegenbll. der Vorsatzbll. 1a und 180* dienen als vorderer und hinterer Spiegel.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Vatikanische Blattzählung rechts oben: 1–179. Bei ungez. Bll. folgt die Zählung dem Digitalisat (1a, 2a, 180*). Reklamanten von Schreiberhand, gerahmt und zum Teil getilgt.
- Zustand
- Anfang verloren, die Tinte oft abgerieben. Einzelne Seiten stark verschmutzt, insbesondere in den Bereichen Bl. 81–88, 142–148.
- Schriftraum
- 28,8 × 23–24,5 cm.
- Spaltenanzahl
- Textus inclusus und Klammerglosse überwiegend zweispaltig; 178v drei-, 179r vierspaltig ohne Klammerglosse.
- Zeilenanzahl
- Textus inclusus: vergleichsweise regelmäßig 52–53 Zeilen, Klammerglosse stark wechselnd, bis zu 98 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Frühe südeuropäische Textualis (Rotunda) für den Textus inclusus, die stärker kursive Schrift der Klammerglosse geht in Richtung Notula. Handwechsel im Textus inclusus in der Mitte von 1rb, Hand 1 erscheint aber später als Rubrikator (z. B. 64rc). Die Schrift auf dem Stand der 1239 datierten Dekretalen-Hs. Plut. III sin. 9 der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz. Rubriziert; die Rubriken knicken teilweise im rechten Winkel entlang der Spalten ab. – Die stärker im Stil einer Gebrauchsschrift gehaltene Glosse muss nicht mit erheblichem zeitlichen Abstand angelegt worden sein; das nicht abgestimmte Verweisungssystem der Glosse zeigt, dass sie in einem anderen Umfeld entstand als der Legaltext.
- Buchgestaltung
- Der Codex bietet die für glossierte oberitalienische Rechtshss. entwickelte Seiteneinrichtung: zweispaltiger Text mit umgebender zweispaltiger Klammerglosse, in der Terminologie von Powitz, Textus, S. 84f., Klammerform des Vier-Spalten-Typs. 73v und v.a. 172r–178r ist die Form zugunsten eines einspaltigen Textus inclusus teilweise aufgelöst. – Mit Metallstift vorgezogener Schriftspiegel. Nachträgliche Buchzählung im oberen Seitenrand in einer stärker kursiven Schrift. – Erhalten nur ein Pecienvermerk, zur Glosse zu Dig. 45.1.29.1 auf 75va: Finita prima petia cor., nach Einschätzung von Soetermeer entspricht dieses Pecienende allerdings nicht Bologneser Gewohnheiten. Soetermeer sieht auch den Abbruch der Glosse auf 152vd und den Neubeginn 155vd als impliziten Hinweis auf die Verwendung eines Exemplars, da hier der Text der bolognesischen Pecia 30 fehlt. Nach ihm entspricht zudem die Lücke in der Glosse 164vd–166rd der Pecia 34 sowie jeweils drei angrenzenden kürzeren Glossen von 33 und 35 des jüngeren Bologneser Systems. (Bei Soetermeer noch weitere Überlegungen zu Indizien für den Gebrauch von Pecien, die sich aus Handwechseln ergeben). – Zur Unterteilung der Bücher vgl. Buchschmuck. – Die Autorennamen sind vor der Zeile mit drei- bis vierzeiligen roten oder blauen Initialen mit Parallelstrichen in Gegenfarbe ausgezeichnet, die Leges beginnen dahinter mit in die Zeile eingerückten Buchstaben in Gegenfarbe. Die Verweisungen der Glosse erfolgen durch ein System aus Buchstaben und Punkten, das im Legaltext interlinear nachgetragen und entsprechend nicht leicht zu benutzen ist. Zudem wird am Anfang jeder Glosse das Bezugswort zitiert und dabei unterstrichen.
- Buchschmuck
- Am Anfang der Bücher Kaisername Iustinianus imperator jeweils in lang ausgezogener rot-blauer Zierschrift mit zurückhaltendem Fleuronné-Besatz (außer 154vb). Selten auch kleinere Initialen mit etwas aufwendigerem Fleuronné (u.a 115va).
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Die Klammerglosse hier nachgetragen. 178v–179v nur mit Nachträgen beschriftet (s. Inhalt). Darüber hinaus gibt es in bescheidenem Umfang immer spätere Interlinear- und Randnotationen.
- Einband
- Pergamentband über Pappe, auf dem Rücken in Goldprägung die Wappen von Papst Leo XIII. und von Kardinal Pitra und dazwischen in rotem Feld die Signatur PAL. 750. Rom, 1878–89 (vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 850). Oben aufgeklebt auf den Rücken blaues Signaturschild Pal. lat. 750.
- Provenienz
- Mailand / Aquileja (?) / Pavia / Augsburg / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Das blaue Signaturschild Pal. lat. 750 außer auf dem Buchrücken auch auf dem vorderen Spiegel. Auf dem Vorsatzbl. 2ar die Signaturen 750 und Pal. sowie durchgestrichen 69[.] oder 66[.]; darunter aufgeklebt die Capsa-Nummer C. 48, darunter die Allacci-Signatur 1709 [durchgestrichen]. 1r unten: 514. 1r oben 193. Seors., ein Eintrag, der auf eine Einzelerwerbung für die Bibliothek von Ulrich Fugger hindeutet (s. Einleitung). – Mehrere, meistens radierte Einträge eines Jacobus (Soetermeer: Johannes) de Palude in den unteren Seitenrändern, hier nach Entzifferung mit Hilfe von UV-Licht durch Careri (S. 242) zitiert: (7v) p. d. Jacobi de Palude de Midiolano […]; (148r, radiert) C. dominus Jacopus de Pallude; (175v, radiert) Digestum novum domini Jacobi de Palude […] cum Inforciatu domino Guilelmo iudice de Curtaradulle; (174r, radiert) […] domini Jacobi de Palude […]. Weitere, unentzifferte Einträge 147v, 174v. Careri identifiziert den Genannten mit einem Jacopo de Palude, der sich 1274 von Mailand nach Aquileja begab, wo später seine Söhne aktiv waren. – Zwei Einträge 179v scheinen Schätzungseinträge der Universität Pavia zu sein: oben die primo Aprilis Digestum novum domini Vitalis extimatus f[…] C und unten domini Vitalis Digestum novum ex[…] flor[…] (vgl. Careri, S. 243–244). – Soetermeer zitiert S. 330 A. 116 eine ungedruckte Beschreibung der Hs., nach der weitere marginale Anmerkungen auf Ereignisse in Mailand und Turin 1254–1257 anspielten.
- Besonderheiten
- Nachgetragene Klammerglosse. Nachträge provenzalischer und italienischer Lyrik fol. 179v.
- Literatur
- Roberto Benedetti, I libri della letteratura in
volgare, in: I libri dei patriarchi. Un percorso nella cultura scritta
del Friuli meridionale, hrsg. v. Cesare Scalon,
Pasian di Prato 2014, S. 263–280, hier S. 268; Caprioli, Tre capitoli, S.
365; Maria Careri, Una nuova pagina di lirica romanza
(provenzale, francese e italiana): Vat. Pal. Lat. 750, c. 179v, in:
Medioevo romanzo 39/2 (2015), S. 241–267; Hanselmann, Bücherschenkung, S.
126, Nr. 3; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S.
482; Manuscripta
juridica, Pal.lat.750; OVL,
Pal.lat.750; Sella, Sigle, S. 196, 200; ; Soetermeer, Due tradizioni, S.
101; Stevenson, Latini, S. 271.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–178rc
- Titel
- Digestum novum cum Glossa ordinaria.
- Angaben zum Text
- Dritter Teil der von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebenen Rechtssammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius (um 1182/85-um 1260/63): (1rb–6vc) Dig. 39.3.2.3–6.44; (6vc–27vc) Dig. 40; (27vc–39vc) Dig. 41; (40rb–48vc) Dig. 42; (48vc–64rc) Dig. 43; (64rc–73v) Dig. 44 (die untere Hälfte von 73v leer); (74rb–86rb) Dig. 45; (86rb–104vb) Dig. 46; (104vb–122vb) Dig. 47; (122vb–142rb) Dig. 48; (142rb–154vc) Dig. 49; (154vc–178rb) Dig. 50.
- Incipit
- 1rb [Textbeginn verloren, heutiger Anfang:] […]memoriam uetustas excedit …
- Explicit
- 178rb … Seruus rei publice causa abesse non potest.
- Edition
- Digestum novum, Lyon 1627.
2) 178va
- Verfasser
- Pseudo-Bernhard-von-Clairvaux (GND-Nr.: 118509810).
- Titel
- Epistola de cura rei familiaris ad Raymundum de Castro Ambrosio (Nachtrag).
- Angaben zum Text
- Früher als Epistula 456 des Bernhard von Clairvaux gezählt. Von H. R. Leclerq u. J. Rochais nicht in Bernardus Clarevallensis, Opera VIII, Rom 1977, aufgenommen. Dort S. 431 dem Bernardus Silvestris zugeschrieben.
- Incipit
- 178va Gratioso militi et felici Raymondo domino Castro Ambroxii Bernardus in senium doctus salutem …
- Explicit
- 178va … vite sue damnabilis senectutis. Amen.
- Edition
- Migne, PL 70, Sp. 647–651.
3) 178vb–179va
- Titel
- Argumenta legum Digesti veteris (Nachtrag).
- Angaben zum Text
- Zu jedem Argumentum eine Allegation, anscheinend immer zu einem Titulus; die Reihenfolge ist zudem die der Tituli des Digestum vetus. Anscheinend bestehen große Übereinstimmungen mit BAV, Chig. E.VII.211, 20ra–22rd (vgl. http://manuscripts.rg.mpg.de/item/26027/).
- Incipit
- 178vb Quot modis dicitur [oder: dicatur] iustitia: ff. de iustita et iuris origine ….
- Explicit
- 179va (unleserlich, Schluss überschrieben).
4) 179va
- Titel
- Por default de lialté (Nachtrag).
- Angaben zum Text
- Französische Ballette.
- Incipit
- 179va Por default de li alte choze[…] in amor trove maen partiray de mon pays …
- Explicit
- 179va … e sor zo sui[…] trays.
- Edition
- Careri, Una nuova pagina, S. 255–257.
5) 179va
- Verfasser
- Francesco da Barberino (GND-Nr.: 118639072).
- Titel
- Angeli, poi che’l ciel s’averse a quella (Nachtrag).
- Angaben zum Text
- Ballata des Francesco da Barbarino (1264–1348), in der er von der Himmelsaufnahme seiner Dame (Costanza) berichtet; auch in seine Documenti d’amore (1309–1313) aufgenommen.
- Incipit
- 179va Anzeli, poi chel ciel savers aquela, che era luçe terrena …
- Explicit
- 179va … chi no vidi pena.
- Edition
- Careri, Una nuova pagina, S. 260f.
6) 179va
- Titel
- Italienische Texte (Nachträge).
- Angaben zum Text
- Unidentifizierte oberitalienische Lyrik, unzureichend entziffert.
- Incipit
- 179va […] merçe perdon no dire amari meo meo […].
- Explicit
- 179va … voyo teco p. açer.
- Edition
- Careri, Una nuova pagina, S. 262f.
7) 179vb
- Verfasser
- Aimeric de Pegulhan.
- Titel
- Cel que s’irais ni guerreij’ab amor (Nachtrag).
- Angaben zum Text
- Provenzalischer Canzone von ca. 1220, gewidmet Kaiser Friedrich II.
- Incipit
- 179vb Çel ke seras ne gerreia ab amor. Ges ke sabij non fai almeu senblant … [die Transkription der mit bloßem Auge kaum bis nicht lesbaren Incipits folgt jeweils der Edition von Careri].
- Explicit
- 179vb … segon lo meu seuir naimerigz.
- Edition
- Careri, Una nuova pagina, S. 247–249.
8) 179vb
- Verfasser
- Folquet de Marselha.
- Titel
- Mout i fetz gran peccat amoris (Nachtrag).
- Angaben zum Text
- Provenzalischer Canzone, überschrieben.
- Incipit
- 179vb […] Trop fe gran peçat amor per ka merce desauen. Ma lo megl del megl cos ue …
- Explicit
- 179vb … pleies merçian merçe.
- Edition
- Careri, Una nuova pagina, S. 250f.
9) 179vb
- Titel
- Provenzalischer Text (Nachtrag).
- Angaben zum Text
- Lyrischer Text, stark beschädigt.
- Incipit
- 179vb […] non fui leus a oir amor / non cesia, ke uas aus merce clamar …
- Explicit
- 179vb … Sija vos verrai […].
- Edition
- Careri, Una nuova pagina, S. 252.
10) 179vb
- Titel
- Italienische Texte.
11) 179v
- Verfasser
- Raimon Jordan.
- Titel
- Vas vos soplei, domna, primeiramen.
- Angaben zum Text
- Provenzalischer Canzone.
- Incipit
- 179v Perkeuteg kar lo vostre se [… / …] dompna premeirament per …
- Explicit
- 179v … kar tant gran gaugz.
- Edition
- Careri, Una nuova pagina, S. 253.
- Bearbeitet von
- Dr. Christoph Winterer, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 750. Beschreibung von: Dr. Christoph Winterer (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.