Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 760
Codex Iustinianus
Pergament · 1, 2, 308, 1 Bll. · 39,5 × 25 cm · Oberitalien · Ende 13. Jh.
- Schlagwörter (GND)
- Römisches Recht / Kommentar / Corpus iuris civilis / Codex Iustinianus / Fragment.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 1, 2, 308, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 39,5 × 25 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- Hs. mit Fragment (I. Bll. A–B; II. Bll. 1–311). (I-1)a + … + (I-1)312*. Vorderspiegel Gegenbl. von a, Hinterspiegel Gegenbl. von 312*. Zählfehler: 41, 42, 114, 115 übersprungen. 149 doppelt gez. Bll. nach 246 und 247 entfernt.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Vorrömische Foliierung (1–311), A und B wohl später nachgetragen. Vor- und Nachsatzbl. ungez., weshalb hier, wie auch beim ungez. Bl., die Zählung der Digitalisate übernommen wird (a, 149a, 312*). Durchgehend Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts.
- Einband
- Am Rücken oben und unten reparierter Pergamentband über Pappe, nach Schunke, Einbände 2.2, S. 850, um 1780 in Rom entstanden. Oben aufgeklebt auf den Rücken barockes helles Signaturschild 760, darunter direkt auf den Rücken der Buchtitel notiert; unten blaues Schildchen mit Pal. lat. 760. Löcher für zwei Schließschnüre in beiden Deckeln.
- Provenienz
- Padua / Augsburg / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Altsignatur auf Ar: 519. Die Hs. dürfte Ende des 13. Jhs. in Oberitalien entstanden sein, jedoch wohl nicht in Bologna, wie die verwendete Schrift suggeriert. Bei der Herstellung wurden Pecien als Vorlage verwendet, wie die Vermerke auf Avb, 170va und 173vb nahelegen (vgl. Soetermeer, Utrumque ius, S. 323f.). 1395, 1397 und 1408 wurde die Hs. nach Padua eingeführt, wie es auf 1r heißt: 1395, die VI octubris. Bartholomeus subscripsi. – Domini Dini Johannis de Pesauro, die vigesimo secundo Junij Mccclxxxxvij, jndictione quinta. Zalotus subscripsi. – Dominus Dinus conduxit in Paduam 27 Octobris 1408, samt Kürzel m bzw. rn subscripsi. Ein weiteres Mal 1424, wie der Eintrag auf Bv nahelegt: 1424. Antonius de Pexaro conduxit. Johannes de la Rocha subscripsi. Ein Kaufvermerk findet sich auf Br: constitit XVI Florenis. 1454 wurde die Hs. schließlich von dem aus Vicenza stammenden Francesco Angiolello erstanden, wie es auf Ar heißt: Codex iste emptus fuit per me Franciscum filium domini Gregorij de Anzolellis civis Vincentinj precio ducatis XII aureorum, in racione grossorum 30 pro quoque ducato, die VI mensis Nouembris M.cccc.Liiij, quo anno et mense iuris ciuilis operam dare studio coepi in ciuitate Patauij. Derselbe sollte zwei Jahre später ein Infortiatum erwerben (vgl. die Beschreibung zu Pal. lat. 745). Ferner besaß er auch Pal. lat. 786 und vielleicht auch Pal. lat. 732. Darüber hinaus muss er offenbar Zeuge eines Erdbebens in Padua geworden sein, wie er auf 311r festhielt: Nota quod die lune in festo sancti Zenonis iijo mensis Februarij, hora circa 3a noctis cum dimidia, fuit terre motus Padue, quod mihi maximum incussit terrorem. 1455. Ungefähr aus dieser Zeit dürfte ein weiterer Eintrag auf 1r stammen: Codex stationis [?] ducatis [?] 16. Anthonius Alberti me subscripsi. In Padua war es auch, wo manche Marginalglossen eingefügt wurden, wirkten doch einige der zitierten Juristen an der dortigen Universität (vgl. Speciale, La memoria, S. 135f.). Über die Alpen gelangte der Codex wohl über den Büchersammler Ulrich Fugger (1526–1584), wie die Signatur auf Bv nahelegt – 183. seors (s. Einleitung). Mit dem Tod Fuggers gingen seine Bücher in das Eigentum des Kurfürsten und schließlich in die Bibliotheca Palatina über.
- Literatur
- Calasso, Sassoferrato, S. 662; CALMA, Iacobus de Belvisio; Caprioli, Tre capitoli, S. 296 A. 331, S.
297 A. 332, 314; Caprioli, Belvisi, S. 94; Devoti, Un rompicapo, S. 202 A. 43; Gargan, L’enigmatico ‚conduxit‘, S. 35f.
(Nr. 50); Gargan, Nuovi codici, hier S. 1 A.
1; Luciano Gargan, Le note „conduxit“ – Libri di maestri e studenti
nelle Università italiane del Tre e Quattrocento, in: Manuel, programmes de
cours et techniques d’enseignement dans les universités médiévales, Actes du
Colloque international, Louvain-la-Neuve, 9–11 sept. 1993, Louvain-la-Neuve
1994, S. 385–400, hier S. 398; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 126, Nr.
4; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S.
483; Maffei, La donazione, S. 138 A. 5; Manuscripta
juridica, Pal.lat.760; Mirabile, Pal.lat.760; OVL,
Pal.lat.760; Pace, Riccardo, S. 162 A. 65; Paradisi, La diffusione, S. 8 A. 12,
35; Schunke, Einbände 2.2, S. 850; Soetermeer, Utrumque ius, S. 245 A. 179,
323–324; Speciale, Acursius, S. 111–120; Speciale, La memoria, S. 135–138, 154 A.
151, 205, 222, 232, 324f.; Speciale, Libri, S. 77 A. 1; Stevenson, Latini, S. 273.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
Fragment (Bl. A–B)
- Sachtitel / Inhalt
- Authenticum.
- Entstehungsort
- Oberitalien.
- Entstehungszeit
- Ende 13. Jh.
- Typus (Überlieferungsform)
- Fragment.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 2 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 39 × 24,5 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- IB .
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- s. zum Codex.
- Zustand
- Ränder beschädigt, auf A obere und untere Ecke herausgeschnitten, Pergament stark verschmutzt mit Schriftverlust; A diente vielleicht als alter Spiegel. Auf dem inneren Rand mehrere Löcher mit braunen Rändern, womöglich zur Befestigung, vielleicht einer Kette.
- Schriftraum
- 19,5-21 × 15,5 cm.
- Spaltenanzahl
- 2 Spalten.
- Zeilenanzahl
- 37-40 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Geschrieben in einer oberitalienischen Rotunda, wobei unklar ist, ob hier verschiedene Hände wirkten oder ein Schreiber verschiedene Schriften präsentieren wollte (s. auch Geschichte des Fragments).
- Buchgestaltung
- Zeilengerüst mit Tinte vorgezogen. Raum für Initialen freigelassen.
- Buchschmuck
- Auf Ar blaue und rote Lombarden mit Fleuronné in Gegenfarbe, nebeneinander aufgereiht, wobei auffällt, dass jeweils unterschiedliche Fleuronnéstäbe Verwendung fanden, als ob ein Mustersatz angelegt worden sei, ein Eindruck, der durch die unterschiedlichen Lombarden und Paragrafenzeichen daneben verstärkt wird.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Die Ränder von A sind übersät von Anmerkungen verschiedener Hände aus unterschiedlichen Zeitstufen in diversen Schriften, was sich auf B weiterzieht, wobei sich hier auch juristische Kleintexte dazugesellen.
- Provenienz
- Heidelberg.
- Geschichte des Fragments
- Wie der Buchschmuck mit den Charakteristika eines Musters und der entweder auffallend sich wandelnde Duktus der Schrift oder die unterschiedlichen Schreiberhände nahelegen, könnte es sich hier um ein Musterbl. handeln, das einem Schreiber oder einer Werkstatt Ende des 13. Jhs. in einer oberitalienischen Stadt als Grundlage für Angebote oder als Werbematerial diente.
1) Ar–Bv
- Beteiligte Personen
- Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X).
- Titel
- Authenticum.
- Angaben zum Text
- Sammlung von Gesetzen Kaiser Justinians, hier überliefert Nov. 80.10–82 pr.
- Incipit
- Ara … et perimi donec nos …
- Explicit
- Avb … maxime regum [!] ineruditorum, demum neque causarum [… Text bricht ab].
- Edition
- Authenticum, hrsg. von Heimbach.
2) Bra–Bvb
- Titel
- Kleintexte.
(Bl. 1–311)
- Sachtitel / Inhalt
- Codex Iustinianus cum Glossa ordinaria.
- Entstehungsort
- Oberitalien.
- Entstehungszeit
- Ende 13. Jh.
- Typus (Überlieferungsform)
- Faszikel.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 308 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 39,5 × 25 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- 2 VI24 + V34 + 6 VI108 + 2 V130 + 9 VI237 + (VIII-2)251 + VII265 + 3 VI301 + V311.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- s. zum Codex.
- Zustand
- Pergament verschmutzt, teilweise gebräunt, mit zahlreichen Flecken und Rissen, manche Löcher, Tinte mitunter berieben bzw. verblasst.
- Schriftraum
- 36,7 × 24 cm.
- Spaltenanzahl
- Textus inclusus und Klammerglosse jeweils zweispaltig.
- Zeilenanzahl
- Textus inclusus: ca. 27–61 Zeilen, Klammerglosse bis zu ca. 94 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Mehrere Hände schrieben Textus inclusus und Klammerglosse in einer für Oberitalien typischen Textualis (Rotunda).
- Buchgestaltung
- Die für glossierte oberitalienische Rechtshss. entwickelte Seiteneinrichtung: zweispaltiger Text mit umgebender zweispaltiger Klammerglosse, in der Terminologie von Powitz, Textus, S. 84f., Klammerform des Vier-Spalten-Typs. Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Zeitgenössische Buchzählung in Rot und Blau im Seitenkopf als lebender Seitentitel, von I bis VIIII. An den Anfängen der Bücher Initialgruppe (fehlen auf 3ra, 166va). Titulus als Rubrik hervorgehoben. Vor den Tituli auf einer freigehaltenen Fläche im Schriftraum eine rot-blaue Initiale, bzw. blaue Initiale mit Aussparungen. Vor den Autorennamen meist zwei- bis dreizeilige blaue Lombarde mit sparsamer Fleuronnéverzierung in Gegenfarbe vor der Textspalte. Eingerückt dahinter die kleineren Initialen in Rot mit blauen Zierstrichen am Anfang der Leges. Alternierend rote und blaue Paragrafenzeichen. In der Glosse beginnen die Abschnitte mit kleinen Initialen mit Fleuronné in Gegenfarbe, wiederum alternierend Blau oder Rot. Alternierend rote und blaue Paragrafenzeichen. Die Verweisung vom Legaltext auf die Glosse erfolgt durch Buchstaben.
- Buchschmuck
- s. Buchgestaltung.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Korrekturen und Anmerkungen von verschiedenen Händen. Zahlreiche grafische Verweiszeichen, darunter mitunter auch Figürliches. Marginal- und Interlinearglossen von: Bartolomeo da Saliceto (um 1330–1411; 9v, 33v, 47r–294r), Raffaele Fulgosio (1367–1427; 9v, 55v, 201r), Angelo degli Ubaldi (um 1327–um 1407; 11v, 89r, 192v, 201r, 244r, 297v), Giacomo Belvisi (um 1270–1335; 31v, 32r, 45r, 46v–105v), Francesco d’Accorso (1225–1293; 45v, 51v, 83r–293v), Bartolo da Sassoferrato (um 1313–1357; 46r–v, 47r–310v; vgl. Paradisi, La diffusione, S. 35), Odofredo (†1265; 52r–53v), Iacopo Bottrigari (1274–1347; 54r, 65r, 88r–243v), Martino Sulimani (1236–1306; 59v, 63r, 147v, 173v), Giovanni da Porto (vgl. Speciale, La memoria, S. 325), Giovanni Bovacchiesi (vgl. Speciale, La memoria, S. 325), Michele de Marostica (15. Jh.; vgl. Speciale, La memoria, S. 325), Francesco Angiolello (15. Jh.; vgl. Speciale, La memoria, S. 325); wenn kein anderer Verweis gegeben, vgl. OVL.
- Provenienz
- Padua / Augsburg / Heidelberg.
3) 1va–311vb
- Titel
- Codex Iustinianus cum Glossa ordinaria.
- Angaben zum Text
- Dritter Teil der von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebenen Rechtssammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius (um 1182/85-um 1260/63). – (1rb–1vb) De novo codice componendo; (1vb–2rc) De Iustiniano codice confirmando; (2rc–3rb) De emendatione codicis Iustiniani et secunda eius editione; (3rb–45vb) Buch 1; (45vb–68rb) Buch 2; (68rb–90rc) Buch 3; (90vb–125rc) Buch 4; (125vb–165vb) Buch 5; (166rb–220rc) Buch 6; (220rc–257vb) Buch 7; (257vb–289rb) Buch 8; (289rb–310vc) Buch 9; (311rb–311vc) Inhaltsverzeichnis.
- Rubrik
- 1va ›In Christi nomine. Domini Iustiniani imperatoris perpetui Augusti repetite [nachgetragen: pre]lectionis. Jncipit liber primus de nouo codice faciendo‹. [nachgetragen: ad senatum].
- Incipit
- 1va ›Hec‹, que necessario corrigenda esse multis retro principibus uisa sunt …
- Explicit
- 210rc … ut libertatem non dampnationis, sed lenitatis paterne testem habeant.
- Edition
- Codex, Lyon 1627.
- Bearbeitet von
- Dr. Christoph Winterer, Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 760. Beschreibung von: Dr. Christoph Winterer, Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.