Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 763

Codex Iustinianus cum glossa

Pergament · 2, 146, 1 Bll. · 39,3 × 24,3 cm · Paris · um 1210


Schlagwörter (GND)
Römisches Recht / Kommentar / Corpus iuris civilis / Codex Iustinianus / Fragment.
Entstehungsort
Paris.
Entstehungszeit
um 1210.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
2, 146, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
39,3 × 24,3 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + 3 V30 + VI42 + 8 V122 + IV130 + V140 + (IV-2)146 + (I-1)147*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 147*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–146). Vor- und Nachsatzbll. ungez., weshalb hier die Zählung des Digitalisats übernommen wird (1a, 2a, 147*). Reklamanten von anlegender Hand auf letzter Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts (fehlen auf 42v, 82v, 140v).
Zustand
Pergament v.a. im ersten Teil verschmutzt, mit zahlreichen Flecken, zahlreiche Löcher, einige Risse, teilweise mit Pergament oder Japanpapier ausgebessert. Zahlreiche Rasuren.

Schriftraum
34,8 × 23,5 cm (4 Spalten, wobei die äußeren Spalten zwar vorgezeichnet, aber nicht systematisch gefüllt wurden).
Spaltenanzahl
4 Spalten.
Zeilenanzahl
Legaltext: 58 Zeilen; Glosse: bis zu 130 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Legaltext von einer Hand, deren Schrift typisch für die in Nordfrankreich gepflegte Textualis ist. Sie schrieb auch einen Großteil der Authentiken. Für das Gros der Glossen, die in erster Linie Azo, darüber hinaus aber auch häufig Johannes Bassianus zitieren, zeichnete eine andere, zeitgenössische Hand verantwortlich. Weitere, jüngere Hände trugen schließlich Glossen nach.
Buchgestaltung
Nach Powitz, Textus, S. 84f., handelt es sich um einen Vier-Spalten-Typ, allerdings nicht mit der späterhin entwickelten Klammerform. Auch wurden die äußeren Spalten nicht systematisch gefüllt. Mit Metallstift vorgezogenes Zeilengerüst. Buchzählung in schwarzer Tinte im Seitenkopf, von I bis IX, als lebender Seitentitel. Raum für Initialen an den Anfängen der Bücher ausgespart, dieselben wurden aber nicht ausgeführt. Titulus als Rubrik hervorgehoben. Vor den Tituli auf einer freigehaltenen Fläche im Schriftraum eine meist zweizeilige blaue Initiale, wie auch vor den Autorennamen. Eingerückt dahinter die kleineren Initialen in Rot am Anfang der Leges. Unter den Glossen Authentiken mit Rubrik und CN für ‚Constitutio nova‘ in Blau bzw. Rot eingeleitet. Die Verweisung vom Legaltext auf die Glosse erfolgt mittels grafischer Verweiszeichen.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Korrekturen und Anmerkungen von zahlreichen Händen, darunter Marginal- und Interlinearglossen von Accursius (um 1182/85–um 1260/63; 2r, 4v, 5r–144r; vgl. OVL). Ferner Texte von: Ugolino Presbiteri: Solutiones contrariorum ad Cod. 4.6.3 (15v), Azo: Distinctio de novationibus, ad Cod. 3.1 (30r), Distinctio de duobus quaestionibus (31v), Quaestio de matre renuntiante hereditati filii (34v), Distinctio de venditione rei communis (39r), Commentum ad Cod. 8.4.7 (123v), weitere Kommentare zu einzelnen Kaisergesetzen, darunter von Accursius, Solutiones contrariorum, Quaestiones, juristische Traktate oder Rede anlässlich einer Doktorpromotion von ungenannten Juristen (vgl. Manuscripta juridica).

Einband
Am Rücken stark beschädigter Pergamentband über Pappe, nach Schunke, Einbände 2.2, S. 850, um 1780 in Rom entstanden. Oben aufgeklebt auf den Rücken ein barockes helles Signaturschild 763 mit angerissenem Rand, darunter direkt auf den Rücken der Buchtitel notiert; unten blaues Schildchen mit Pal. lat. 763. Löcher für zwei Schließschnüre in beiden Deckeln.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Modernes blaues Signaturschild der Vaticana Pal. lat. 763 auf dem vorderen Spiegel. Auf Vorsatzbl. 1ar aktuelle Signatur und Altsignaturen 74, 686 und weitere dreistellige Ziffer, beginnend mit 68. Auf 2ar Capsa-Nummer C. 86., darunter Allacci-Signatur 372 [durchgestrichen] sowie weitere Altsignaturen 518 und 858 [durchgestrichen]. Der Legaltext und die älteste Glossenschicht dürften in etwa zur selben Zeit entstanden sein, wobei der Glossenapparat um 1210 niedergeschrieben sein dürfte, ist er doch maßgeblich von den Kommentaren des Azo (um 1150–um 1230) geprägt und bringt unter den übrigen Glossatoren als jüngsten die Auslegung des Ugolino Presbiteri (†um 1233) , vgl. Manuscripta juridica. Da die Hs. anhand von Pecien und damit in einer Universitätsstadt hergestellt wurde, verschiedene Nachträge auf eine französische Herkunft schließen lassen und der paläografische Befund auf einen nordfranzösischen Entstehungsort schließen lässt, kommt für Letztgenannten eigentlich nur Paris in Betracht. Wer den Codex besaß, lässt sich nur mutmaßen. Im Besitzeintrag auf 1r wurde der Name radiert. Lehmann nahm an, dass sich die Hs. späterhin wahrscheinlich in Fuggerbesitz befunden hätte und erklärte die fehlende Fugger-Signatur mit einem verloren gegangenen Vorsatzblatt. Jan F. Hanselmann führt eine mögliche Erwerbung der Hs. durch Kurfürst Ludwig III. ins Feld.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_763
Literatur
Manlio Bellomo, Consulenze professionali e dottrine di professori. Un inedito „consilium domini Accursii“, in: Quaderni catanesi di studi classici e medievali 4 (1982), S. 199–219, hier S. 206 A. 11, 207 A. 13; Caprioli, Tre capitoli, S. 231 A. 27, 232 A. 29, 239 A. 64, 243 A. 78, 259 A. 155, 282 A. 256, 329 A. 476, 354f.; Caprioli, Satura, S. 218 A. 4, 220; Emanuele Conte, Un sermo pro petendis insigniis al tempo di Azzone e Bagarotto, in: Rivista di storia del diritto italiano 60 (1987), hier S. 72 A. 5; Cortese, La summula, S. 352 A. 38; Cortese, La norma, Bd. 1, S. 146 A. 6, Bd. 2, S. 144f. A. 102, 237f. A. 180, 302 A. 11, 334 A. 73, 338 A. 78, 367 A. 4; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 126, Nr. 4; Lefebvre, Pillius, S. 1501; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 484; Maffei, La donazione, S. 138 A. 5; Manuscripta juridica, Pal.lat.763; OVL, Pal.lat.763; Padoa Schioppa, Appello 2, S. 224; Eltjo J. H. Schrage, Koop breekt geen huur. Enige grepen uit de geschiedenis van het geleerde recht inzake de gevolgen van de vervreemding van een verhurde zaak (= Rechtshistorische Cahiers 7 [1984]), S. 53; Eltjo J. H. Schrage „Colonia partiaria“. Zum Rechtsbegriff der Teilpacht aus der Sicht der Glossatoren, in: Satura Roberto Feenstra sexagesimum quintum annum aetatis complenti ab alumnis collegis amicis oblata, hrsg. v. J. E. Spruit u. a., Freiburg (Schweiz) 1985, S. 393–404, hier S. 402; Eltjo J. H. Schrage, „Qui in fundo alieno edificavit“. Die „actio negotiorum gestorum utilis“ als Vorstufe einer allgemeinen Bereicherungsklage, in: Revue internationale des droits de l’Antiquité 36 (1989), S. 401–420, hier S. 410; Eltjo J. H. Schrage, Die Glossatoren und ihre Lehre von der Novation, in: TvR 58 (1990), S. 39–54, hier S. 40; Soetermeer, Utrumque ius, S. 318 A. 74; Speciale, La memoria, S. 205 (mit weiterer Literatur), 217, 229, 326; Stevenson, Latini, S. 273; Vernet, L’histoire, S. 307.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1rb–144rc Digitalisat

Beteiligte Personen
Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X).
Titel
Codex Iustinianus cum glossa.
Angaben zum Text
Dritter Teil der von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebenen Rechtssammlung mit überwiegend voraccursianischen Glossen von Azo (um 1150-um 1230; 1r–144r), Johannes Bassianus (†1197; 2v, 20v, 24v, 26v–144r), Rogerius (12. Jh.; 4r, 19v, 20r–v, 26v–144r), Irnerius (um 1050-um 1130; 4r, 24v, 28v, 34r–144r), Alberto da Pavia (belegt 1211–1240; 4v, 5r, 27v, 32v–144r), Johannes (14r, 16r, 18r–144r), Bulgarus (†1166; 19v, 24v, 25v, 26v, 144r), Martino Gosia (†1158; 25v, 26r–v, 27r–144r), Glossator mit der Sigle Mc. (vielleicht Mercadans, nachgewiesen in Bologna 1204–1206, vgl. Manuscripta juridica; 26v, 40v, 44v–144r), Glossator mit der Sigle P. (28v, 29r–v, 32r–144r), Guglielmo da Capriano (†1201; 47v), Ugolino Presbiteri (ohne Folioangabe; vgl. Manuscripta juridica), Alberico di Porta Ravegnana († um 1194; vgl. Speciale, La memoria, S. 326), Otto Papiensis (vgl. Speciale, La memoria, S. 326), Benedetto da Isernia (vgl. Speciale, La memoria, S. 326); wenn kein anderer Verweis gegeben, vgl. OVL. (1rb) De novo codice componendo; (1rb–1vb) De Iustiniano codice confirmando; (1vb–1vc) De emendatione codicis Iustiniani et secunda eius editione; (2rb–19rb) Buch 1; (19rb–29vb) Buch 2; (29vc–40vb) Buch 3; (40vc–59rc) Buch 4; (59rc–82vc) Buch 5; (83rb–105vb) Buch 6; (105vb–121vb) Buch 7; (121vb–134vc) Buch 8; (134vc–144rc) Buch 9.
Rubrik
1rb In nomine domini nostri Ihesu Christi incipit liber primus codicis domini Iustiniani [nachgetragen: sacratissimi principis] perpetui imperatoris Augusti repetite prelectionis primus liber incipit. ›De novo codice faciendo‹.
Incipit
1rb Imperator Iustinianus Augustus ad senatum. Hec, que necessario esse corrigenda multis retro principibus uisa sunt
Explicit
144rb … vt libertatem non dampnationis, sed lenitatis paterne testem habeant. Amen.
Edition
Codex, Lyon 1627. Die Glosse zu Cod. 2.1.1–2.1.8 ediert in Gero Dolezalek, Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani (Ius commune, Sonderhefte, Texte und Monographien 23), Frankfurt am Main 1985, S. 820–828.

2) 144v Digitalisat

Titel
Kleintexte.
Angaben zum Text
Kleintexte, darunter Kommentar zu Joh 1,27.

3) 145ra–146rc Digitalisat

Titel
Inhaltsverzeichnis (15. Jh.).

4) 146v Digitalisat

Titel
Textfragment auf Französisch in einer Bastarda des 15. Jhs.


Bearbeitet von
Dr. Christoph Winterer, Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 763. Beschreibung von: Dr. Christoph Winterer, Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.