Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 767

Sammelhandschrift zum Römischen Recht

Papier, Pergament · 3, 287, 2 Bll. · 38,3 × 24,5 cm · Südfrankreich (?) · 1. Hälfte 14. Jh.


Schlagwörter (GND)
Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Institutiones Iustiniani / Novellae / Libri feudorum / Codex Iustinianus.
Entstehungsort
Südfrankreich (?).
Entstehungszeit
1. Hälfte 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier / Pergament.
Umfang
3, 287, 2 Bll.
Format (Blattgröße)
38,3 × 24,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(II-1)3a + 1A + IIE + 7 V71 + IV79 + 17 V250 + IV258 + 3 V288 + 1289 + (II-2)291*. Vorderspiegel Gegenbl. von 3a, Hinterspiegel Gegenbl. von 290*. Zählfehler: 55, 177, 178, 232 übersprungen; 176, 187 doppelt gez.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Foliierung mit größtenteils gotischen Ziffern (I–III, 4–289), A–E nachgetragen. Vor- und Nachsatzbll. ungez., weshalb hier die Zählung der Digitialisate übernommen wird (1a–3a, 290*–291*). Durchgängig Reklamanten, phasenweise verziert, auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts (fehlt auf 10v).
Zustand
Pergament v.a. zu Anfang verschmutzt, mit manchen Flecken, Tinte verblasst, insbesondere beim Legaltext, und berieben, wenige genähte Risse. Schrift scheint zuweilen durch das Pergament. Auf ersten und letzten Bll. Wurmfraß.

Schriftraum
35,3 × 23,2 cm.
Spaltenanzahl
Legaltext und Klammerglosse jeweils zweispaltig (61r–71r, 222r–223r Legaltext einspaltig).
Zeilenanzahl
Legaltext: 8–47 Zeilen; Klammerglosse: bis zu 108 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Legaltext und Klammerglosse wurden von mehreren Händen ausgeführt, die alle der Rotunda verpflichtet sind, dennoch aber, jede Hand unterschiedlich stark, Elemente verwenden, wie sie in der nordfranzösischen Textualis gebräuchlich waren, wie den unter die Grundlinie gezogenen Bauch des h, die immer wieder zu findende Tendenz zum Kasten-a, die am Ende gespaltenen Oberlängen, der unter die Grundlinie verlängerte Haarstrich am runden r (vgl. Derolez, Palaeography, S. 116f.), sodass die verwendeten Schriften für eine Entstehung der Hs. in Südfrankreich sprechen.
Buchgestaltung
Die für glossierte oberitalienische Rechtshss. entwickelte Seiteneinrichtung: zweispaltiger Text mit umgebender zweispaltiger Klammerglosse, in der Terminologie von Powitz, Textus, S. 84f., Klammerform des Vier-Spalten-Typs. Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Ab 12r Texte mit zeitgenössischer Buchzählung im Seitenkopf als lebender Seitentitel nachgetragen. Überschriften rubriziert, alternierend blaue und rote Lombarden, manchmal mit Aussparungen, mit Fleuronné in Gegenfarbe, alternierend blaue und rote Paragrafenzeichen. Majuskeln anfangs mit gelben Strichelungen. Klammerglosse zuerst ohne farbige Hervorhebungen oder Buchschmuck, ab 80r mit alternierend blauen und roten Paragrafenzeichen, ab 207r zudem mit alternierend blauen und roten Lombarden mit Verzierungen in Gegenfarbe. Verweisung vom Legaltext auf Glosse durch Buchstaben. Angaben für Rubrikator noch vorhanden.
Buchschmuck
Auf Ir thronender Kaiser in blauem Kleid mit rotem Umhang und Lilienzepter in der Linken übergibt einem in Blau mit roten Ärmeln Gewandeten ein Schriftstück. Darunter Bildeinschlussinitiale mit Ranken, an deren oberem Ende ein Mischwesen aus Vogel und Mensch sitzt, wobei der untere Teil den Körper eines Vogels, der obere den Oberkörper eines Benediktinermönchs darstellt. Auf 207rb Initiale, Bruststück eines Mannes im Binnenfeld. Als Ablaufmotiv Vogel, Drache und Ranke mit Mönchskopf.

Nachträge und Benutzungsspuren
Korrekturen, Anmerkungen und grafische Verweiszeichen von mehreren Händen, bis ins 15. Jh. hineinreichend, darunter auch einige Marginal- und Interlinearglossen, als Autoren nachweisbar sind Azo (um 1150–um 1230; vgl. Glosse preaccursiane, hrsg. von Caprioli, S. 7, 18) und Lambertino Ramponi (†1304; 80r–80v, 81v; vgl. OVL).

Einband
Pergamentband über Pappe, nach Schunke, Einbände 2.2, S. 850, um 1780 in Rom entstanden. Löcher für Schließbänder in den Deckeln noch vorhanden. Auf dem Vorderdeckel in Blau aktuelle Signatur. Rücken an Kopf und Schwanz leicht beschädigt mit Fraßspuren. Oben aufgeklebt barockes helles Signaturschild 767, darunter direkt auf den Rücken der Buchtitel notiert, davon noch lesbar INSTITVTA AVTHENTICUM et Cod. lib. 3., darunter Signatur in Blau, unten blaues Schildchen Pal. lat. 767.
Provenienz
Oberitalien / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Modernes blaues Signaturschild der Vaticana Pal. lat. 767 auf dem vorderen Spiegel. Auf Vorsatzbl. 1ar aktuelle Signatur, Altsignaturen 678 [durchgestrichen, Ergänzung unleserlich] und 622, auf Ar Capsa-Nummer C. 138., darunter die Allacci-Signatur 415 [durchgestrichen], Altsignatur 210 [durchgestrichen]. Aufgrund der Schrift und der Eingangsinitiale lässt sich annehmen, dass die Hs. in Südfrankreich entstanden sein dürfte. Dafür spricht auch der Eintrag auf 289r, wohl ein Kaufvermerk, der kaum lesbar ist. Das Toponym lässt sich allerdings noch als Caballonus erahnen, weshalb eine Herkunft der genannten Person aus Chalon-sur-Saône (Dép. Saône-et-Loire) angenommen werden kann, womöglich auch aus Cavaillon (Dép. Vaucluse). Späterhin befand sich der Codex wahrscheinlich in Oberitalien, wofür die Initiale auf 207rb spricht. Unterstützt wird diese Annahme von einem weiteren Kaufvermerk (?) auf 289r, diesmal auf Italienisch: Zucaro dato allo Speciale libbre j, once 9. Darüber hinaus führt Hanselmann ins Feld, dass Kurfürst Ludwig III. die Hs. in Paris hätte erwerben können (Hanselmann, Bücherschenkung, S. 126), Lehmann vermutet Bologna als Entstehungsort und einen späteren Erwerb durch Ulrich Fugger (1526–1584; vgl. Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 485).

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_767
Literatur
Authenticum 1, hrsg. von Heimbach, S. XXIX; Caprioli, Satura, S. 494 A. 27; Crescenzi, Testo, S. 273, 295; Dydynski, Beiträge, S. 75, Nr. 209; Glosse preaccursiane alle Istituzioni. Strato azzoniano, Libro primo, hrsg. von Severino Caprioli u. a., Rom 1984 (Fonti per la storia d’Italia pubblicate dall’Istituto storico italiano per il Medio Evo 107), S. 7, 18; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 126; Lehmann, Lehnrecht, S. 32; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 485; Manuscripta juridica, Pal.lat.767; Mirabile, Pal.lat.767; OVL, Pal.lat.767; Röhle, Rekonstruktion, S. 88 A. 6; Schunke, Einbände 2.2, S. 850; Speciale, Acursius, S. 115 A. 18, 116 A. 27; Stevenson, Latini, S. 274f.; Weimar, Handschriften, S. 63.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) Av Digitalisat

Titel
Inhaltsverzeichnis der Institutiones Iustiniani, Quaestio ‚De conficiendis instrumentis noctu‘.
Angaben zum Text
(1ar) Signaturen; (1av–3av) leer; (Ar) Signaturen.

2) Bra–Bva Digitalisat

Titel
Nachgetragenes Register zu den Institutiones Iustiniani, alphabetisch geordnet nach Tituli.

3) Bva–Cra Digitalisat

Titel
Nachgetragenes Register zum Authenticum, alphabetisch geordnet nach Novellen.

4) Cra–Drb Digitalisat

Titel
Nachgetragenes Register zu den den Büchern 10–12 des Codex Iustinianus, alphabetisch geordnet nach Tituli.

5) Dv Digitalisat

Titel
Nachgetragenes Register zu den Libri feudorum, alphabetisch geordnet nach Tituli.
Angaben zum Text
(Er) leer.

6) Ev Digitalisat

Titel
Nachgetragene Invocatio und Intitulatio zu den Institutiones Iustiniani.

7) 1ra–79vc Digitalisat

Beteiligte Personen
Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X) / Accursius (GND-Nr.: 100956599).
Titel
Institutiones Iustiniani cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebene Schriftensammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius (um 1182/85-um 1260/63): (1rb–1vb) Prooemium; (1vb–11vc) Buch 1; (11vc–34rc) Buch 2; (34vb–54rc) Buch 3; (54rc–78vc) Buch 4; (78vc–79vc) De raptu virginum seu viduarum nec non sanctimonalium (Cod. 9.13, ed. Codex, Lyon 1627, Sp. 2363–2366).
Rubrik
1rb ›Jn nomine domini nostri Ihesu Christi. Domini Iustiniani sacratissimi principis Jnstitutionum seu elementorum liber primus incipit‹.
Incipit
1rb ›Imperatoriam maiestatemnon solum armis decoratam
Explicit
79vc … quam de sanctimonialibus quam virginibus ac uiduis locum habere sanctimus.Gratia sit Christo finito codice isto‹.
Edition
Institutiones, Lyon 1627.

8) 79vc Digitalisat

Titel
Nachgetragenes Inhaltsverzeichnis zum Authenticum.

9) 80ra–206vc Digitalisat

Beteiligte Personen
Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X) / Accursius (GND-Nr.: 100956599).
Titel
Authenticum cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Sammlung von Gesetzen Kaiser Justinians mit der Glossa ordinaria des Accursius (zur fehlerhaften Abfolge der Novellen s. Authenticum 1, hrsg. von Heimbach, S. XXIX): (80rb–93vc) Collatio 1; (93vc–106rb) Collatio 2; (106rb–116vc) Collatio 3; (116vc–132vc) Collatio 4; (132vc–149rc) Collatio 5; (149rc–161vb) Collatio 6; (161vb–171rc) Collatio 7; (171rc–185rc) Collatio 8; (185rc–206vb) Collatio 9.
Rubrik
80rb ›Jmperator Justinianus Augustus Iohanni pape secundo. De heredibus et falcidia. Constitutio prima. Si heres legata soluere noluerit‹.
Incipit
80rb ›Ocupatisnobis circa totius rei publice curas et parum nichil eligentibus cogitare
Explicit
206vb … vox prefectos eos uigilauit.
Edition
Legaltext: Authenticum, hrsg. von Heimbach; Klammerglosse: Volumen, Lyon 1627.

10) 206va–226r Digitalisat

Beteiligte Personen
Accursius (GND-Nr.: 100956599).
Titel
Libri feudorum cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Text in Vulgatgestalt mit dem Kommentar des Accursius. Lehmann, Lehnrecht, S. 32 und Manuscripta juridica weisen darauf hin, dass die Libri feudorum als 10. Collatio des Authenticum angefügt worden wären, allerdings suggeriert dies nur der nachgetragene Seitentitel. Der Buchschmuck hingegen spricht für den Beginn eines neuen Texts auf 207ra: (207rb–224vc) Text in Vulgatgestalt; (224vc–225vc) ‚Constitutio in basilica beati Petri‘ Friedrich II. (1194–1250; ed. MGH Const. 2, Nr. 85); (225vc–226r) Authentica ‚Habita‘ Friedrich I. (ed. Winfried Stelzer, Zum Scholarenprivileg Friedrich Barbarossas [Authentica „Habita“], in: DA 34 [1978], S. 123–165, hier S. 165).
Rubrik
207rb ›Jncipiunt consuetudines feudorum. Et primo de hijs qui feudum dare possunt et qualiter acquiratur et retineatur‹.
Incipit
207rb ›Qviade feudis tractaturi sumus, uideamus primo, qui feudum dare possunt.
Explicit
226r … Hanc uero legem inter imperiales constituciones sub titulo ne [auf Rasur:] filius pro [auf Rasur:] patre conueniatur [auf Rasur:] jnseri precipimus [es folgen zwei radierte Wörter].
Edition
Legaltext: Consuetudines, hrsg. von Lehmann, S. 161–263; Klammerglosse: Volumen, Lyon 1627.

11) 226va–288vb Digitalisat

Beteiligte Personen
Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X) / Accursius (GND-Nr.: 100956599).
Titel
Codex Iustinianus cum Glossa ordinaria.
Angaben zum Text
Buch 10–12 des dritten Teils der von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebenen Rechtssammlung mit der Glossa ordinaria des Accursius: (226va–226vd) Nachgetragenes Inhaltsverzeichnis; (227rb–246rc) Buch 10; (246rc–265rb) Buch 11; (265rb–288vc) Buch 12. – 289r–289v Notizen, Federproben.
Rubrik
227rb ›Codicis domini Iustiniani sacratissimi principis repetite preleccionis explicit liber ix, incipit decimus. De jure fisci. Rubrica‹.
Incipit
227rb ›Imperator: Siprius, quam fisci racionibus pater uester obligaretur
Explicit
288vc … et officium xxx librarum auri uexacione quatietur.
Edition
Volumen, Lyon 1627, Sp. 1–338.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 767. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.