Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 770

Juristische Sammelhandschrift

Pergament · 2, 321, 1 Bll. · 35 × 24,8 cm · Heidelberg · 1465–1470


Schlagwörter (GND)
Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Institutiones Iustiniani.
Entstehungsort
Heidelberg.
Entstehungszeit
1465–1470.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
2, 321, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
35 × 24,8 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + 3 IV23 + V33 + (II-1)35a + 21 IV203 + II205b + 2 IV221 + III225b + 3 IV249 + II251b + 7 IV307 + III313* + (I-1)314*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 314*. Erste Lage beginnt mit 3a.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Vor- und Nachsatzbll. sowie weitere Bll. zwischen den Büchern oder einzelnen Texten ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a–3a, 35a, 205a–205b, 225a–225b, 251a–251b, 311*–314*). Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–310).
Zustand
Im Wesentlichen gut erhalten. Pergament nur leicht an den Rändern abgegriffen. Wenige Löcher, meist zeitgenössisch genäht, einige Flecken.

Schriftraum
17,4 × 11,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
20–24 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Der Schreiber bediente sich einer schleifenlosen Bastarda, die in ihrer kalligrafisch anspruchsvollen Ausgestaltung mit ihren zahlreichen Brechungen, dem geschwungenen f und s sowie den geflammten Schäften der Majuskeln an die Fraktur erinnert. 204r–205r vielleicht von anderer Hand.
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Auf jeder Rectoseite in der oberen rechten Ecke lebender Seitentitel. Vor jedem Text- oder Buchanfang aufwändig gestaltete Initiale (s. Buchschmuck). Tituli rubriziert, mit alternierend blauer oder roter Lombarde über meist zwei Zeilen eingeleitet, ferner alternierend blaue und rote Paragrafenzeichen sowie rote Strichelungen zur Unterteilung der Sinnabschnitte. Raum für Glossen frei gelassen.
Buchschmuck
Vor den Text- bzw. Buchanfängen Initiale vor Kastenrahmen mit in der Regel Goldranken im Binnenfeld und Sichelblättern im Buchstabenstamm, gefiederte und spitz zulaufende Blätter als Ablaufmotiv, in Blau, Gelb, Gold, Grün, Purpur und Rot. Die Initialen stammen aus der Heidelberger Werkstatt, die auch die Buchmalerei zu Pal. lat. 1099, Pal. lat. 1120, Pal. lat. 1132, Pal. lat. 1140, Pal. lat. 1232, Pal. lat. 1246, Pal. lat. 1327, Pal. lat. 1352, Pal. lat. 1632, Pal. lat. 1794 und Cod. Pal. germ. 147 schuf (vgl. die Bildbeschreibung von Dr. Margit Krenn in heidICON, mit weiterer Literatur).

Nachträge und Benutzungsspuren
Korrekturen, vielleicht von anderer Hand, nachgetragen. Kaum Anmerkungen von wohl weiterer, in etwa zeitgenössischer Hand. Zahlreiche grafische Verweiszeichen, v.a. in Form von Zeigehänden.

Einband
Pergamentband über Pappe, nach Schunke, Einbände 2.2, S. 850, um 1780 in Rom entstanden. Löcher für Schließbänder in den Deckeln noch vorhanden. Auf dem Rücken oben aufgeklebt barockes helles Signaturschild 770, darunter direkt auf den Rücken der Buchtitel notiert, INSTITVTA., darunter Signatur in Blau, auf dem Schwanz Schildchen mit Pal. lat. 770, ganz unten Altsignatur 639.
Geschichte der Handschrift
Modernes blaues Signaturschild der Vaticana Pal. lat. 770 auf dem vorderen Spiegel. Auf Vorsatzbl. 1ar aktuelle Signatur und Altsignatur 681 [durchgestrichen, weitere Signatur überschrieben], auf 2ar Capsa-Nummer C. 69., auf 3ar Altsignatur 604. Nach dem Buchschmuck zu urteilen, dürfte die Hs. zwischen 1465 und 1470 in einer Heidelberger Werkstatt geschaffen worden sein, die in ihrer Produktion greifbar, für verschiedene Exponenten des Heidelberger Hofs tätig war. Ein Zettel auf dem Vorderspiegel, einstmals zwischen 60 und 61 einliegend, gibt über unseren Exponenten nähere Auskunft: Phillipus et cetera. Lieber vetter Schenckburckart ich laß uch wissen das es mir wol get von den gnaden gottes [die nächsten Buchstaben unleserlich bzw. gestrichen] des gleychen hort ich auch gern von uch vnd von den andern allen vnd sunderlichen von meym lieben vatter. Bei dem Angesprochenen dürfte es sich um Burkhard Schenk von Tautenburg handeln (zur Person: Arnold Berg, Zur Genealogie der Schenken von Tautenburg im Mittelalter, in: Genealogie 23/24 [1974/75], S. 609–621, hier S. 616). Er lässt sich im Gefolge Friedrichs des Siegreichen in den Schlachten bei Beilstein 1460 und bei Seckenheim 1462 sowie bei der Belagerung Wachenheims an der Weinstraße 1471, hier im Amt des pfalzgräflichen Schenken, nachweisen (Christoph Jakob Kremer, Geschichte des Kurfürsten Friedrichs des Ersten von der Pfalz, Bd. 1, Frankfurt am Main / Leipzig 1765, S. 296; Quellen zur Geschichte Friedrichs des Siegreichen, Bd. 2, Michel Beheim und Eikhart Artzt, hrsg. von Konrad Hofmann [Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte 3], München 1863, S. 78, 230). Unklar bleibt jedoch, ob es sich bei diesem Zettel um den Rest eines Briefs oder eines Konzepts handelt, Burkhard Schenk von Tautenberg demnach als Empfänger oder Adressat genannter Zeilen angesehen werden muss und damit er oder einer seiner Verwandten vorliegende Hs. sein Eigen nennen konnte. Der Entstehungskontext sowie die fehlende Fugger-Signatur lassen damit die Annahme von Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 485, dass die Hs. Eigentum Ulrich Fuggers (1526-1584) gewesen sein könnte, als recht unwahrscheinlich erscheinen. Wahrscheinlicher ist dann doch, dass die Hs. schließlich in die Schlossbibliothek gelangte. Denn im Katalog von 1555/1560 mit jenen Hss., die unter Ottheinrich aus der Heidelberger Schlossbibliothek in die Heiliggeistkirche verbracht wurden, ist ein durchaus passender Eintrag vorhanden: Institutiones iuris, auf perment geschrieben, cum regulis iuris et verborum significatione et feudalibus consuetudinibus (Pal. lat. 1944, 134r).

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_770
Literatur
Backes, Leben, S. 57 A. 30; Caprioli, Tre capitoli, S. 305 A. 372; Dydynski, Beiträge, S. 75, Nr. 212; Ulrike Frommberger-Weber, Spätgotische Buchmalerei in den Städten Speyer, Worms und Heidelberg (1440–1510). Ein Beitrag zur Malerei des nördlichen Oberrheingebietes im ausgehenden Mittelalter, in: ZGO 121 (1973), S. 35–145, hier S. 107f., 128f.; Jeudy, Handschriften, S. 9; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 485; Manuscripta juridica, Pal.lat.770; Metzger, Kat. UB Heidelberg 4, S. 162; Mirabile, Pal.lat.770; OVL, Pal.lat.770; Schunke, Einbände 2.2, S. 850; Georg Steer, Hugo Ripelin von Straßburg. Zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des ‚Compendium theologicae veritatis‘ im deutschen Spätmittelalter, Tübingen 1981 (Texte und Textgeschichte 2), S. 280 A. 15; Georg Steer, Der Heidelberger ‚Prosa-Lancelot‘-Codex Pal. germ. 147. Fragen seiner Entstehung, Sprache und Herkunft, in: Wolfram-Studien 9 (1986), S. 10–16, hier S. 15; Stevenson, Latini, S. 275f.; Elgin Vaasen, Die Werkstatt der Mainzer Riesenbibel in Würzburg und ihr Umkreis, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 13 (1973), Sp. 1122–1427, hier Sp. 1399; Weimar, Handschriften, S. 63.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–203v Digitalisat

Beteiligte Personen
Justinian I. (GND-Nr.: 11855896X).
Titel
Institutiones Iustiniani.
Angaben zum Text
Von Kaiser Justinian I. in Auftrag gegebene Schriftensammlung: (1r–3r) Prooemium; (3r–35v) Buch 1; (35ar–35av) leer; (36r–93r) Buch 2; (93v–150v) Buch 3; (151r–203v) Buch 4.
Incipit
1r ›Imperatoriammaiestatem non solum armis decoratam
Explicit
203v … Alioquin diligentior eorum sciencia vobis ex lacioribus Digestorum seu Pandectarum libris deo propicio adinuentura est.
Edition
Institutiones, Lyon 1627.

2) 204r–204v Digitalisat

Titel
Inhaltsverzeichnis zu den Institutiones Iustiniani.

3) 204v–205r Digitalisat

Titel
Merksätze zu den Institutiones Iustiniani.
Angaben zum Text
205v–205bv leer.
Incipit
204v Justi et iure, jus naturale, jure persona
Explicit
205r … litis officium, jus publis [!].

4) 206r–207r Digitalisat

Titel
De regulis iuris.
Angaben zum Text
Auszug aus dem Liber extra (X 5.41).
Rubrik
206r ›Jncipiunt regule juris‹.
Incipit
206r ›IohannesCrisostomus:Omnisres per quascumquam causas nascitur
Explicit
207r … vt pro spiritualibus facere quis homagium compellatur.
Edition
Corpus iuris canonici 2, Sp. 927f.

5) 207v–211v Digitalisat

Titel
De regulis iuris.
Angaben zum Text
Auszug aus dem Liber sextus (VI 5.13) .
Rubrik
207v ›Regule iuris‹.
Incipit
207v ›Beneficiumecclesiasticum non potest licite sine institucione canonica obtineri
Explicit
211v … ›DataRome apud sanctum Petrum quinto Nonas Marcij pontificatus nostri anno quarto.
Edition
Corpus iuris canonici 2, Sp. 1122–1124.

6) 212r–225v Digitalisat

Titel
De regulis iuris.
Angaben zum Text
Auszug aus dem Digestum novum (Dig. 50.17). – (225ar–225bv) Leeres Zeilengerüst .
Incipit
212r ›Regulaest, que rem que est breuiter enarrat
Explicit
225v … ›Seruusrei publice causa abesse non potest.
Edition
Digestum novum, Lyon 1627, Sp. 1867–1932.

7) 226r–251v Digitalisat

Titel
De verborum significatione.
Angaben zum Text
Auszug aus dem Digestum novum (Dig. 50.16).
251ar–251bv leer.
Incipit
226r ›Uerbumhoc si quis tam masculos quam feminas complectitur
Explicit
251v … et tota restitucio iuris est interpretacio. Finis adest vere.
Edition
Digestum novum, Lyon 1627, Sp. 1793–1867.

8) 252r–310v Digitalisat

Beteiligte Personen
Accursius (GND-Nr.: 100956599).
Titel
Libri feudorum.
Angaben zum Text
In der Accursischen Rezension bzw. Vulgatfassung. Zur inhaltlichen Aufteilung s. Lehmann, Lehnrecht, S. 32 und Manuscripta juridica.
Rubrik
252r ›Incipiunt consuetudines feudales. Et primo qui feudum dare possunt et qualiter acquiratur‹.
Incipit
252r ›Quiade feudis tractaturi sumus, videamus primo, qui feudum dare possunt
Explicit
310v … imperiali animaduersione nichilominus puniendus.
Edition
Legaltext: Consuetudines, hrsg. von Lehmann, S. 161–263.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 770. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.