Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 786
Summen des Azo zum Corpus iuris civilis
Pergament · 2, 241, 2 Bll. · 42,2–42,3 × 26,5–26,8 cm · Südfrankreich (?) · 2. Hälfte 13. Jh.
- Schlagwörter (GND)
- Römisches Recht / Corpus iuris civilis / Institutiones Iustiniani / Novellae / Codex Iustinianus / Digesta.
- Entstehungsort
- Südfrankreich (?).
- Entstehungszeit
- 2. Hälfte 13. Jh.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 2, 241, 2 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 42,2–42,3 × 26,5–26,8 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + 12a + 11 V110 + IV118 + 5 V168 + VI180 + (V-1)189 + 4 V229 + VI241 + 1242 + (I-1)243*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 243*.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–242). Vorsatzbll. und letztes Nachsatzbl. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a–2a, 243*). Durchgehend auf der letzten Versoseite der Lage Lagenzählung in lateinischen Ziffern auf dem Fußsteg in der Mitte, Reklamanten auf dem Fußsteg rechts. Ab 130r Lagenfoliierung in Rot auf den Rectoseiten.
- Zustand
- Pergament verschmutzt, Haarseite mit Gelbstich, wenige Flecken, Tinte berieben, mitunter etwas verblasst, schlägt zuweilen leicht durch. 239v–240r Wasserschaden mit geringem Textverlust.
- Schriftraum
- 26,5–30,2 × 17,7–19 cm.
- Spaltenanzahl
- 2 Spalten.
- Zeilenanzahl
- 53–59 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Die erste Hand schrieb bis 227r in einer Textualis mit relativ vielen Brechungen, während der zweiten Hand ein deutlich runderer und breiterer Duktus zu eigen ist.
- Buchgestaltung
- Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Ziffern der Bücher in lateinischen Zahlen als lebender Seitentitel. Abschnitte (bis 117v mit arabischen Ziffern nummeriert) beginnen mit Rubriken und alternierend blauer oder roter Lombarde mit Fleuronnéverzierung in Gegenfarbe. Ferner alternierend blaue und rote Paragrafenzeichen mit Verzierung in Gegenfarbe zur Unterteilung der Sinnabschnitte. Zuordnung der Glossen, die erste Tendenzen in Richtung Klammerglosse aufweisen, zum Textus inclusus mittels Verweiszeichen. Angaben für Rubrikator vorhanden.
- Buchschmuck
- 1r Blau-rote Initiale mit Schaftaussparungen, Palmettenfleuronné als Besatz, im Binnenfeld Wappen mit drei blauen Spindeln und einem Querbalken oder Faden (?), flankiert von zwei sich gegenseitig ansehenden Adlerköpfen.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Wenige Glossen von der Hand des Schreibers, der auch den Textus inclusus ausführte, das Gros an Glossen und Anmerkungen von mehreren Händen, bis ins 15. Jh. reichend, darunter auch die Hand des Francesco Angiolello. Zahlreiche grafische Verweiszeichen. Von den später hinzugefügten Glossen auffallend viele mit der Sigle Od., die mit Odofredo (†1265) (Sella, Sigle, S. 197) aufzulösen ist. Auch die häufig auftauchende Sigle Oldo. dürfte mit Odofredo gleichgesetzt werden, denn auf 206r endet die Glosse mit der Nennung des Autors wie folgt: Oldofredus summus doctor, wobei eine kleine Lücke zwischen Oldo und fredus erscheint, als ob der Schreiber zuerst die Sigle schrieb und schließlich noch den Rest hinzufügte (bei Sella, Nuove Sigle, S. 171 Oldo. genannt, aber nicht aufgelöst). Ebenso finden sich häufig die Siglen Old. und C.P. (zu letzterer s. Cortese, Per la storia, S. 128). Auf 34r–34v längerer Kommentar von Alberto da Pavia (belegt 1211–1240).
- Einband
- Pergamentband über Pappe, nach Schunke, Einbände 2.2, S. 851, um 1780 in Rom entstanden. Löcher für Schließbänder in den Deckeln noch vorhanden. Gelb-kupferfarbenes Kapital. Auf dem Rücken oben blaues barockes Signaturschild 786, darunter blaues Signaturschild Pal. lat. 786, schließlich Titel mit Tinte auf Rücken notiert: Azonis Summa, darunter in Blau P.
- Provenienz
- Padua / Augsburg / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Modernes blaues Signaturschild der Vaticana Pal. lat. 786 auf dem vorderen Spiegel. Auf Vorsatzbl. 2ar aktuelle Signatur und nicht eindeutig zu identifizierende durchgestrichene Altsignatur, auf 1r weitere Altsignatur 509. Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 487 sah zwar die Entstehung vorliegender Hs. im Italien des 14. und 15. Jh., die Schrift lässt aber annehmen, dass sie in der zweiten Hälfte des 13. Jhs. in Südfrankreich entstanden sein könnte. Dafür sprechen nicht zuletzt auch die hier gebrauchten Verweiszeichen, deren Verwendung im 14. und 15. Jh. in Italien eher unüblich gewesen wären. Mit Sicherheit gelangte sie 1431 nach Padua, wie der Vermerk auf 1r Mccccxxxj die xvij Octobris Filippus subscripsi zeigt, bei dem es sich um einen Paduaner Zollvermerk handelt, war es Studenten doch erlaubt, zollfrei Bücher in die Stadt einzuführen. Dort wurde sie von Francesco Angiolello erworben, wie die von ihm eingetragenen Glossen und Anmerkungen nahelegen (s. auch Caprioli, Tre capitoli, S. 296f.; Speciale, La memoria, S. 136 A. 51). Er studierte in den 1450er Jahren in der oberitalienischen Universitätsstadt, wo er auch Pal. lat. 745, Pal. lat. 760 und vielleicht auch Pal. lat. 732 erwarb (s. die entsprechenden Beschreibungen). Späterhin gelangte die Hs. in das Eigentum des Augsburger Bibliophilen Ulrich Fugger (1526–1584), wie die Signatur 195. seors. auf 1r nahelegt. Mit dem Ableben des Büchersammlers und gemäß seinem letzten Willen gingen seine Hss. in das Eigentum des Pfälzer Kurfürsten über und schließlich auf diesem Weg in die Bibliotheca Palatina ein (s. Einleitung).
- Literatur
- Caprioli, Tre capitoli, S. 296f.,
299 A. 342; Emanuele Conte, Coloni e manentes tra servitù e
libertà. Spunti canonistici, in: Proceedings of the Ninth International
Congress of Medieval Canon Law, Munich, 13–18 July 1992, hrsg. von Peter
Landau, Vatikanstadt 1997 (Monumenta iuris
canonici, Series C, Subsidia 10), S. 591–637, hier S. 611ff. (wohl
verschrieben zu Pal. lat. 789); Ennio Cortese, Per la storia di una teoria
dell’arcivescovo Mosé di Ravenna (m. 1154) sulla proprietà
ecclesiastica, in: Proceedings of the Fifth International Congress of
Medieval Canon Law, Salamanca, 21–25 Sept. 1976, hrsg. von Stephan
Kuttner / Kenneth Pennington,
Vatikanstadt 1980 (Monumenta iuris canonici, Series C, Subsidia 6), S.
117–155, hier S. 128, 152f.; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S.
107, 487; Manuscripta juridica, Pal.lat.786; Mirabile, Pal.lat.786; Mirabile, Azo, Summa; Nardi, Studi, S. 57 A. 107; OVL, Pal.lat.786; Andrea Padovani, Il titolo De Summa Trinitate et
fide catholica (C. 1. 1) nell’esegesi dei glossatori fino ad Azzone. Con
tre interludî su Irnerio, in: Manoscritti, editoria e biblioteche dal
medioevo all’età contemporanea, Studi offerti a Domenico Maffei per il
suo ottantesimo compleanno, Bd. 3, hrsg. von Mario
Ascheri / Gaetano Colli / Paola
Maffei, Rom 2006, S. 1075–1123, hier S.
1090; Schunke, Einbände 2.2, S.
851; Emil Seckel, Distinctiones Glossatorum: Studien zur
Distinktionen-Literatur der romanistischen Glossatorenschule, in:
Festschrift der Berliner Juristischen Fakultät für Ferdinand von Martitz
zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum am 24. Juli 1911, Berlin 1911, S.
277–436, hier S. 427, Nr. 2; Speciale, Acursius, S. 112 A. 3,
117f.; Speciale, La memoria, S. 136 A.
51; Stevenson, Latini, S. 280.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–189va
- Verfasser
- Azo (GND-Nr.: 119033372).
- Titel
- Summa Codicis Iustiniani.
- Angaben zum Text
- (1ra–1vb) Prooemium; (1vb–11ra) Liber 1; (11ra–33vb) Liber 2; (33vb–57rb) Liber 3; (57rb–97rb) Liber 4; (97rb–118rb) Liber 5; (118v) leer; (119ra–146rb) Liber 6; (146rb–163vb) Liber 7; (163vb–179va) Liber 8; (179va–189va) Liber 9.
- Rubrik
- 1ra ›Jncipit prohemium ad Summam Codicis per dominum Açonem componendam. Rubrica‹.
- Incipit
- 1ra ›Cvm‹ post inuentionem scientie superuenerit gratie plenitudo et successiuis nature beneficiis ingenium predotetur …
- Explicit
- 189va … quia cum officiis debebit eam petere a patre vt infra est t. l. Vltra.
- Edition
- Der Text liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits 1482 als Wiegendruck (GW 3144–3148); Glosse auf 2va–b ediert in Cortese, Mosé di Ravenna, S. 152f.
2) 190ra–211rb
- Verfasser
- Azo (GND-Nr.: 119033372).
- Titel
- Summa Institutionum.
- Angaben zum Text
- Auf 211r vermerkte Francesco Angiolello, dass Azo die Summe 1210 verfasst habe: Explicit Summa super Institutiones composita a. d. Açone anno M.CC.X. Zur diesbezüglichen Einschätzung Angiolellos s. auch seine Anmerkung auf 1r.
- Rubrik
- 190ra ›Jncipit proemium ad Institutionum Summam Açonis. Rubrica‹.
- Incipit
- 190ra ›Quasi‹ modo geniti pueri uel adulti lac iuris concupiscite …
- Explicit
- 211rb … in lucem erexerim et in consonantiam luculentam.
- Edition
- Der Text liegt in keiner modernen Edition vor, erschien aber bereits 1482 als Inkunabel (GW 3144–3148).
3) 211va–224rb
- Verfasser
- Johannes Bassianus (GND-Nr.: 100948405).
- Weitere beteiligte Personen
- Azo (GND-Nr.: 119033372) / Hugolinus de Presbyteris (GND-Nr.: 100965040).
- Titel
- Summa Digestorum.
- Angaben zum Text
- Die Digestensumme des Johannes Bassianus in der jüngsten Rezension des Azo mit der eingeschobenen Summula des Ugolino Presbiteri zu Dig. 29.2.
- Rubrik
- 211va ›Jncipit materia ad Pandectam secundum Iohannem. Rubrica‹.
- Incipit
- 211va ›In‹ nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen. Principium omnium rerum est deus …
- Explicit
- 224rb … siquis diuturno.
- Edition
- Es liegt keine moderne Edition vor, der Text erschien aber bereits 1484 als Wiegendruck (GW 3145–3148).
4) 224rb–227rb
- Titel
- Summa Authentici.
- Angaben zum Text
- Bei Manuscripta juridica wird die von Francesco Angiolello auf 224rb angebrachte Randbemerkung dahingehend interpretiert, dass der Text von Azo stamme und von Accursius (um 1185–1263) überarbeitet worden sei. Übersetzt man den ersten Satz allerdings in dem Sinne, dass die Rubrik bzgl. der Autorschaft unklar bzw. unvollständig sei (erwähnt wird nur Johannes Bassianus), darüber hinaus im Unterschied zum darauffolgenden Text hier nicht der gesamte Inhalt des Authenticum behandelt werden würde (was ein Abgleich des hier gebotenen Texts mit dem Authenticum oder dem von 227rb–241rb geschriebenen Text belegt), dann lassen sich die beiden abschließenden Sätz in dem Sinne interpretieren, dass dieser Text (also 224rb–227rb) von Azo stamme und der darauf folgende (227rb–241rb) von Accursius: Credo quod ea que hic dicuntur uacent eo quia non plene hic scribitur materia Autenticorum, sed infra omnia plenius traduntur, scilicet in iij. carta proxime sequenti. Nisi dicamus quod id quod scribitur hic fuit dictum ab Azone. Quod uero ibj ab Accursio. S. auch Caprioli, Tre capitoli, S. 296f. Zur Verfasserfrage vgl. Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, Die Glossatoren, München 1997, S. 264f.
- Rubrik
- 224rb ›Jncipit materia ad Autenticam secundum Johannem‹.
- Incipit
- 224rb Liber iste quem donante domino lecturi sumus …
- Explicit
- 227rb … vt in summa c. De officio comitis rerum priuatarum.
- Edition
- Das Prooemium stimmt mit der in der Accursianischen Überarbeitung gebotenen Version überein (s.u., sowie GW 3145–3148), der Rest weicht deutlich davon ab.
5) 227rb–241rb
- Verfasser
- Johannes Bassianus (GND-Nr.: 100948405).
- Weitere beteiligte Personen
- Accursius (GND-Nr.: 100956599).
- Titel
- Summa Authentici.
- Angaben zum Text
- Die Summa des Johannes Bassianus mit Zusätzen des Accursius: (227rb–230ra) Collatio 1; (230ra–231vb) Collatio 2; (231vb–232vb) Collatio 3; (232vb–234ra) Collatio 4; (234ra–235rb) Collatio 5; (235rb–237rb) Collatio 6; (237rb–238rb) Collatio 7; (238rb–239va) Collatio 8; (239va–241rb) Collatio 9. – 241v Notiz.
- Rubrik
- 227rb ›Jncipit prohemium ad Summam Autentici secundum Johannem cum additionibus Acursij‹.
- Incipit
- 227rb ›Liber‹ iste quem donante domino lecturi sumus …
- Explicit
- 241rb … que est c. Super l. Generaliter. Accursius Florentinus. [Von anderer Hand:] Explicit summa Authentici secundum Acursium Florentinum de Certaldo. Laus tibi sit Christe quoniam liber explicit iste.
- Edition
- Es liegt keine moderne Edition vor, der Text erschien aber bereits 1484 als Wiegendruck (GW 3145–3148).
- Bearbeitet von
- Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 786. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.