Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 793

Zusammengesetzte juristische Handschrift

Papier, Pergament · 1, 173, 1 Bll. · Speyer / Mittel- / Westeuropa · 1350er Jahre / 4. Viertel 13. Jh.–1. Viertel 14. Jh.


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Römisches Recht / Prozessrecht / Dispens / Fragment.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier (Faszikel I), Pergament (Faszikel II).
Umfang
1, 173, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. aus zwei Faszikeln zusammengesetzt (I. Bll. 1–159; II. Bll. 161–174). (I-1)1a + … + (I-1)160. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 160. Zwischen hinterem Nachsatzbl. und Hinterspiegel befinden sich Bll. mit beschriebenem Pergament (161–174), die nicht zum Lagenverbund gehören, hier dennoch als Faszikel II beschrieben werden.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–158), sowie jüngere in Blei (161–174), von 14r bis 155r zeitgenössische Foliierung (I–CXLJ). Bei ungez. Bl (1a) folgt die Beschreibung dem Digitalisat. Ab 22r Kustoden in römischen Ziffern auf der ersten Rectoseite der Lage mittig auf dem Fußsteg (fehlt 30r und 139r. Zusätzlicher Kustode auf 128r).
Zustand
Papier gebräunt, leicht stockfleckig, immer wieder leichte Wasserschäden, zahlreiche Flecken.


Einband
Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, in Rom um 1780 gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 851). Auf Buchrücken blaues aufgeklebtes Schildchen mit aktueller Signatur, darüber ein weiteres Schildchen abgelöst, darunter Rückentitel: DVRANTI Speculum iudiciale, darunter in Blau: Pal, auf dem Schwanz: 739.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Auf Vorderspiegel blaues Schildchen mit aktueller Signatur, ferner beschrifteter Streifen, der zwischen 31 und 32 gefunden wurde. Auf 1a neben aktueller Signatur Altsignatur 690 [durchgestrichen]. Auf 1r Capsa-Nummer C. 37, darunter Allacci-Signatur 1920 [durchgestrichen], auf dem Fußsteg Altsignatur 587. Die Hs. besteht im Grunde aus einem Faszikel, welcher in den 1350er Jahren in Speyer entstanden sein dürfte, wahrscheinlich am dortigen Domstift. Beigelegt ist ein Konvolut aus 14 Pergamentbll., die hier als weiterer Faszikel beschrieben werden. Wann dieser zweite Faszikel dem ersten beigegeben wurde, bleibt unklar, ebenso, wie diese Hs. nach Heidelberg gelangte. Lehmann vermutete, dass die Hs. aus der Sammlung Ulrich Fuggers (1526–1584) stammen könnte, was aufgrund der Speyerer Herkunft als eher unwahrscheinlich einzuschätzen ist. Wahrscheinlicher ist wohl die Herkunft der Hs. aus dem Vermächtnis eines Gelehrten, von denen Bücherlegate für die Universität Heidelberg mit Erwähnungen eines Speculum iudiciale / Speculum iuris erhalten sind, da einige Heidelberger Universitätslehrer Kanonikate am Speyerer Domstift innehatten.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_793
Literatur
Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 487f.; Manuscripta juridica, Pal.lat.793; OVL, Pal.lat.793; Schunke, Einbände 2.2, S. 851; Stevenson, Latini, S. 282.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Faszikel I (Bl. 1–159)

Sachtitel / Inhalt
Wilhelm Durand, Speculum iudiciale.
Entstehungsort
Speyer.
Entstehungszeit
1350er Jahre.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
158 Bll.
Format (Blattgröße)
29,7 × 21 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
11 + IV9 + II13 + 5 IV53 + VI65 + 4 IV97 + III103 + (IV-1)110 + 2 IV126 + (VIII-4)138 + (V+2)150 + IV158 + 1159. Das Fragment 159 war, als Lehmann die Hs. untersuchte, noch zwischen 65 und 66 eingelegt.
Wasserzeichen
Glocke, Glockenkörper mit Schulter, Glockenmund einkonturig, mit Klöppel, drei Glockenhenkel, vergleichbar mit Wzz. von Papieren, die laut WZIS 1318 in Bologna Verwendung fanden, IT1185-PO-40562.

Schriftraum
24,5 × 19,4 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte (2r–13r: 3 Spalten).
Zeilenanzahl
48–66 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Die Hand, welche die Gesamtheit der Texte ausführte, bediente sich einer älteren gotischen Kursive, die durch die Verwendung vieler Abkürzungen gekennzeichnet ist. Dieselbe Hand schrieb auch Pal. lat. 671. Im Unterschied zu jener Hs. versieht der Schreiber hier das t zuweilen mit einem Bogen.
Buchgestaltung
Im Haupttext Raum für Initialen freigelassen, die allerdings nicht ausgeführt wurden. Angaben für Rubrikator noch vorhanden. Rubriken erst im Fließtext, dann auf Seitenrand nachgetragen.

Nachträge und Benutzungsspuren
Zahlreiche Anmerkungen und Verweise von der Hand, die den Haupttext ausführte, auch wenn meist die Buchstaben in den Marginalien nicht so stark legiert sind. Ferner mannigfache grafische Verweiszeichen, v.a. in Form von menschlichen Köpfen im Profil.

Provenienz
Speyer / Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Die Schrift des ausführenden Schreibers entspricht jener, welche für Pal. lat. 671 verantwortlich zeichnete, weshalb entsprechend dem dort befindlichen Kolophon eine Entstehung des Faszikels in Speyer während der 1350er Jahre angenommen werden kann. Dafür spricht auch ein Hinweis auf dem beigelegten Fragment auf 159v: Institutiones domini de Kageneck super censu. In Frage kommt dafür in erster Linie Nikolaus von Kageneck, der 1312 als Student in Bologna nachweisbar ist und zwischen 1343 und 1364 Domherr in Speyer war. Weniger wahrscheinlich ist, dass damit Erhard von Kageneck gemeint ist, Speyerer Domherr von 1381–1399 (Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter [ca. 1350–1540]. Adlige Freundschaft, fürstliche Patronage und päpstliche Klientel, Bd. 2, Mainz 1987 [Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 57], Nr. 52, 53). Über einen Besitzer kann der in Bezug zur Herstellung etwas jüngere Kaufvermerk auf 158v Rückschluss geben: Concessi super isto libro magistro Johanni Bagmult [?] ij Florenis per Johannem Lewe.

1) 1r–1v Digitalisat

Titel
Quaestio de iniuria.
Incipit
1r Ad illud quesitum questio queritur an dicens alicui verbum non contumeliosum
Explicit
1v … opinio modernorum et presertim domini Aldradi.

2) 2r–13r Digitalisat

Titel
Inhaltsverzeichnis zum Speculum iudiciale.
Angaben zum Text
13v leer.
Incipit
2r De judicibus rubrica. [durchgestrichen: Jd] Jn primo folio: Quid sit delegatus, quid subdelegatus …
Explicit
13r … pacta sunt seruanda fallit hoc jn casibus hic contentis.

3) 14r–158r Digitalisat

Verfasser
Wilhelm Durand (GND-Nr.: 118681273).
Titel
Speculum iudiciale.
Angaben zum Text
Text stark gekürzt, endet auf 155r in Liber IV, particulus 1 (Dvrandi Specvlvm, 3–4, S. 107): (14r–72r) Liber I; (72r–142r) Liber II; (142r–145r) Liber III; (145r–155r) Liber IV (154v leer); (155v) leer; (156r–158r) Nachträge zu Liber I, particulus 1 (Dvrandi Specvlvm, 1–2, S. 136–139, 144–148). – 158v Register nach Rubriken von derselben Hand. – 159r–159v Fragment, juristischen Inhalts, von derselben Hand.
Rubrik
14r ›Jn nomine domini. Amen. Jncipit Speculum iudiciale magistri Gwilhelmi Duranti lumen juris venerabilis videtur [durchgestrichene Buchstaben] vnde Speculum juris liber optimus absque figuris‹.
Incipit
14r Reuerendo in Christo patri suo domino Octobono dei gratia sancti Adriani dyocono [!] cardinali
Explicit
155r … et pro hac solutione facit l. ff. De donationibus [Text bricht ab].
Edition
D. G. Dvrandi episc. Mimatensis Specvlvm juris […], 4 Bde., Frankfurt am Main 1612.

Faszikel II (Bl. 161–174)

Sachtitel / Inhalt
Bernhard von Clairvaux, Liber de praecepto et dispensatione.
Entstehungsort
Mittel- / Westeuropa.
Entstehungszeit
4. Viertel 13. Jh.–1. Viertel 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
14 Bll.
Format (Blattgröße)
14,5 × 10,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Besteht aus einer VII-Lage oder aus 14 Bll. Lagenmitte nicht festzustellen.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Foliierung (161–174) in Blei.

Schriftraum
10,1 × 7 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
41 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Die Hand, welche für den Text verantwortlich zeichnete, schrieb eine relativ ebenmäßige Schrift, die nur wenige Aussagen hinsichtlich der Herkunft des Schreibers zulässt. Die Grundlinie der Buchstaben befindet sich ein wenig oberhalb der vorgezogenen Zeile.
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Silberstift vorgezogen. Platz für Initialen freigelassen, dieselben wurden allerdings nicht ausgeführt.

Nachträge und Benutzungsspuren
Wenige Korrekturen und Verweise von einer in etwa zeitgleich schreibenden Hand. Kaum Benutzungsspuren.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Wo der Faszikel entstand, lässt sich anhand der Schrift nur grob umreißen. Dass dieser sich jedoch um die Mitte des 14. Jhs. in Mitteleuropa befunden haben muss, suggeriert der volkssprachliche Eintrag auf 174r: Disen lib han ich gewanten, da für seine Niederschrift die ältere gotische Kursive Verwendung fand.

4) 161ra–172rb Digitalisat

Verfasser
Bernhard von Clairvaux (GND-Nr.: 118509810).
Titel
Liber de praecepto et dispensatione.
Incipit
161ra [D]omno abbati Columbensi frater Bernardus abbas dictus de Claraualle
Explicit
172rb … debui quod et studuj satisfacere uoluntatj. Explicit Liber de precepto et dispensacione. Amen.
Edition
Sancti Bernardi opera, Bd. 3, Tractatus et opuscula, hrsg. von J. Leclercq / H.M. Rochais, Rom 1963, S. 253–294.

5) 172rb–174r Digitalisat

Titel
Traktat über die Dispens.
Incipit
172rb [D]ispensatio est iuris relaxatio, ideo dicendum de dispensatione domini pape …
Explicit
174r … Jtem in talj casu, siquis laicus non habens filios contu … [Text bricht ab].


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 793. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.