Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 794

Zusammengesetzte Handschrift

Papier · 1, 212, 1 Bll. · 19,7 × 15 cm · Mitteleuropa / Oberdeutschland · 15. Jh. / 1. Hälfte 15. Jh.


Schlagwörter (GND)
Kanonisches Recht / Römisches Recht / Liber extra / Nekrologium / Exorzismus / Interdikt / Priester / Moral / Vers / Kommunion / Rezeptur.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
1, 212, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
19,7 × 15 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. aus 3 Faszikeln zusammengesetzt (I. Bll. 1–67; II. Bll. 68–83; III. Bll. 84–198). (I-1)1a + … + (I-1)199*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 199*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–198). Zählfehler: Auf 67 folgen 67a und 67b, auf 76 folgen 76a und 76b, auf 151 folgt 151a, auf 167 folgt 167a, auf 183 folgen 183a und 183b, auf 197 folgen 197a-g. Zählung leerer Bll. von jüngerer Hand mit Blei nachgetragen (67a–b, 76a–b, 183a–b), Vor- und Nachsatzbl. wie auch leere Bll. ungez., weshalb hier Zählung der Digitalisate übernommen wird (1a, 197a–197g, 199*).
Zustand
Stockfleckig, Tinte mitunter verblasst und schlägt durch, einige Flecken. Schriftverlust an den Rändern durch jüngeren Beschnitt.
Wasserzeichen
Aufgrund geringer Größe nicht aufgenommen.


Einband
Pergamentband über Pappe, auf dem Rücken in Goldprägung die Wappen von Papst Leo XIII. und von Kardinal und Bibliothekar Jean-Baptiste Pitra (1812–1889), dazwischen in rotem Feld die Signatur PAL. 794, darunter blaues Signaturschild Pal. lat. 794. Gelb-kupferfarbenes Kapital. Nach Schunke, Einbände 2.2, S. 851 in Rom zwischen 1878–89 gefertigt.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Auf vorderem Spiegel blaues Schildchen mit Pal. lat. 794. Auf 1r oben Titel der einzelnen Texte von Hand des 17. Jhs., Summula iuris, Exorcismus confessorum [?], De interdicto, De poenitentia, Authoritates iuris, Casus papales, Casus episcopales et cetera, unten aktuelle Signatur. Gemein ist den drei hier versammelten Faszikeln, dass sie im 15. Jh. wohl im deutschen Sprachgebiet entstanden. Unklar bleibt, wann sie zu einem Codex vereint wurden.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_794
Literatur
Bartsch, Handschriften, S. 191, Nr. 370; Florence Chave-Mahir / Julien Véronèse, Rituel d’exorcisme ou manuel de magie? Le manuscrit Clm 10085 de la Bayerische Staatsbibliothek de Munich (début du XVe siècle), Florenz 2015 (Micrologus Library 73, Salomon Latinus 3), S. 55 A. 185; Karl Christ, Beschreibung von Pal. lat. 794, in: Deutsche Hss. in Italien, Bl. 15, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften; Nancy Caciola, Breath, Heart, Guts. The Body and the Spirits in the Middle Ages, in: Communicating with the Spirits, Bd. 1, Christian Demonology and Popular Mythology, hrsg. von Gábor Klaniczay / Éva Pócs / Eszter Csonka-Takács, Budapest / New York 2005, S. 21–39, hier S. 36 A. 1; Nancy Caciola, Discerning Spirits. Divine and Demonic Possession in the Middle Ages, Ithaca 2006, S. 238ff.; Lucie Doležalová, Pains and Pleasures of Interpreting and Appropriating Obscurity. The Versus maligni angeli in the Twelfth to Fifteenth Century, in: Acta universitatis Carolinae, Philologica 2 (2020), S. 109–156, S. 115 A. 28; Mirabile, Pal.lat.794; OVL, Pal.lat.794; Schunke, Einbände 2.2, S. 851; Stevenson, Latini, S. 282.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Faszikel I (Bl. 1–67)

Sachtitel / Inhalt
Casus in summam Henrici Merseburgensis.
Entstehungsort
Mitteleuropa.
Entstehungszeit
15. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
69 Bll.
Format (Blattgröße)
19,7 × 15 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
5 VI60 + (VI-3)67b.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex.

Schriftraum
14,5 × 11,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
29–32 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Der Text mit den Casus, von einer Hand mit vielen Abkürzungen geschrieben, bewegt sich zwischen einer Bastarda und einer reinen Kursiven. Die beiden nachgetragenen Texte wurden von weiteren Händen jeweils in gotischer Kursive ausgeführt.
Buchgestaltung
Schriftraum mit Metallstift vorgezogen. Fließtext mit Absätzen, an deren Anfang Platz für eine Initiale ausgespart wurde.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Kaum Anmerkungen von womöglich anderer, aber wohl zeitgenössischer Hand. Zwei kleine Texte wurden nachgetragen.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Aufgrund des geografischen Raums, in welchem die Casus Verbreitung fanden, und der genannten Namen im Nekrolog – die sich allerdings ohne tiefergehende Forschungen kaum einem konkreten Ort zuweisen lassen – dürfte der Faszikel im deutschsprachigen und mitteleuropäischen Raum entstanden sein. Sollte es sich auf 67v bei dem Namenseintrag Francisci de Schellindorff tatsächlich um einen Exponenten des schlesischen Adelsgeschlechts derer von Schellendorf handeln, wäre ein mitteldeutscher Herstellungsort nicht unwahrscheinlich.

1) 1r–66r Digitalisat

Beteiligte Personen
Heinrich von Merseburg (GND-Nr.: 100945821).
Titel
Casus in summam Henrici Merseburgensis.
Angaben zum Text
Die Summe des Heinrich von Merseburg zum Liber extra, entstanden um 1240, mit den um 1290 anonym hinzugefügten Casus (vgl. Werner Jürgensen, Heinrich von Merseburg, Verfasser-Datenbank, Berlin / New York 2012).
Incipit
1r [L]abia sacerdotis custodiunt scienciam …
Explicit
66r … Explicit liber qui est excerptus de jure per quemdam Johannem qui fuit Mersebink in ordine Minorum. Et est finitus anno domini Mo cccco nono ante dominicam in quadragesima qui nuncupatur domine ne longe feria quarta et cetera.

2) 66v–67r Digitalisat

Titel
Beschreibung von Grundlagenwerken beider Rechte.
Incipit
66v Ad agnicionem librorum legalium uel legis et canonis sciendum quod libri legales continent
Explicit
67r … minus competens prebens exemplum ruine spirituale.

3) 67v Digitalisat

Titel
Nekrolog.
Angaben zum Text
Erste Zeile durch Beschnitt verloren gegangen. – 67ar–67bv leer.
Incipit
67v Primus anniversarius domini Johannis Lobdaw
Explicit
67v … in hac sillaba Thomas.

Faszikel II (Bl. 68–83)

Sachtitel / Inhalt
Handbuch und Formeln zum Exorzismus.
Entstehungsort
Mitteleuropa.
Entstehungszeit
15. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
18 Bll.
Format (Blattgröße)
19,7 × 15 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(VI+6)83.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex.

Schriftraum
16 × 10,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
21–51 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Während die erste Hand, bis 71v schreibend, sich einer gut lesbaren Bastarda bediente, tendieren die beiden anderen Hände stärker zu einer reinen Kursiven.
Buchgestaltung
Schriftraum von 68r–73v und 78r–83v mit Metallstift vorgezogen. Fließtext mit Abschnitten, an deren Anfängen Rubrik sowie Raum für Initialen freigelassen sind, auf 68r mit roter Lombarde ausgeführt, darauf vom Rubrikator lediglich mit roter Majuskel versehen.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Texte ineinander verschränkt. Grafische Verweiszeichen.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Das vom ersten Schreiber verwendete x-förmige r spricht für eine oberdeutsche Sozialisierung desselben (Schneider, Paläographie, S. 76f.), weshalb anzunehmen ist, dass dieser Faszikel in ebenjenem Raum geschaffen sein könnte.

4) 68r–83v Digitalisat

Titel
Handbuch und Formeln zum Exorzismus.
Angaben zum Text
Verschiedene Texte von mehreren Händen, ineinander verschränkt.
Rubrik
68r ›Incipiunt expulsiones dyabulorum et cetera. Statim cum obsessus venerit ad ecclesiam … si tale in veneris officium et cetera‹.
Incipit
68r Salus populi ego sum, dicit dominus
Explicit
83v … conclusit per Christum dominum nostrum.

Faszikel III (Bl. 84–198)

Sachtitel / Inhalt
Juristische Texte.
Entstehungsort
Oberdeutschland.
Entstehungszeit
1. Hälfte 15. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
125 Bll.
Format (Blattgröße)
19,7 × 15 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
2 VI107 + IV115 + 7 VI195 + V198.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
s. zum Codex. Lagenfoliierung in lateinischen Ziffern bis 111r.

Schriftraum
18 × 12 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten (113r–198v: 1 Spalte).
Zeilenanzahl
28–30 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Von einer Hand in einer gut lesbaren Bastarda, die zwar nicht konsequent, aber dennoch das x-förmige r verwendete, was für einen oberdeutschen Schreiber sprechen könnte (Schneider, Paläographie, S. 76f.). Die Verse von 113v–115r wurden in einer schleifenlosen Bastarda nachgetragen.
Buchgestaltung
Schriftraum über weite Strecken mit Metallstift vorgezogen. Von 84r–113r Textanfänge mit roter Initiale und vergrößerten Auszeichnungsbuchstaben in Textualis auf roten Zeilen. Die Anfänge der Kapitel mit roten, eingerückten Lombarden hervorgehoben. Rote Zeilenfüller am Ende der Abschnitte. Von 116r–139v, 184r–195v Rubriken, rote Paragrafenzeichen an den Anfängen, ferner rote Strichelungen zur Markierung von Satzanfängen. 140r–183r, 196r–197v auf Rubrizierung verzichtet.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Verse von 113v–115r und Rezepte auf 198v nachgetragen. Zeigehand auf 102v.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Die Schrift des Schreibers lässt eine Entstehung des Faszikels im oberdeutschen Sprachraum als wahrscheinlich erscheinen. Die nachgetragenen Verse in einer schleifenlosen Bastarda legen nahe, dass zumindest dieser Nachtrag nicht vor den 20er Jahren des 15. Jhs. geschaffen wurde.

5) 84ra–92vb Digitalisat

Titel
Summula de interdicto.
Angaben zum Text
Unterschiedlichen Autoren zugeschrieben, so Johannes Calvanus, Giovanni da Legnano (um 1320–1383), Galvano Becchini (†vor 1395) oder Christianus de Opiter (15. Jh.).
Incipit
84ra ›Ad honorem dei et gloriosevirginis matris sue, ut extra de usu per alij [!] ad honorem [!], incipit summula breuis edicionis de iis que tempore interdicti prohibentur uel concedentur
Explicit
92vb … et censura ecclesiastice potestatis concessa Christi ecclesie cui est honor et gloria in secula seculorum. Amen. Explicit tractatus domini Johannis Caluani doctoris decretorum.

6) 92vb–113rb Digitalisat

Titel
De officio sacerdotis.
Angaben zum Text
Verschiedentlich Thomas von Aquin zugeschrieben.
Incipit
92vb ›Quia sacerdotis officium circatria principaliter uersatur scilicet diuinorum officium celebracionem ecclesiasticorum sacramentorum collacionem
Explicit
113rb … de que ipsis presbiteris et cetera.
Edition
Corpus Thomisticum, http://www.corpusthomisticum.org/xso.html.

7) 113vb–115r Digitalisat

Titel
Moralische Ermahnungen in Versform.
Angaben zum Text
s. Walther, IC, S. 234, Nr. 4650. – 115v leer.
Incipit
113vb Dixi fratres serui dei vos non turbant verba mei
Explicit
115r … deus eius miseretur.
Edition
AH 33, S. 269–273, Nr. 246.

8) 116r–183r Digitalisat

Titel
Alphabetisch geordnete Rechtssätze.
Angaben zum Text
(116r–129v) Buchstabe A; (129v–132v) Buchstabe B; (133r–141r) Buchstabe C; (141v–144v) Buchstabe D; (144v–148r) Buchstabe E; (148v–150r) Buchstabe F; (150v–151r) Buchstabe G; (151r–151v) Buchstabe H; (151v–156v) Buchstabe I; (157r–158v) Buchstabe L; (158v–161r) Buchstabe M; (161r–165r) Buchstabe N; (165r–166r) Buchstabe O; (166v–169v) Buchstabe P; (169v–173v) Buchstabe Q; (174r–174v) Buchstabe R; (175r–178r) Buchstabe S; (178v–180r) Buchstabe T; (180r–183r) Buchstabe U / V. – 183v–183bv leer.
Rubrik
116r ›Jncipiunt juris auctoritates secundum alphabeti ordinem‹.
Incipit
116r [A]ctus extensus ad diuersas personas …
Explicit
183r … ff. De sepulchro violato l. ij § Non perpetue.

9) 184r–197v Digitalisat

Verfasser
Heinrich Fleckel von Kitzbühel.
Titel
Casus papales, episcopales et prohibentes a communione.
Angaben zum Text
197ar–198r leer.
Rubrik
184r ›Hic annotantur singuli casus papales cum juris allegacionibus et auctoritatibus. Litterarum falsatores‹.
Incipit
184r Primo falsi[fi]catores litterarum papalium tam principales quam fautores
Explicit
197v … in terrorem tenere tenerem temere [!] peccancium introductam. Sit laus et gloria in Christo. Amen et cetera.

10) 198v Digitalisat

Titel
Rezepte.
Angaben zum Text
Zwei Rezepte in deutscher Sprache.
Incipit
198v Ad pocionem faciendam neym salben eyn hant vol
Explicit
198v … ouch mag man i. fyrdung czucker dorczu nemen.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 794. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.