Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 815

Sammelhandschrift mit Werken des Flavius Josephus

Pergament · 1, 362, 1 Bll. · 28,3–28,5 × 21,7–21,8 cm · Florenz · 1414–1439


Schlagwörter (GND)
Geschichte / Geschichtsschreibung / Chronik / Jüdischer Krieg ‹66–70› / Apologie.
Entstehungsort
Florenz.
Entstehungszeit
1414–1439.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1, 362, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
28,3–28,5 × 21,7–21,8 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + (V+1)10 + 5 V60+ 6 IV108 + (VI+1)121 + 11 V231 + VI243 + (IV-1)250 + IV258 + 9 V348 + IV356 + (II+1)361* + (I-1)362*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung (1–360), A wohl später nachgetragen. Bei ungez. Bll. folgt die Beschreibung dem Digitalisat (361*–362*). Durchgängig verzierte Reklamanten.
Zustand
Im Wesentlichen gut erhalten, Pergament leicht verschmutzt, teilweise gebräunt, wenige Flecken. Tinte unterschiedlich stark verblasst.

Schriftraum
18,5–19,2 × 14,7–15,2 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
38–51, meist zwischen 40 und 45 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Mehrere Schreiber bedienten sich einer italienischen Semitextualis im Derolezschen Sinn (vgl. Derolez, Palaeography, S. 119–121), wobei die Buchstaben stark ligiert und kaum gebrochen sind. Den ersten Text vollendete Tommaso di Giacomo Tani im Jahr 1439, der durch den verwendeten Italianismus tt statt ct erkennbar ist, den zweiten der Florentiner Notar Bartolomeo di ser Giovanni di ser Francesco Berti da San Miniato im Jahr 1414, der auch Florenz, Biblioteca nationale, Pal. 25 kopierte (Beschreibung der Hs. bei Hasenohr, Les traductions, S. 189–194 und Iconografia, hrsg. von Cosma / Pittiglio, S. 123–127).
Buchgestaltung
Schriftraum mit Metallstift vorgezogen. Sachschlagwörter auf den Rändern, meist nachgetragen. Rubriken meist in Capitalis als Auszeichnungsschrift. Buchanfänge in der Regel mit blauer oder roter Lombarde mit Schaftaussparungen und Fleuronné in Gegenfarbe hervorgehoben. Kapitel mit alternierend blauen und roten, meist über drei Zeilen reichenden Lombarden eingeleitet (in der Initiale auf 156v im Bauch des h ein Gesicht angedeutet). Im zweiten und dritten Text keine interne Unterteilung der Bücher.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Sachschlagwörter und wahrscheinlich auch Ziffern der einzelnen Kapitel von Manetti auf den Rändern nachgetragen. Mitunter grafische Verweiszeichen.

Einband
Leicht beschädigter und abgegriffener römischer Einband, grünes Pergament über Pappe. Auf dem Vorderdeckel Wappen Papst Urban VIII., auf dem Hinterdeckel Wappen des Kardinalbibliothekars Francesco Barberini (1597–1679). In Rom zwischen 1626 und 1633 gefertigt. Rücken neu, oben neues, blaues aufgeklebtes Signaturschild der Vaticana, darunter schwarzes Signaturschild mit aktueller Signatur in Gold, darunter Wappen von Pius IX. und Kardinal und Bibliothekar Angelo Mai (1782–1854) in Gold, gefertigt in Rom zwischen 1853 und 1854 (vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 851). Kapital mit violett-kupferfarbenen Fäden umwickelt.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Auf dem Vorderspiegel modernes blaues Signaturschild der Vaticana Pal. lat. 815, auf Ar Altsignatur 100 [durchgestrichen]. Wie die Manetti-Signatur auf Av Carte 361 ausweist, gehörte der Codex dem Florentiner Humanisten und Diplomaten Giannozzo Manetti (1396–1459). Der zweite hier erhaltene Text, der Jüdische Krieg des Flavius Josephus, wurde 1414 von Bartolomeo di ser Giovanni di ser Francesco Berti da San Miniato vollendet, der nicht nur als Notar in Florenz wirkte, sondern offenbar auch Hss. kopierte (s.o.). Ob der achtzehnjährige Manetti diesen Text in Auftrag gab, ist eher unwahrscheinlich. Erst ab dem Alter von 25 Jahren soll er sich seinen humanistischen Studien zugewandt haben (Marsh, Manetti, S. 4). Womöglich erwarb er diesen Text erst einige Jahre später. Schließlich kombinierte er ihn mit zwei weiteren zentralen Texten des Flavius Josephus. Den ersten hier erhaltenen Text, die Jüdischen Altertümer, ließ Manetti offenbar 1439 kopieren, womöglich diktierte er das Werk dem Schreiber: Ianoçio mihi legente. Zeitlich liegt dies noch vor der Abfassung seiner Apologie des Christentums Adversus Iudaeos et Gentes (1448–1458, Marsh, Manetti, S. 128–138), für das er auf die Jüdischen Altertümer als wichtigste Quelle neben dem Alten Testament zurückgriff (Baldassari, Ignorance, S. 352), und seiner geplanten Übersetzung des Neuen Testaments (1456–1457, Marsh, Manetti, S. 117f.), also seiner intensiven Beschäftigung mit der jüdischen Religion. Der dritte hier erhaltene Text, Über die Ursprünglichkeit des Judentums, dürfte zeitnah nach dem zweiten kopiert worden sein, liegen Ende und Anfang der Texte doch auf einem Bl. Demnach könnte man die Hs. auch als zusammengesetzte beschreiben und einen Bruch zwischen den Bll. 243 und 244 sehen. Zwar lag zwischen der Entstehung der Texte einige Zeit und womöglich war ebenfalls der zweite wie auch der dritte Text nicht für Manetti als Auftraggeber geschrieben worden, sie scheinen aber alle drei aufeinander abgestimmt gewesen zu sein, wohl wurde der älteste als Vorbild genommen: Sie verfügen über dasselbe Layout, selbst eine übereinstimmende Spaltenbreite, zudem geschah die Ausführung der Initialen und auch der Rubriken jeweils wohl von derselben Hand, auch wurden alle Texte von Manetti mit Schlagwörtern versehen, weshalb die Hs. hier als Sammelhs. beschrieben wird. Späterhin wurden große Teile seiner Büchersammlung von Ulrich Fugger (1526–1584) erworben, wie die Signatur 101. auf Av aufzeigt, dessen Bibliothek nach seiner Migration nach Heidelberg und seinem Tod in das Eigentum des Kurfürsten und damit in die Bibliotheca Palatina überging. Zeichen der Überführung nach Rom stellen auf Ar die Capsa-Nummer dar, C. 133., sowie die darunter befindliche Allacci-Signatur 1602 [beide durchgestrichen].

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_815
Literatur
Stefano Ugo Baldassarri, Un testimone dei Dialogi di Leonardo Bruni appartenuto a Giannozzo Manetti: il ms. Vaticano Pal. lat. 1598, in: Interpres. Rivista di studi quattrocenteschi 14 (1994), S. 198–213, hier S. 201f.; Stefano Ugo Baldassarri, Feigning Ignorance: The Case of Giannozzo Manetti’s Against the Jews and the Gentiles, in: The Art and Language of Power in Renaissance Florence: Essays for Alison Brown, hrsg. von Amy R. Bloch / Carolyn James / Camilla Russel, Toronto 2019 (Essays and Studies 42), S. 347–362, hier S. 352 A. 24; Franz Blatt, The Latin Josephus, Bd. 1, Introduction and Text, Aarhus 1958 (Acta Iutlandica 30,1, Humanistisk serie 44), S. 66; Cagni, Manetti, S. 17 A. 9–10, 32; Iconografia Agostiniana. Opera omnia di Sant’Agostino, Bd. XLI/2, Il Quattrocento, primo tomo, saggi e schede, hrsg. von Alessandro Cosma / Gianni Pittiglio, Rom 2015, S. 124; Flavii Iosephi opera ex versione latina antiqua, hrsg. von Karl Boysen, Pars VI, De Iudaeorum vetustate sive Contra Apionem, Wien 1898 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 37), S. IIIIf., XXI, XXXIV; Geneviève Hasenohr, Les traductions romanes du De civitate Dei. I. La traduction italienne, in: Revue d’histoire des textes 5 (1975), S. 169–238, hier S. 191; Kristeller, Iter Italicum 2, S. 391; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 485; David B. Levenson / Thomas R. Martin, A Revised Classification of Manuscript Groups for the Early Books of Josephus’s Antiquities Based on Textual Variants in AJ 6.356–360 and 6.362b, in: Medievalia et Humanistica 46 (2021), S. 71–148, hier S. 99f., S. 105, S. 110, S. 112f., S. 131, S. 137, S. 144–148; Montuschi, Le biblioteche, S. 314; OVL, Pal.lat.815; Schunke, Einbände 2.2, S. 851; Stevenson, Latini, S. 287.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1ra–243vb Digitalisat

Verfasser
Flavius Josephus (GND-Nr.: 118640003).
Titel
Antiquitates Iudaicae.
Angaben zum Text
Historiografisches Werk zur jüdischen Geschichte, von der Schöpfung bis zum Ausbruch des Jüdischen Kriegs im Jahr 66. Die Übersetzung wurde Rufinus von Aquileia (um 345–411/412) zugeschrieben. Wie in der gesamten zugehörigen Gruppe von Hss., nach der freilich umstrittenen Einteilung von Blatt, fehlt das Ende von Buch 4: (1ra–1va) Praefatio; (1va–9vb) Buch 1; (9vb–18rb) Buch 2; (18rb–25vb) Buch 3; (25vb–33rb) Buch 4; (33rb–42rb) Buch 5; (42va–52vb) Buch 6; (53ra–65ra) Buch 7; (65ra–78va) Buch 8; (78va–87va) Buch 9; (87va–96rv) Buch 10; (96va–106rb) Buch 11; (106va–119va) Buch 12; (119va–137vb) Buch 13; (137vb–156vb) Buch 14; (156vb–172ra) Buch 15; (172rb–185ra) Buch 16; (185rb–203vb) Buch 17; (204ra–219ra) Buch 18; (219rb–233va) Buch 19; (233va–243vb) Buch 20.
Rubrik
1ra ›Incipit prefatio in libro Iosephi historiarvm antiqvitatis Ivdaice‹.
Incipit
1ra ›Hystoriamconscribere disponentibus non unam nec eandem uideo eius studij causam sed multas existere
Explicit
243vb … et cur secundum eas aliud facere permittimur, aliud prohibemur.Explicit liber vigesimvs Flavii Josephi Antiqvitatis Ivdaice completvs per me Thomam Iacobi Tani Ianoçio mihi legente anno MCCCCoXXXVIIIIo die XXVIIIIo febrvarij.
Edition
Flavii Iosephi [...] Opera quaedam Ruffino presbytero interprete, Basel 1524 (VD16 J 956), S. 1–592 – Teiledition: Blatt, The Latin Josephus, Bd. 1, S. 120–353 (unter Berücksichtigung vorliegender Hs.).

2) 244ra–337va Digitalisat

Verfasser
Flavius Josephus (GND-Nr.: 118640003).
Weitere beteiligte Personen
Rufinus von Aquileia (GND-Nr.: 118750313).
Titel
De bello Iudaico.
Angaben zum Text
Geschichte des jüdischen Aufstands der Jahre 66–74. Die Übersetzung wurde Rufinus von Aquileia (um 345–411/412) zugeschrieben: (244ra–245rb) Praefatio; (245rb–268ra) Buch 1; (268ra–287va) Buch 2; (287va–298rb) Buch 3; (298rb–304rb) Buch 4; (304va–310ra) Buch 5; (310ra–321ra) Buch 6; (321ra–337va) Buch 7.
Rubrik
244ra ›Prefatio Flavii Iosephi in libro De bello Ivdaico‹.
Incipit
244ra ›Quoniambellum, quod cum Romanis gessere Judei
Explicit
337va … quod eam solam per omnia habuerit conietturam [!]. Explicit liber septimus et vltimus historiarum Josephi de bello Judayco. Tibi deo gracias. Scriptus per me Bartolomeum ser Johannis ser Francisci Berti de Sancto Miniato Florentino notarium publicum, annj M. CCCC. XIIIJo ottaua [!] indictione de mense decembri.
Edition
Flavii Iosephi [...] Opera quaedam Ruffino presbytero interprete, Basel 1524 (VD16 J 956), S. 593–852.

3) 337vb–360ra Digitalisat

Verfasser
Flavius Josephus (GND-Nr.: 118640003).
Titel
De Iudaeorum vetustate sive Contra Apionem.
Angaben zum Text
Apologetisches Werk über den jüdischen Glauben. Die Übersetzung wurde Rufinus von Aquileia (um 345–411/412) zugeschrieben: (337vb–348va) Buch 1; (348vb–360ra) Buch 2.
Rubrik
337vb ›Flauij Iosephi de uetustate Judeorum liber primus incipit feliciter‹.
Incipit
337vb ›Sufficienterut arbitror et per libros antiquitatum opulentissime uirorum Epafrodite
Explicit
360ra … et per te similia nosse de nostro genere cogitantibus hic libellus conscriptus esse dignoscitur.
Edition
Flavii Iosephi opera, hrsg. von Boysen, S. 3–142.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2012.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 815. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2012.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.