Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 823
Historia ecclesiastica tripartita
Pergament · 2, 158, 2 Bll. · 29,6 × 21,5 cm · Mittelrhein (?) · Mitte 9. Jh.
- Schlagwörter (GND)
- Geschichte / Geschichtsschreibung / Kirchengeschichte.
- Entstehungsort
- Mittelrhein (?).
- Entstehungszeit
- Mitte 9. Jh.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 2, 158, 2 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 29,6 × 21,5 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + 12a + VI12 + II16 + III22 + 2 IV38 + I40 + III46 + 7 IV102 + 2 III114 + 5 IV154 + II158 + 1159* + (I-1)160*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 160*. Die erste Lage ist wohl verloren, Bl. 3 bis 10 bildet nun jene Lage, die eigentlich hinter Bl. 158 eingebunden sein sollte, wobei Bl. 3 unbeschrieben blieb, so auch die neuzeitlichen Eintragungen auf 2v, 3r, 4r, 11r, 158v. Allerdings befinden sich die Schnüre der Bindung, welche die Lagenmitte anzeigen sollten, zwischen Bl. 6 und 7. Offenbar bestand die ursprünglich zweite und dritte Lage aus jeweils einem Binio, d.h. Bll. 1, 2, 11, 12 sowie Bll. 13–16. In besagte zweite Lage muss später der eigentlich an das Ende der Hs. gehörende Teil eingebunden worden sein, der nun Bl. 3–10 umfasst.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Spätmittelalterliche Foliierung, ergänzt um römische Foliierung des 17. Jhs. (1–158). Lagenzählung in römischen Ziffern, teils durch Beschnitt beeinträchtigt oder verloren gegangen.
- Zustand
- Pergament stark verschmutzt. Insbesondere im vorderen und hinteren Teil Wasserschäden. Zahlreiche Falzverstärkungen, oftmals auch mit Nähten. Besonders der untere Teil der Falze oftmals mit Pergament ausgebessert.
- Schriftraum
- 24,5 × 16,5 cm.
- Spaltenanzahl
- 1 Spalte.
- Zeilenanzahl
- 29-32 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Karolingische Minuskel von wohl einer Hand, die e caudata mit einem auffallend langen Haken versieht.
- Buchgestaltung
- Zeilengerüst blindliniiert, Zeilenraster an den Rändern durchgenadelt. Einzelne Abschnitte mit Versalien eingeleitet, über meist zwei bis fünf Zeilen, zuweilen mit Flechtband verziert (7v, 31v, 56r), die Autoren der jeweiligen Abschnitte – Sokrates Scholastikos, Sozomenos und Theodoret – jeweils in Capitalis rustica als Überschrift hervorgehoben. Kapitelnummer in römischer Ziffer meist auf dem Seitensteg.
- Buchschmuck
- s. Buchgestaltung.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- 1r–2v, 11r–20r Korrekturen von wohl anderer, aber zeitgenössischer Hand. Verschiedene jüngere Hände versahen den Text mit Anmerkungen. Auffallend dabei ist eine Hand, die mit einem dicken Metallstift Anmerkungen und Verweise auf den Rändern in gotischer Minuskel anbrachte.
- Einband
- Römischer Einband, Pappe mit weißem Pergament überzogen, auf dem Rücken oben blaues Schildchen mit Pal. lat. 823, darunter schwarzes Schildchen mit Pal. 823, darunter etwas verblasster Wappenstempel in Gold von Papst Pius XII. und von Giovanni Mercati (1866–1957), Kardinal und Bibliothekar, gefertigt in Rom zwischen 1939 und 1957. Auf den Vorderspiegel aufgeklebt die goldgeprägten Wappen des alten Einbands von Papst Urban VIII. und Francesco Barberini (1597–1679), Kardinalbibliothekar, in Rom zwischen 1626 und 1633 gefertigt (vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 851), sowie von Papst Pius IX. und Luigi Lambruschini (1776–1854), Bibliothekar und Kardinal, gefertigt in Rom zwischen 1846 und 1853.
- Provenienz
- Mainz / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Auf Vorderspiegel blaues aufgeklebtes Schildchen der Vaticana mit aktueller Signatur. Auf 2ar Eintrag des 16. Jhs.: Cronica, sowie die aktuelle Signatur. Wann und wo die Hs. entstand, ist in der Forschung umstritten. Bernhard Bischoff vermutet den Herstellungsprozess im 2. Viertel bzw. in der Mitte des 9. Jhs. in (Ober-)Italien. Für die zeitliche Einordnung können nur schwerlich Gegenargumente gefunden werden, für die räumliche Einschätzung allerdings soll auf die Forschungen von Jacob verwiesen werden, der hinsichtlich der Überlieferungsgeschichte der Historia ecclesiastica tripartita den Palatinus der Handschriftengruppe IVc zuordnete. Alle Hss. dieser Gruppe wurden im Mittelalter in geistlichen Institutionen in Mainz oder Trier aufbewahrt, so dass deren Entstehung am Mittelrhein als sehr wahrscheinlich erscheint. Der Palatinus ist zumindest im späten Mittelalter in Mainz nachweisbar. Auf 1r steht von Hand des Domstiftssyndikus Macarius von Buseck (†1482): Iste liber pertinet ad librariam sanctj Martinj ecclesie Maguntine sowie Macarius syndicus scripsit 1479. Zudem findet sich hier eine Altsignatur in gotischen Schriftzeichen, wohl noch aus Mainzer Tagen: h 14 (ebenso auf 2ar und 2r – das h dürfte für ‚historia‘ stehen). Von Mainz nach Heidelberg gelangte die Hs. wahrscheinlich durch Michael Schütz (1514-1581), genannt Toxites, Balthasar Reisner (s. Drüll, Gelehrtenlexikon, S. 471f.) oder Marcus Wagner († 1579), die im Auftrag des Pfalzgrafen Ottheinrich die Mainzer Dombibliothek in den Jahren 1553–1555 besuchten, um mehrere Hss. auszuleihen (Falk, Dombibliothek, S. 84–86, der allerdings annimmt, dass die Bücher im Rahmen des 2. Markgrafenkriegs als Kriegsbeute aus der Dombibliothek entwendet worden wären, anders bereits gesehen von Schottenloher, Pfalzgraf Ottheinrich, S. 12). Darunter dürfte sich auch der Palatinus befunden haben, der offenbar – wie andere Codices auch – nicht wieder zurückgegeben wurde und schließlich wohl in die Schlossbibliothek einging. Im Katalog jener Bücher, die unter Ottheinrich aus der Schlossbibliothek in die Heiliggeistkirche verbracht wurden, findet sich ein zum Palatinus passender Eintrag: Historia tripartita ex Socrate, Sozomeno et Theodorito, in vnum collecta, auf perment geschrieben, daneben nachgetragen: Item 15., 2.2.24 [durchgestrichen], 2.8. [durchgestrichen], 2.7.9 und 2.4.19. (Pal. lat. 1937, 40r). Im Katalog der Bibliotheca Palatina von 1581 schließlich findet sich der Nachweis einer Tripartita historia, perment, bretter, weiß alt leder (Pal. lat. 1956, S. 61). Von der Verbringung nach Rom 1623 zeugen die Capsa-Nummer C. 101 sowie darunter die Allacci-Signatur 1147 [beide durchgestrichen] auf 2ar.
- Literatur
- Bernhard Bischoff, Katalog der festländischen
Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Bd. 3,
Padua-Zwickau, hrsg. von Birgit Ebersperger, Wiesbaden 2014,
S. 416, Nr. 6555; Walter Jacob, Handschriftliche Überlieferung der
sogenannten Historia tripartita des Epiphanius-Cassiodor, zum Druck besorgt von
Rudolf Hanslik, Berlin 1954 (Texte und Untersuchungen zur
Geschichte der altchristlichen Literatur 59), S. 34, S. 113–115; Krämer, Handschriftenerbe 1.2, S.
529; Max L. W. Laistner, The Value and Influence of
Cassiodorus’ Ecclesiastical History, in: The Harvard Theological Review 41
(1948), S. 51–67, hier S. 58 A. 12, S. 67; Montuschi, Le biblioteche, S. 314; OVL,
Pal.lat.823; August Reifferscheid, Bibliotheca patrum latinorum
Italica, Bd. 1, Wien 1870, S. 262f.; Désirée Scholten, The History of a Historia. Manuscript
Transmission of the Historia Ecclesiastica Tripartita by
Epiphanius-Cassiodorus, MA Thesis, Utrecht 2010, https://cmrp.oeaw.ac.at/PDF/thesis_desiree_scholten.pdf, S. 39, S.
41, S. 66, S. 146; Schunke, Einbände 2.2, S. 851; Stevenson, Latini, S. 288; The Correspondence of Pope Julius I. Greek and Latin Text and English
Translation with Introduction and Commentary, hrsg. von Glen L.
Thompson, Washington, D.C. 2015 (The Library of Early
Christianity 3), S. cii, 160; Matthias M. Tischler, Carlemany a Europa. Història i
memòria, Barcelona 2022, S. 30f. A. 78.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1r–158v
- Beteiligte Personen
- Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus (GND-Nr.: 118519514) / Epiphanius Scholasticus (GND-Nr.: 100948952) / Sokrates Scholastikos (GND-Nr.: 118748742) / Salamenes Hermeias Sozomenos (GND-Nr.: 118798162) / Theodoret von Kyrrhos (GND-Nr.: 118756796).
- Titel
- Historia ecclesiastica tripartita.
- Angaben zum Text
- Von Cassiodor (um 485–um 580) kompilierte Kirchengeschichte auf Basis der von Epiphanius Scholasticus (6. Jh.) aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzten Texte von Sokrates Scholastikos (um 380–nach 439), Sozomenos († um 450) und Theodoret (393–um 460). Überlieferungsgeschichtlich ordnet Jacob den Palatinus der Gruppe IVc zu, die Hss. umfasst, die in Mainz und Trier aufbewahrt wurden (vgl. Jacob, Überlieferung, S. 113f.), was in der Forschung allgemein anerkannt zu sein scheint. Anfang und Schluss verloren, beginnt in I 9, 2 und endet in VIII, 1, 27. Bl. 3 bis auf neuzeitliche Anmerkung leer geblieben. – (1r–2v) I 9, 2–I 10, 2; (3r–3v) leer; (4r–10v) VIII 1, 35–VIII 13, 1; (11r–29v) I 10, 2–I 20, 3; (29v–46r) Liber II; (46r–55r) Liber III; (55r–74r) Liber IV; (74r–104r) Liber V; (104r–128r) Liber VI; (128r–155v) Liber VII (137r leer); (155v–158v) VIII 1, 1–VIII 1, 27.
- Incipit
- 1r …[prę]ter uoluntatem propriam commorari iussi sunt, aut in metallis affigi …
- Explicit
- 158v … Qui oratione tantummodo languores et dęmones effugabat; et cum litteras non didicisset ad re[morandum … Text bricht ab].
- Edition
- CSEL 71.
- Bearbeitet von
- Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2016.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 823. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2016.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.