Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 828

Zusammengesetzte Handschrift

Pergament · 1, 190 1 Bll. · 29,5-31 × 19,5-23 cm · Westeuropa / Mitteleuropa / Minden (?) / Neuhausen bei Worms · 1. Drittel 14. Jh. / 1349 / 2. Drittel 14. Jh. / 11. Jh. / 1407/1415


Schlagwörter (GND)
Medizin / Perspektive / Optik / Quaestio / Grammatik / Geschichte / Geschichtsschreibung / Weltgeschichte / Mathematik.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1, 190 1 Bll.
Format (Blattgröße)
29,5-31 × 19,5-23 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. aus 5 Faszikeln zusammengesetzt (I. Bl. A-48; II. Bll. 49-66; III. Bl. 67-88; IV. Bl. 89-174; V. Bl. 275-188). (I-1)1a + … + (I-1)190*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Spätmittelalterliche Foliierung (1–174), mit Tinte A und B nachgetragen, beim letzten Faszikel römische Foliierung des 17. Jhs. (175, 182, 188), nebst moderner Foliierung in Blei (176–181, 183–187). Des Weiteren s. die einzelnen Faszikel.
Zustand
Einige Löcher und genähte Risse, die bereits vor Anlage der Schrift vorhanden waren. Pergament verschmutzt. Zahlreiche Wasserschäden, v. a. auf den ersten Blättern, auf 37r mit Schriftverlust. Bei Bl. 150 unterer Rand herausgetrennt, wie auch manche Ecken. Schrift scheint zuweilen durch. Einige Rasuren.


Einband
Weißes Pergament auf Pappe, in Rom um 1780 gefertigt, Löcher für Schließbänder noch vorhanden, auf dem neuen Rücken unter dem blauen Signaturschildchen mit Pal. lat. 828 goldgeprägtes Wappen von Pius IX., darunter schwarzes Signaturschild mit PAL. 828 in Gold, darunter goldgeprägtes Wappen des Kardinals und Bibliothekars Angelo Mai (1782–1854), gefertigt in Rom zwischen 1853 und 1854 (vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 852). Kapital mit grau-schwarzen Schnüren umwickelt.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Blaues Schildchen mit aktueller Signatur auf Vorderspiegel, dieselbe dort mit Blei wiederholt, ebenfalls weitere Male auf Ar. Dort auch Altsignatur 664 [durchgestrichen], oben vielleicht eine weitere: ·2· N. Die ersten drei Faszikel versammeln allesamt Texte von Gelehrten der Universität zu Paris. Freilich sind dies solche, die europaweit rezipiert wurden, dennoch liegt die Vermutung nahe, dass diese drei Teile auch in Paris entstanden sein könnten. Schriftbild und Buchschmuck liefern dafür keine eindeutigen Beweise, was aber auch damit zusammenhängen könnte, dass womöglich mitteleuropäische Scholaren die Texte in Paris kopierten. Sie passen, wie die übrigen Texte auch, gut in das Interessenprofil eines Studenten der freien Künste. Ein solcher dürfte es auch gewesen sein, der die ersten drei Faszikel mit dem vierten, im Kern die Historien des Orosius, verband und diese Faszikel durchfoliierte und ein Register zu den Historien vorbinden ließ. Wahrscheinlich ließ er auch den Buchschmuck nachträglich in die Orosischen Historien einfügen. Die Vereinigung der Faszikel dürfte in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. vorgenommen worden sein. Wahrscheinlich gingen diese vier Faszikel an Johannes von Wachenheim (†1415) oder wurden von ihm erworben, schließlich trug er einen weiteren bei, der allerdings nicht zeitgenössisch foliiert wurde. Theoretisch könnte der letzte Faszikel auch irgendwann später dazugebunden worden sein, da Johannes von Wachenheim aber auch als Artistenmagister unterrichtete, erscheint diese Zusammenstellung als plausibel. Obgleich wir damit offenbar den Codex eines Heidelberger Gelehrten vor uns haben, handelt es sich hier um keine Hs., die über die Universitätsbibliothek in die Bibliotheca Palatina gelangte, da Johannes seine Texte zu einer Zeit verfasste, als er längst nicht mehr als Universitätsmitglied agierte und da keine Bücherschenkung an die Universität von ihm überliefert ist. Seine Hs. dürfte wohl in die Bibliothek des Cyriakusstifts eingegangen sein, über deren Verbleib nach der Aufhebung des Stifts nichts bekannt ist. Denkbar ist, dass mit dem gewaltsamen Ende desselben 1565 unter den Augen des Pfälzer Kurfürsten Friedrich III., bei dem auch zahlreiche – vor allem wohl liturgische – Bücher verbrannten, oder nach dem Ende der in den Mauern des ehemaligen Stifts untergebrachten Fürstenschule 1615 die Bücher nach Heidelberg verbracht und in der Bibliothek der Heiliggeistkirche aufgestellt wurden (vgl. Jürgen Keddigkeit / Matthias Untermann, Neuhausen, St. Cyriak, in: Pfälzisches Klosterlexikon 3, Kaiserslautern 2015, S. 182–210, hier S. 201; Carl J. H. Villinger, Beiträge zur Geschichte des St. Cyriakusstiftes zu Neuhausen in Worms, Worms 1955 [Der Wormsgau, Beihefte 15], S. 49–51). Von der Überführung nach Rom 1623 kündet die Capsa-Nummer C. 159. auf Ar. Auf dem Hinterspiegel Restaurierungsvermerk der vatikanischen Restaurierungswerkstatt vom 11. September 2009.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_828
Literatur
Erwin Assmann, Ein rhythmisches Gedicht auf den heiligen Alexius, in: Festschrift Adolf Hofmeister, hrsg. von Ursula Scheil, Halle (Saale) 1955, S. 31–38; Giuseppe Augello, La tradizione manoscritta ed editoriale delle opere martiniane di Sulpicio Severo, in: Orpheus 4 (1983), S. 413–426, hier S. 413; Jörg Bölling, Bischöfliche Bildungskonzepte im Sachsen der Salierzeit (1024–1125), in: Theologie und Bildung im Mittelalter, hrsg. von Peter Gemeinhardt / Tobias Georges, Münster 2015 (Archa verbi, Susidia 13), S. 177–197, hier S. 181–188; Jörg Bölling, Zwischen Regnum und Sacerdotium. Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024–1125), Ostfildern 2017 (Mittelalter-Forschungen 52), S. 114, 166; G.L. Bursill-Hall, A Census of Medieval Latin Grammatical Manuscripts. Grammatica speculativa, Stuttgart 41981, S. 251; CSEL 1, S. XII; Jean-Luc Deuffic, Un logicien renommé, proviseur de Sorbonne au XIVè s. Raoul le Breton de Ploudiry. Notes bio-bibliographiques, in: Pecia. Ressources en médiévistique 1 (2002), S. 45–154, hier S. 88–91, 127; Karl Forstner, Das mittellateinische Alexisgedicht und die zwei folgenden Gedichte im Admonter Codex 664, in: Mittellateinisches Jahrbuch 5 (1968), S. 42–53; Krämer, Handschriftenerbe 1.2, S. 580; David C. Lindberg, Roger Bacon and the Origins of Perspectivia in the Middle Ages. A Critical Edition and English Translation of Bacon’s Perspectiva, with Introduction and Notes, Oxford u. a. 1996, S. civ; Wallace M. Lindsay, The (Early) Lorsch Scriptorium, in: Palaeographia Latina, Bd. 3, hrsg. von Wallace M. Lindsay, London [u.a.] 1924 (St. Andrews University Publications 19), S. 5–48, hier S. 33; Mirabile, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 828; Montuschi, Le biblioteche, S. 314; Lars Boje Mortensen, The Diffusion of Roman Histories in the Middle Ages. A List of Orosius, Eutropius, Paulus Diaconus, and Landolfus Sagax Manuscripts, in: Filologia mediolatina 6/7 (1999/2000), S. 101–200, hier S. 150; Pauli Orosii Historiarum adversum paganos libri VII accedit eiusdem liber apologeticus, hrsg. von Karl Zangemeister, Wien 1882 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 5), S. 1–564, hier S. XXI; Franz Pelster, Ein Schulbücherverzeichnis aus der Mindener Dombibliothek in der Mitte des 11. Jahrhunderts. Cod. Vat. Pal. lat. 828, in: Scholastik 16 (1941), S. 534–553; Radulphus Brito. Quaestiones super Priscianum minorem, hrsg. von Heinz W. Enders / Jan Pinborg, Stuttgart 1980 (Grammatica speculativa 3,1–2), passim, v. a. Bd. 1, S. 22f.; August Reifferscheid, Bibliotheca patrum Latinorum Italica, Bd. 1, H. 4: Die vaticanische Bibliothek. Bibliotheca Palatina, Wien 1867, S. 197–312, hier S. 300f. A. 6; Jean Rychner, La Vie de saint Alexis et le poème latin Pater Deus ingenite, in: Vox Romanica. Annales Helvetici explorandi linguis Romanicis destinati 36 (1977), S. 67–83, hier S. 68; Schunke, Einbände 2.2, S. 852; Manfred Sprissler, Das rhythmische Gedicht Pater Deus ingenite (11. Jh.) und das altfranzösische Alexiuslied, Münster 1966; Stevenson, Latini, S. 289f.; Lynn Thorndike, Vatican Latin Manuscripts in the History of Science and Medicine, in: Isis. International Revue Devoted to the History of Science 13 (1929), S. 53–102, hier S. 86; August Willmanns, Der Katalog der Lorscher Klosterbibliothek aus dem zehnten Jahrhundert, in: Rheinisches Museum für Philologie 23 (1868), S. 385–410, hier S. 408–410 (aus der unüberblickbaren Literatur zum Palatinus kann hier nur eine Auswahl gegeben werden).
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Faszikel I (Bl. A–48)

Sachtitel / Inhalt
Johannes de Sancto Amando, Abbreviationes librorum Galeni.
Entstehungsort
Westeuropa / Mitteleuropa.
Entstehungszeit
1. Drittel 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
50 Bll.
Format (Blattgröße)
29,5 × 21,6 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
IB + 4 VI48.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Lagenfoliierung unten rechts in Blei mitMinuskelbuchstaben.

Schriftraum
29,5 × 21,6 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
37–53 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Die Schrift, von wohl einer Hand, bewegt sich zwischen einer Textualis und einer älteren gotischen Kursive. Einerseits sind die Schleifen nicht konsequent ausgebildet und die Unterlänge von f und s sind oft nur angedeutet, andererseits ist der Duktus bereits der einer Kursiven, die Ligaturen sind stark ausgeprägt.
Buchgestaltung
Zeilengerüst größtenteils mit Tinte vorgezogen. Lebender Seitentitel in Rot. Bücher mit Rubrik und alternierend blauer oder roter Lombarde eingeleitet, ferner rote Paragrafenzeichen, Strichelungen und Unterstreichungen zur Strukturierung des Texts.
Buchschmuck
Auf 1r blau-rot gespaltene Lombarde mit Schaftaussparungen, Fleuronné im Binnenfeld in Rosettenform, blau-rot ablaufende Fleuronnéleisten mit Sägeblattmotiv, besetzt mit Froschlaichmotiven.

Nachträge und Benutzungsspuren
Korrekturen und Anmerkungen von mehreren Händen, darunter Schlagwörter und Kapitelverweise auf Rändern von der Hand nachgetragen, die auch die Foliierung vornahm. Register auf Ar-Br wohl im Kontext der Vereinigung der Faszikel nachgetragen.

Provenienz
Neuhausen bei Worms / Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Die Fleuronnéinitiale auf 1r kann ähnliche Vergleichsbeispiele bei Pariser Fleuronnéinitialen aufweisen, allerdings ist angesichts des Vorbildcharakters dieser nordfranzösischen Formen eine klare Zuweisung kaum möglich, da auch die Schrift keine eindeutigen Charakteristika aufweist. Die zahlreichen Abkürzungen und die Auswahl des Texts könnten auf die Entstehung an einer Universität hindeuten. Nachgetragen wurde später das Register zu den Historiae des Orosius.

1) Ara–Brc Digitalisat

Titel
Register zu den Historiarum adversum paganos libri VII des Orosius.
Angaben zum Text
Bv leer.
Rubrik
Ar ›Registrum chronice Horosii‹.
Incipit
Ara ›Anni a principio mundi 91a
Explicit
Brc …Imperator Christianus occiditur 1o.

2) 1ra–48ra Digitalisat

Verfasser
Johannes de Sancto Amando (GND-Nr.: 100949312).
Titel
Abbreviationes librorum Galeni.
Angaben zum Text
Erster Teil des Revocativum memoriae des Jean de Saint-Amand (um 1219–1292), Lehrer an der Universität zu Paris, der einen Überblick über die Lehren des Hippokrates (um 460 v. Chr.–um 370 v. Chr.) und Galen (zwischen 128 und 131–zwischen 199 und 216) bietet (vgl. Klaus Bergoldt, Art. Johannes von St-Amand, in: LMA 5, Sp. 601).
Rubrik
1r ›De morbo et accidenti‹.
Incipit
1ra ›Utea que a nobis sunt in temporibus preteritis comprehensa
Explicit
48ra …et afforismorum numerus ad inueniendam proposicionem notabilem suo nomine et numero describuntur.
Edition
Die einzelnen Teile sind ediert in: Otto Paderstein, Ueber Johannes de Sancto Amore (XIII. Jahrhundert) nebst einem Teil seines Revocativum memoriae nach Berliner und Erfurter Codices zum ersten Mal herausgegeben, Diss. Berlin 1892, S. 10–54; Carl Eicksen, Aus dem Revocativum memoriae des Johannes de Sancta Amando (XIII. Jahrhundert). Historisches über Krisen und kritische Tage, Diss. Berlin 1893, S. 13–27; Arthur Mueller-Kypke, Aus dem Revocativum memoriae des Johannes de Sancta Amando (XIII. Jahrhundert). Ueber die ars parva Galeni. Diss. Berlin 1893, S. 10–36; Richard Reichel, Zur Litteraturgeschichte der antiken Arzneimittellehre nebst einem Teil des Revocativum memoriae des Johannes de Sancto Amando (XIII. Jahrhundert), Diss. Berlin 1894, S. 11–31; Georg Matern, Aus dem Revocativum memoriae des Johannes de Sancta Amando (XIII. Jahrhundert). Die drei Bücher des Galen über die Temperamente, Diss. Berlin 1894, S. 11–23; Friedrich Petzold, Über die Schrift des Hippokrates „Von der Lebensordnung in akuten Krankheiten“ nebst dem Schluss des „Revocativum memoriae“ des Johann von St. Amand (13. Jahrhundert), Diss. Berlin 1894, S. 14–28.

Faszikel II (Bl. 49–66)

Sachtitel / Inhalt
Roger Bacon, Perspectiva.
Entstehungsort
Westeuropa / Mitteleuropa.
Entstehungszeit
1349.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
18 Bll.
Format (Blattgröße)
30,5 × 22,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
V58+IV66.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Auf 60r möglicher Rest einer Lagenfoliierung.

Schriftraum
22 × 14,5 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
63-70 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Ältere gotische Kursive von wohl einer Hand.
Buchgestaltung
Schriftraum mit Tinte vorgezogen. Kapitel mit Rubrik und roter Lombarde mit Punktverdickung eingeleitet. Auf den Rändern geometrische Skizzen.
Buchschmuck
Auf 49r rote Lombarde mit Schaftaussparungen und Punktverdickungen über zehn Zeilen, die wie die weiteren Lombarden in diesem Faszikel von jenem Illuminator stammen dürften, der auch die Lombarden im 4. Faszikel schuf.

Nachträge und Benutzungsspuren
Anmerkungen von mehreren Händen auf den Rändern.

Provenienz
Neuhausen bei Worms / Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Ausgestaltung und Schrift sind nicht so eindeutig, als dass eine genaue räumliche Zuordnung des Entstehungskontexts gegeben werden kann, der zeitlich durch den Kolophon auf 1349 festgelegt ist.

3) 49ra–66va Digitalisat

Verfasser
Roger Bacon (GND-Nr.: 118651595).
Titel
Perspectiva.
Incipit
49ra Propositis radicibus sapientia [!], tam diuine quam humane
Explicit
66va … ut animus mortalis ignorans ueritatem non possit sustinere. Amen dico vobis super Johannem. Explicit Perspectiua fratris Rogeri Bacun Anglici, scripta et completa anno gratie 1349 incompleto, 29 die Septembris, aquario ascendente.
Edition
Lindberg, Roger Bacon, S. 1–334 (ohne Verwendung des Palatinus).

Faszikel III (Bl. 67–88)

Sachtitel / Inhalt
Radulphus Brito, Quaestiones super Priscianum minorem.
Entstehungsort
Westeuropa / Mitteleuropa.
Entstehungszeit
2. Drittel 14. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
22 Bll.
Format (Blattgröße)
30,5 × 22,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
2 IV82 + III88.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
S. zum Codex.

Schriftraum
26 × 19 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
73–94 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Geschrieben wurden die beiden Lagen von unterschiedlichen Händen. Die Schrift ist anfänglich noch stark der Textura verpflichtet, ehe sie sich rasch immer stärker zur älteren gotischen Kursive entwickelt. Die Texte sind mit vielen Abkürzungen versehen, die eine mitteleuropäische Sozialisation des Schreibers nahelegen, wobei die Art der con- / cum-Kürzung auf eine niederländische Gepflogenheit hindeuten könnte (Derolez, Palaeography, S. 97).
Buchgestaltung
Anfänglich Schriftraum mit Tinte vorgezogen, ab 75r Zeilenraster am Rand durchgenadelt und Zeilengerüst mit Tinte vorgezogen. Quaestio jeweils mit rotem C oder Q über zwei Zeilen eingeleitet, ferner Paragrafenzeichen, Strichelungen, Durchstreichungen und Zeilenfüller. Einzelne Abschnitte der Quaestiones am Rand als Schlagwörter ausgeworfen.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung.

Nachträge und Benutzungsspuren
Nur wenige Anmerkungen und grafische Verweiszeichen, auch von anderer Hand.

Provenienz
Neuhausen bei Worms / Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Die Schreiber dieses Faszikels dürften aus Mitteleuropa stammen, vielleicht vom Niederrhein bzw. aus den Niederlanden, allerdings verweisen darauf lediglich Indizien, wodurch von einer eindeutigen Zuordnung abzusehen ist.

4) 67ra–88va Digitalisat

Verfasser
Radulphus Brito (GND-Nr.: 118597701).
Titel
Quaestiones super Priscianum minorem.
Angaben zum Text
Grammatikalische Quaestionen des Pariser Universitätsgelehrten Radulphus Brito (im ersten Viertel des 14. Jhs. wirkend), in denen er in einem Kommentar zur Grammatik des Priscianus eine Summe seiner eigenen Meinungen bietet. Die Leiths. lässt sich hinsichtlich der Entstehung nach Paris in das Jahr 1317 datieren (Radulphus Brito, hrsg. von Enders / Pinborg, S. 14–21).
Rubrik
67ra ›Jncipiunt quaestiones Radulfi Britonis. Prima utrum grammatica sit scientia. Amen‹.
Incipit
67ra Circa Priscianum minorem queritur utrum grammatica sit sciencia …
Explicit
88v … Nominativus enim tantum significat in ratione principii et numquam in ratione termini et cetera. Et in hoc terminatur.
Edition
Radulphus Brito, hrsg. von Enders / Pinborg, S. 89–435 (unter Verwendung des Palatinus); Eine Übersicht über die Quaestiones nach dem Palatinus gibt Deuffic, Un logicien renommé, S. 88–91.

5) 88vab Digitalisat

Titel
Quaestio grammaticalis.
Incipit
88va Queritur utrum praepositio regat accusatiuum uel ablatiuum …
Explicit
88vb … quando cognoscam.

Faszikel IV (Bl. 89–174)

Sachtitel / Inhalt
Orosius, Historiarum adversum paganos libri VII.
Entstehungsort
Minden (?).
Entstehungszeit
11. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
85 Bll.
Format (Blattgröße)
31 × 23 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
4 IV120 + (V-2)129 + 2 IV145 + (V-2)153 + IV161 + (V-2)169 + (III-1)174. Bll. entfernt nach 122, 125, 147, 150, 163, 166, 174. Zählfehler: 126 ausgelassen.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Auf 112v und 145v Lagenzählung in römischen Ziffern.

Schriftraum
25,5 × 18 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte (172v, 173v–174v: 2 Spalten).
Zeilenanzahl
26–35 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Mehrere Hände schrieben diesen Faszikel in einer karolingischen Minuskel des 11. Jhs.
Buchgestaltung
In den Historiae des Orosius Capitalis rustica als Auszeichnungsschrift zu Anfang der Abschnitte. Zu Beginn der Bücher Raum für Initialen freigelassen, die im 14. Jh. schließlich mit meist roten Lombarden ausgeführt wurden. Verse des Pater deus ingenite mit Initalbuchstaben eingeleitet.
Buchschmuck
Auf 89v und 90r jeweils rote Lombarde mit Schaftaussparungen und Punktverdickungen über neun Zeilen im 14. Jh. nachgetragen.

Nachträge und Benutzungsspuren
Lebender Seitentitel in gotischen Ziffern nachgetragen, vielleicht von derselben Hand, die, wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. schreibend, auch die Foliierung vornahm, Schlagwörter auf den Rändern auswarf und die Argumenta auf 89r sowie das Register auf den Blättern A und B niederschrieb. Anmerkungen und grafische Verweiszeichen von weiteren, auch jüngeren Händen.

Provenienz
Neuhausen bei Worms / Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Grundlage für Datierung und räumliche Einordnung des Entstehungskontexts bildet der Text auf 173r, der über Altarweihen im Jahr 1064 berichtet. Dass er sich auf den Dom zu Minden bezieht, scheint in der Forschung mittlerweile allgemein anerkannt zu sein. Dazu passt, dass die Historien des Orosius wahrscheinlich von einer Hs. abgeschrieben wurden, die mit Thiadgrim in Verbindung steht, der zwischen 827 und 840 als Bischof von Halberstadt belegt ist und zudem den Klöstern Werden und Helmstedt vorstand. Er versah demnach diverse Ämter im sächsischen Raum, was die These von der Entstehung in Minden zusätzlich stützt. Der hier gebotene Text zu den Mindener Altarweihen dürfte zeitnah zu denselben entstanden sein. Da er unterhalb eines Textfragments der Historien des Orosius steht, müssen diese vor 1064 kopiert worden sein und dürften sich auf das im Bücherverzeichnis auf 172v genannte Werk des Orosius beziehen. Etwas jünger als 1064 dürfte das Gedicht Pater deus ingenite sein, das auf den Bericht über die Altarweihen folgt.

6) 89r Digitalisat

Titel
Argumenta in Libros VII historiarum adversum paganos Orosii.
Incipit
89r Hic mala narrantur hominis miseri quoque casus
Explicit
89r … lauiatur ouicula Christi.

7) 89v–171r Digitalisat

Verfasser
Orosius (GND-Nr.: 118590251).
Titel
Historiarum adversum paganos libri VII.
Angaben zum Text
Weit verbreitete Weltgeschichte in apologetisch-christlichem Sinn, von Anbeginn bis auf das Jahr 416 (Adolf Lippold: Art. Orosius [um 380–nach 418], in: TRE 25, Berlin / New York 1995, S. 421–423, hier S. 421f.). Bereits Reifferscheid, Bibliotheca 1, S. 300f. A. 6 nahm an, dass es sich hier um eine Abschrift von Pal. lat. 829 handeln müsse, worin ihm später Lindsay, Lorsch, S. 33 folgte, der die Entstehung besagter Hs. wahrscheinlich Ende des 8. Jhs. in Mainz verortete, während die jüngere Forschung diese um 800 in Lorsch annimmt (s. dazu die Beschreibung von Pal. lat. 829). Der Herausgeber der Edition sieht allerdings den Codex Rehdigeranus (Wrocław, Biblioteka Uniwersytecka, Rehdigeranus 108) als Vorlage, der aus dem 9. oder Anfang des 10. Jhs. stammt und einen Schreibervermerk enthält, der auf die Verbindung zu einem Theodgrimus episcopus schließen lässt. Letzterer könnte mit Thiadgrim, aufgelöst werden, der Bischof von Halberstadt (827–840) und Abt der Klöster Werden und Helmstedt war (Pauli Orosii, hrsg. von Zangemeister, S. XXI; Germania Sacra). – (89v–101v) Liber I; (101v–109r) Liber II; (109r–119r) Liber III; (119r–131r) Liber IV; (131r–143r) Liber V; (143r–154v) Liber VI; (154v–171r) Liber VII.
Rubrik
89v ›Jncipit prologvs Pavli Horosii presbyteri in VII libros contra paganos‹.
Incipit
89v ›Preceptis tvis parvi, beatissime paterAugustine, atque utinam tam efficaciter quam libenter
Explicit
171r …de qualitate autem opusculorum tu uideris quę precępisti, tibi adiudicanda si ędas, per te iudicata si deleas.Explicit Pavli Horosii hystoriarum adversvm paganos liber VII.
Edition
Pauli Orosii, hrsg. von Zangemeister, S. 1–564.

8) 171r–172r Digitalisat

Verfasser
Ps.-Sulpicius-Severus.
Titel
Epistolae.
Rubrik
171r ›Epistola Severi ad sanctvm Paulinvm episcopvm‹.
Incipit
171r Postquam omnes coquos tuos coquinę tuę renunciasse cognoui, credo quia dedignarentur officium
Explicit
172r nisi qui absentes sunt, ępistulari pręsentia uisitentur.
Edition
CSEL 1 (Edition nach Pal. lat. 829), S. 251–256.

9) 172va–c Digitalisat

Titel
Mindener Bücherverzeichnis.
Angaben zum Text
Liste an Büchern, die ein gewisser Bernardus wohl für das Mindener Domstift schreiben ließ, darunter auch eine Schrift des Orosius, womit die oben genannte gemeint sein könnte. Die Auswahl der Werke aus dem Trivium und Quadrivium deutet bereits auf ein frühscholastisches Ausbildungsideal hin (vgl. Bölling, Bildungskonzepte, S. 181–188).
Incipit
172va Hi sunt libri, quos Bernardus proprio sumptu conscribi fecit …
Explicit
172vc … dedit ad altare sancti Martini et unum psalterium.
Edition
Pelster, Schulbücherverzeichnis, S. 537f.

10) 173r Digitalisat

Titel
Notae dedicationum Mindensium.
Angaben zum Text
Durchgestrichener Ausschnitt aus VII 29, 7 der Historiarum adversum paganos libri VII des Orosius, von derselben Hand, die auch an oben beschriebenem Text schrieb. Notizen über die Weihe von drei Altären im Dom zu Minden im Jahr 1064 (s. zuletzt Bölling, Regnum, S. 114).
Incipit
173r> Anno ab incarnatione domini millesimo lXmo IIIIto [auf dem Rand nachgetragen: indictione IIa] consecratum est hoc oratorium et altare
Explicit
173r … sancti Pancratii martiris et sancti Pontiani martiris.
Edition
MGH SS 30/2, S. 778 (nach dem Palatinus).

11) 173v–174v Digitalisat

Titel
Pater deus ingenite.
Angaben zum Text
Die Vita des heiligen Alexius in einem rhythmischen Gedicht, das je nach Forschungsmeinung mehr (Sprissler, Gedicht) oder weniger stark (La vie de Saint Alexis, hrsg. von Maurizio Perugi, Genf 2000 [Textes littéraires français 529], S. 51–71) das altfranzösische Alexiuslied (DEAF-Sigle: AlexisPe) beeinflusste.
Incipit
173v Pater deus ingenite, terrę creator cęlique
Explicit
174v … Custos sit nobis dominus uitę diebus omnibus.
Edition
Sprissler, Gedicht, S. 9–20 (auf Grundlage des Palatinus).

Faszikel V (Bl. 175–188)

Sachtitel / Inhalt
Texte zur Mathematik.
Entstehungsort
Neuhausen bei Worms.
Entstehungszeit
1407/1415.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Papier (189* Pergament).
Umfang
15 Bll.
Format (Blattgröße)
30 × 19,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(VII+1)189.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
S. zum Codex.
Wasserzeichen
Keine Wasserzeichen erkennbar.

Schriftraum
24 × 14 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
38–52 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Beide Texte wurden wohl von der Hand des Johannes von Wachenheim ausgeführt, der trotz einer stark ausgeschriebenen jüngeren gotischen Kursive nach wie vor das doppelstöckige a schreibt, im ersten Text freilich häufiger als im zweiten. Auffallend sind die zusätzlich angebrachten senkrechten Striche in den Majuskelbuchstaben. Alleine 178v (letzter Absatz)–182r, etwas sorgfältiger ausgeführt, könnten von einer anderen Hand stammen.
Buchgestaltung
Schriftraum teilweise mit Tinte vorgezogen. Zur Strukturierung Paragrafenzeichen und Unterstreichungen. Auf den Rändern geometrische Skizzen.

Nachträge und Benutzungsspuren
Vielfach Korrekturen und Text vom Schreiber auf den Rändern nachgetragen, was insbesondere den zweiten Text als Konzept charakterisiert.

Provenienz
Heidelberg.
Geschichte des Faszikels
Der Faszikel dürfte Johannes von Wachenheim gehört haben, der sich auf 182v selbst nennt (Johannes, decanus Nuhusensis), und der in der Literatur auch als Johannes von Worms bekannt ist (Drüll, Gelehrtenlexikon, S. 338). Erstere Namensform scheint seine Herkunft anzudeuten und kann als sein Geburtsname im modernen Sinn verstanden werden, dürfte er doch aus jener Adelsfamilie stammen, die sich nach dem rheinhessischen Ort Wachenheim an der Pfrimm zubenannte. Diese unterhielt enge Beziehungen zum Stift Zell, wo unser Johannes auch Kanoniker war und 1407 die Philippsbruderschaft von Neuem gründete, während gleichzeitig ein Druschel von Wachenheim das Amt eines Dekans versah (Peter Moraw, Das Stift St. Philipp zu Zell in der Pfalz. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Kirchengeschichte, Heidelberg 1964 [Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde 9], S. 123f., 164). Zum Dekan sollte unser Johannes freilich auch aufsteigen, allerdings im nahe gelegenen Cyriakusstift in Neuhausen bei Worms, woher sein weiterer belegter Zuname ‚von Worms‘ rühren könnte, der wohl aus seiner Heidelberger Zeit stammt. Denn in Heidelberg wirkte er, der in Prag studiert hatte, in der frühen Phase des Bestehens der Universität als Artistenmagister und Rektor – alle Belege für seine Zeit an der Universität stammen aus dem Jahr 1387 (Drüll, Gelehrtenlexikon, S. 338). Zum Dekan von St. Cyriakus dürfte er zwischen 1407 und 1409 aufgestiegen sein – 1407 ist Heilmann von Worms, der ebenfalls als Rektor und Artistenmagister in Heidelberg wirkte (Drüll, Gelehrtenlexikon, S. 207f.) in dieser Funktion noch nachweisbar (Villinger, Beiträge, S. 91), 1409 schließlich unser Johannes von Wachenheim (Philipp W. Fabry, Das St. Cyriakusstift zu Neuhausen bei Worms, Worms 1958 [Der Wormsgau, Beihefte 17], S. 49). Letztgenannter muss 1415 verstorben sein. Am 26. Februar ließ er nämlich sein Testament ausstellen – als er marckt sin krancheit (Heidelberg, Universitätsarchiv, XII,2 Nr. 262) – und später im Jahr wird sein Nachfolger in den Quellen fassbar (Fabry, St. Cyriakusstift, S. 49). Damit lässt sich das zweite hier von ihm niedergeschriebene Werk relativ klar datieren. Das erste Werk könnte freilich auch von ihm stammen. Darüber hinaus ist eine weitere Schrift aus seiner Feder bekannt, die in Pal. lat. 1368 auf 38ra–41rb erhalten geblieben ist und aus dem Jahr 1411 stammt und damit ebenfalls aus seiner Zeit als Dekan (Schuba, Kat. UB Heidelberg 2, S. 65; Dieter Blume / Mechthild Haffner / Wolfgang Metzger, Sternbilder des Mittelalters und der Renaissance. Der gemalte Himmel zwischen Wissenschaft und Phantasie, Bd. 2, Teil 2, Katalog der Handschriften, Berlin / Boston 2016, S. 513–519).

12) 175r–182r Digitalisat

Verfasser
Johannes von Wachenheim (?).
Titel
Tractatus de re mathematica.
Angaben zum Text
Unvollendeter Traktat zur Mathematik.
Incipit
175r Quidam fecit quemdam tractatum in cuius prohemio inter cetera dicit
Explicit
182r … in quo sunt a b duo poli.

13) 182v–188v Digitalisat

Verfasser
Johannes von Wachenheim.
Titel
Summa tripertiata mathematicae.
Rubrik
182v ›In nomine domini. Amen. Hanc summam [darübergeschrieben: primi] tripartiti scilicet mathematice ego Johannes, decanus Nuhusensis, agressus [vier durchgestrichene Wörter] sum tribus [zwei durchgestrichene Wörter, darübergeschrieben: precipue] motiuis incitatus, vt vim ad hanc scienciam inclinati [durchgestrichen: doctrinalem] viam [ein Wort durchgestrichen, darübergeschrieben: doctrinalem] sentientes facilius eam assequatur sic et vt hec mathematica dudum subcultata vires suas reassumat necnon vt domino deo laudes debite ex cognicione suorum mirabilium exsoluantur.
Incipit
182v Et forte melius est, vt sequit, littera continetur
Explicit
188v … propositium algorismum vvlgarem.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2016.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 828. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2016.


Katalogisierungsrichtlinien
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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.