Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 831
Sammelhandschrift mit dem Chronicon pontificum et imperatorum des Martin von Troppau
Pergament · 3, 66, 1 Bll. · 28,5–28,6 × 20,8–21,2 cm · Italien · 2. Hälfte 14. Jh.
- Schlagwörter (GND)
- Geschichte / Geschichtsschreibung / Weltgeschichte / Papst / Kaiser.
- Entstehungsort
- Italien.
- Entstehungszeit
- 2. Hälfte 14. Jh.
- Typus (Überlieferungsform)
- Codex.
- Beschreibstoff
- Pergament.
- Umfang
- 3, 66, 1 Bll.
- Format (Blattgröße)
- 28,5–28,6 × 20,8–21,2 cm.
- Zusammensetzung (Lagenstruktur)
- (I-1)1a + I3a + 7 III42 + II46 + 3 III64 + I66* + (I-1)67*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 67*.
- Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
- Spätmittelalterliche Foliierung (1–47), fortgesetzt von römischer Foliierung des 17. Jhs. (48–65). Bei ungez. Blättern folgt die Beschreibung dem Digitalisat (1a–3a, 66*–67*). Bis 37r Lagenzählung mit arabischen Ziffern. Auf 52v Reklamant auf dem Fußsteg rechts.
- Zustand
- Auf den letzten Blättern Wasserschaden am oberen und äußeren Rand. Pergament verschmutzt, Tinte teilweise verblasst und berieben. Auf 39v Bl. mit neuem Pergament ausgebessert.
- Schriftraum
- 19,5–20,8 × 13,4–13,7 cm; 22 × 15 cm (ab Bl. 59).
- Spaltenanzahl
- 2 Spalten.
- Zeilenanzahl
- 40-47 Zeilen.
- Angaben zu Schrift / Schreibern
- Die drei hier versammelten Texte wurden von einer Hand in einer kalligrafisch anspruchsvollen italienischen Rotunda geschrieben, alleine 44vb–46vb wurden von anderer Hand in einer humanistischen Minuskel kopiert, 62va–65rb von nochmals anderer Hand in einer humanistischen Kursive nachgetragen.
- Buchgestaltung
- Zeilengerüst mit Tinte vorgezogen. Zuweilen Zeilenraster auf den Rändern durchgenadelt. Alternierend blau-rote Lombarden (ab 4r lediglich in Rot), teilweise mit gespaltenem Stamm oder Punktverdickungen. Ab 28v Raum für Initialen freigehalten. Angaben für Rubrikator noch vorhanden. Ferner rote Paragrafenzeichen. Auf 52v und 59r noch einmal mit Farbe ausgeführt, auf 59r auch noch eine Rubrik.
- Buchschmuck
- Auf 1r rote Q-Initiale über acht Zeilen in einem schlichten Rahmen, im Binnenfeld Gesicht.
- Nachträge und Benutzungsspuren
- Anmerkungen von einer Hand in jüngerer gotischer Kursive, die auch den Titel auf 1r anbrachte: C. croniche Martiniane de summis pontificibus et imperatoribus. Wahrscheinlich handelt es sich auch um jene Hand, welche die erste Foliierung vornahm und damit begann, die Kapitel durchzunummerieren. Schlagwörter von Giannozzo Manetti in humanistischer Kursive auf den Seitenrändern ausgeworfen. Wenige grafische Verweiszeichen.
- Einband
- Grünes Pergament über Pappe. Auf dem Vorderdeckel Wappen Papst Urban VIII., auf dem Hinterdeckel Wappen des Kardinalbibliothekars Francesco Barberini (1597–1679) . In Rom zwischen 1626 und 1633 gefertigt. Rücken neu, oben blaues aufgeklebtes Signaturschild der Vaticana mit Pal. lat. 831, darunter goldgeprägtes Wappen von Pius IX. , darunter schwarzes Signaturschild mit PAL. 831 in Gold, darunter goldgeprägtes Wappen des Kardinals und Bibliothekars Angelo Mai (1782–1854) , gefertigt in Rom zwischen 1853 und 1854 (vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 852). Kapital mit hellblau-kupferfarbenen Fäden umwickelt.
- Provenienz
- Florenz / Augsburg / Heidelberg.
- Geschichte der Handschrift
- Auf Vorderspiegel blaues Schildchen der Vaticana mit aktueller Signatur. Auf 2ar Altsignatur89 [durchgestrichen], nebst aktueller Signatur, ein weiteres Mal auf 1r. Dem Schriftbild und dem Buchschmuck nach könnte die Hs. in der ersten Hälfte des 15., wahrscheinlicher aber doch in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. entstanden sein. Die ersten beiden Texte sind nicht vollständig erhalten geblieben. Die Chronik des Martin von Troppau wurde zumindest in der ersten Hälfte des 15. Jhs. von einer Hand mit einer humanistischen Minuskel weitergeschrieben, die Viten des Diogenes Laertios waren wohl schon unvollständig und der Text bricht hier ebenfalls unvermittelt ab. Ebenfalls aus der ersten Hälfte des 15. Jhs. stammt der Nachtrag mit der Liste von Päpsten und Kaisern, die sich auf die Chronik des Martin von Troppau bezieht und eine Vorlage kopierte, die von 1376/1378 stammen dürfte. Unklar bleibt, wann die hier fehlenden Teile verloren gingen und wann der Nachtrag angebunden wurde. Auf jeden Fall müssen sie den Florentiner Humanisten und Diplomaten Giannozzo Manetti (1396–1459) interessiert haben, dem der Codex nicht nur gehörte, wie auf 3av ersichtlich wird, Janoçius und Jannoçij de Manettis cartis mit dem Titel Cronica Martiniana sowie der Signatur 49, sondern der diesen auch mit Anmerkungen versah. Teile seiner Büchersammlung wurden im 16. Jh. vom Augsburger Bibliophilen Ulrich Fugger (1526–1584) erworben. Dessen Bibliothek wanderte mit ihm schließlich nach Heidelberg und ging nach seinem Ableben auf testamentarischen Wunsch hin in das Eigentum des Kurfürsten und damit in die Bibliotheca Palatina über. Die Capsa-Nummer C. 180, darunter die Allacci-Signatur 693. künden von der Überführung nach Rom 1623.
- Literatur
- Bethmann, Nachrichten, S. 343; Bianca, La biblioteca, S. 113; Anna-Dorothee von den Brincken, Studien zur Überlieferung
der Chronik des Martin von Troppau (Erfahrungen mit einem massenhaft
überlieferten historischen Text), in: DA 41 (1985), S. 460–531, hier S. 504; Cagni, Manetti, S. 24; Kaeppeli, Scriptores OP 3, S. 122; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 109, 488; Giannozzo Manetti, Adversus Iudeos et gentes VI, hrsg. von Stefano Ugo
Baldassari, in: Letteratura italiana antica 7 (2006), S. 25–75, hier S. 67; Mirabile, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 831; Mirabile, Martinus Oppaviensis n. 1230 ca., m. ante 23-12-1279, Chronicon pontificum
et imperatorum ; Heike Johanna Mierau, Die Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters, 2006; Montuschi, Le biblioteche, S. 314; OVL, Pal.lat.831; Petr, Soupis 1, S. 399–401; Schunke, Einbände 2.2, S. 852; Stevenson, Latini, S. 291; Amadeo de Vincentiis, L’Ytalia di Dante e dei fiorentini scellerati: un caso di comunicazione politica
nel Trecento, Rom 2021, S. 101f.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur
1) 1ra–46vb
- Verfasser
- Martin von Troppau (GND-Nr.: 118782223).
- Titel
- Chronicon pontificum et imperatorum.
- Angaben zum Text
- 1268/1269 von Martin von Troppau verfasste Universalgeschichte, späterhin noch erweitert bis 1277, von Christi Geburt an bis zum Tod Johannes XXI. die Geschichte der Päpste und Kaiser parallel darstellend (vgl. Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters), hier allerdings während des Pontifikats Gregor IX. im Text abbrechend.
- Incipit
- 1ra ›Qvoniam‹ scire tempora summorum pontificum Romanorum ac imperatorum…
- Explicit
- 46vb … Hic sanctam Helisabeth, filiam regis Ungarie, relictam lantgravij Thuringie, canoniçavit. Hic sententiam … [Text bricht ab].
2) 47ra–58vb
- Verfasser
- Diogenes Laertios (GND-Nr.: 118525859).
- Weitere beteiligte Personen
- Henricus Aristippus (?) (GND-Nr.: 100945589).
- Titel
- Vitae et sententiae philosophorum.
- Angaben zum Text
- Insgesamt sind hier ungefähr ein Viertel der von Diogenes Laertios (3. Jh.) dargebotenen Viten versammelt. Auf 57vb werden 13 Viten übersprungen. Der Text ist teilweise gekürzt und weicht in Wortlaut und Konstruktion der Sätze deutlich von der ersten erhaltenen und kompletten Übertragung ins Lateinische von Ambrogio Traversari (1386–1439) ab, welche dieser 1433 vorlegen konnte. Es ist deshalb unklar, ob es sich um Epitome der Viten handelt oder um das Exzerpt eines gebildeten Humanisten, der den Text in eigenen Worten übertrug und dabei deutlich von der griechischen Vorlage abwich. Ungewöhnlich wäre auch, dass Exzerpte dieser Art in einer kalligrafisch aufwändigen Buchschrift kopiert worden wären, weshalb die Annahme einer eigenständigen Übersetzung nicht abwegig erscheint, freilich in weiterführenden Forschungen zu prüfen wäre. Interessanterweise war Ambrogio Traversari der Griechischlehrer Giannozzo Manettis, der wiederum intensiv die Viten des Diogenes Laertios für seine Werke De illustribus longaevis und Vita Socratis et Senecae ausschöpfte. Auch spielt in der Korrespondenz Manettis und Francesco Filelfos (1398–1481) die Übersetzung der Vitae et sententiae philosophorum dahingehend eine Rolle, dass Traversari womöglich Filelfo um eine Übersetzung der in den Viten enthaltenen Verse bat, eine Bitte, der Filelfo nach eigener Aussage jedoch nicht nachkam (Manuela Kahle, Spoliating Diogenes Laertius: Giannozzo Manetti’s Use[s] of the Lives of the Philosophers, in: Biography, Historiography, and Modes of Philosophizing. The Tradition of Collective Biography in Early Modern Europe, hrsg. von Patrick Baker, Leiden / Boston 2017 [The Renaissance Society of America Texts and Studies Series 7], S. 39–57; Marsh, Manetti, S. 166f.). Aufgrund dieses Diskurses könnte man versucht sein, den Übersetzer der Viten in den Reihen der genannten Humanisten zu suchen, wahrscheinlicher ist es aber wohl, ihn in der Person des Henricus Aristippus († 1162) auszumachen. Aus einem seiner Briefe wissen wir, dass er um 1160 an einer Übertragung der Viten ins Lateinische arbeitete. Ob er seine Arbeiten beenden konnte, ist unklar. Sicher hingegen scheint zu sein, dass seine Übersetzung von Autoren des 13. und 14. Jhs. verwendet wurde, wenn auch bis heute keine Hs. dieser Übertragung gefunden werden konnte (Thomas Ricklin, Vorsokratiker im lateinischen Mittelalter II: Thales von Milet im lateinischen Diogenes Laertios von Henricus Aristippus bis zur lateinischen editio princeps [1472/1475], in: The Presocratics from the Latin Middle Ages to Hermann Diels, hrsg. von Oliver Primavesi / Katharina Luchner, Stuttgart 2011, S. 111–156; Rita Copeland, Behind the Lives of Philosophers. Reading Dioegenes Laertios in the Western Middle Ages, in: Interfaces 3 [2016], S. 245–263, hier S. 250–252). – (47ra–48va) Vorrede; (48va–49va) Thales (zu Thales, wohl um 624/23 v. Chr.–zwischen 548 und 544 v. Chr.) ; (49va–50vb) Solon (zu Solon, wohl um 640 v. Chr.–wohl um 560 v. Chr.) ; (50vb–51rb) Chilon von Sparta (zu Chilon, wohl um 556/555 v. Chr.) ; (51rb–51vb) Pittakos (zu Pittakos, 651/650 v. Chr.–um 570 v. Chr.) ; (51vb–52ra) Bias von Priene (zu Bias, um 590 v. Chr.–um 530 v. Chr.) ; (52ra–52va) Kleobulos (zu Kleobulos, 6. Jh. v. Chr.) ; (52va–52vb) Periander (zu Periander, † 583 v. Chr.) ; (52vb–53va) Anacharsis (zu Anacharsis, um 600 v. Chr.) ; (53va) Myson (zu Myson, 7./6. Jh. v. Chr.) ; (53va–54ra) Epimenides (zu Epimenides, 7./6./5. Jh. v. Chr.) ; (54ra) Pherekydes von Syros (zu Pherekydes, * zwischen 584 und 581 v. Chr.) ; (54ra–54rb) Anaximander (zu Anaximander, um 610 v. Chr.–nach 547 v. Chr.) ; (54rb) Anaximenes (zu Anaximenes, um 585 v. Chr.–zwischen 528 und 524 v. Chr.) ; (54rb–55ra) Anaxagoras (zu Anaxagoras, um 499 v. Chr.–428 v. Chr.) ; (55ra–55rb) Archelaos (zu Archelaos, 5. Jh. v. Chr.) ; (55rb–57ra) Sokrates (zu Sokrates, 469 v. Chr.–399 v. Chr.) ; (57ra–57rb) Xenophon (zu Xenophon, zwischen 430 und 425 v. Chr.–um 354 v. Chr.) ; (57rb–57vb) Aischines von Sphettos (zu Aischines, * wohl zwischen 430 v. Chr. und 420 v. Chr.–nach 357/356 v. Chr.) ; (57vb–58ra) Polemon von Athen (zu Polemon, um 350 v. Chr.–wohl 270/269 v. Chr.) ; (58ra–58rb) Krates von Theben (zu Krates, wohl um 365 v. Chr.–wohl um 285 v. Chr.) ; (58rb) Krantor von Soloi (zu Krantor, † 276 oder 275 v. Chr.) ; (58rb–58vb) Arkesilaos (zu Arkesilaos, um 315 v. Chr.–241/240 v. Chr.).
- Incipit
- 47ra [P]hylosophye negotium quidam aiunt a barbaris incepisse …
- Explicit
- 58vb …decessit autem ut ait Ermippus imbutus multo… [Text bricht ab].
3) 59ra–62rb
- Verfasser
- Aldobrandinus de Tuscanella (GND-Nr.: 102517827).
- Titel
- Summula exemplorum.
- Angaben zum Text
- Weitere Hss., allerdings mit abweichendem Initium, nennt Kaeppeli, Scriptores OP 1, S. 46, Nr. 141 (ohne Erwähnung des Palatinus).
- Rubrik
- 59ra ›De mundi saluatore‹.
- Incipit
- 59ra [J]hesus Christus filius dei in Bethleem Iude natus est, sicut testantur euangeliste Lucas et Matheus …
- Explicit
- 62rb …et ossa dicti mortui ibi reperta sepulture tradiderunt.
4) 62va–65rb
- Titel
- Liste römischer Kaiser und Päpste.
- Angaben zum Text
- In der Aufreihung werden neben den Kaisern auch Könige des Heiligen Römischen Reichs genannt, freilich mit non fuit coronatus bezeichnet, wobei auch der vom Gegenpapst gekrönte Ludwig der Bayer als nicht gekrönt bezeichnet wird, was auf eine eher guelfenfreundliche Gesinnung des Verfassers der ursprünglichen Liste hindeuten könnte. Als letzter Herrscher figuriert Wenzel, mit der falschen Jahreszahl seiner Krönung 1395. Die Päpste reichen bis zu Gregor XI., der von 1370 bis 1378 den Stuhl Petri innehatte, weshalb davon auszugehen ist, dass die Liste zwischen der Krönung Wenzels im Sommer 1376 und dem Ableben Gregors XI. entstanden sein dürfte und späterhin vom Schreiber dieser Zeilen kopiert wurde. Eine Niederschrift vor 1400 anzunehmen, scheint aufgrund der verwendeten humanistischen Schrift ausgeschlossen.
- Rubrik
- 62v ›Jmperatores Romani‹.
- Incipit
- 62va Julius Cesar imperauit annis V …
- Explicit
- 65rb … 113. Vicislaus predicti Karoli filius imperabat ne [?] 1395 [!].
- Bearbeitet von
- Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2012.
Zitierempfehlung:
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 831. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2012.
- Katalogisierungsrichtlinien
- Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.