Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 835

Usuard, Martyrologium

Papier · 2, 82, 2 Bll. · 30,2–30,5 × 21–21,5 cm · Florenz (?) · 1426


Schlagwörter (GND)
Martyrologium / Verzeichnis / Märtyrer / Heilige.
Entstehungsort
Florenz (?).
Entstehungszeit
1426.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier (2a, 81* Pergament).
Umfang
2, 82, 2 Bll.
Format (Blattgröße)
30,2–30,5 × 21–21,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + V9 + VI21 + 6 V80* + 181* + (I-1)82*. Zählfehler: Ungez. Bl. nach 8 und 23. Vorderspiegel Gegenbl. von 1, Hinterspiegel Gegenbl. von 82*.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Römische Foliierung des 17. Jhs. (1–79). Bei ungez. Blättern folgt die Zählung dem Digitalisat (1a–2a, 8a, 23a, 80*–82*). Mitunter reich verzierte Reklamanten ab 21v auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg mittig.
Zustand
Stockfleckig, Papier verschmutzt, Schriftraum gebräunt, Tinte schlägt durch, teilweise Tintenfraß, auch mit Schriftverlust.
Wasserzeichen
Einhorn, Kopf ohne Beizeichen und Mähne, Horn glatt, in acht Varianten, Bll. 2, 3, 5, 9, 67, vergleichbar WZIS DE0960-Mm81_240 (Magdeburg?, 1. Viertel 15. Jh.), Bl. 7, vergleichbar DE0960-Mm81_240 (Magdeburg?, 1. Viertel 15. Jh.), Bll. 22, 77, vergleichbar DE4620-PO-124876 (Marienburg, 1430), Bll. 23, 23a, 24, 25, 78, ähnlich DE4620-PO-124876 (Marienburg, 1430), Bll. 33, 34, 39, 40, 46, 47, 50, 53, vergleichbar DE0960-Mm81_240 (Magdeburg?, 1. Viertel 15. Jh.), Bll. 36, 48, 49, 51, 52, 55, 57, vergleichbar DE0960-Mm81_240 (Magdeburg?, 1. Viertel 15. Jh.), Bll. 62, 63, 65, 70, vergleichbar DE8730-PO-124821 (Wesel, 1417), Bll. 71, 79, vergleichbar DE8730-PO-124821 (Wesel, 1417). Bock (Ziege), halbe Figur, Hörner gezackt und gerade/gebogen, in zwei Varianten, Bll. 11, 12, 14, vergleichbar DE5025-tl134_41, Bll. 13, 21, vergleichbar DE5025-tl134_41. Hirsch, Geweih zweikonturig, um 90° gedreht, nach oben ausgerichtet, Bl. 76, vergleichbar DE5580-2Incca880_r2 (Augsburg, 1479).

Schriftraum
17–18,5 × 11,4–13 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte (5v–7v: 4 Spalten).
Zeilenanzahl
32 Zeilen (5v–7v: 58–60 Zeilen).
Angaben zu Schrift / Schreibern
Die Schrift, die der Schreiber Ilario de Faveario (s. Kolophon auf 79r) verwendete, bewegt sich zwischen der italienischen Rotunda und der humanistischen Minuskel. Die Majuskelbuchstaben sind der Unziale und der Capitalis entlehnt, meist findet das d aus der Halbunziale Verwendung, ebenso wie Serifen, andererseits sind die Buchstaben teilweise noch gebrochen.
Buchgestaltung
Zeilengerüst mit Metallstift vorgezogen. Die Einträge beginnen mit dem rubrizierten Datum gemäß der römischen Datierung, es folgen das Mondalter des Tages in schwarzer Tinte, diesen Zahlen zugeordnet die rubrizierten Litterae martyrologii von a bis t, schließlich der Text zum Tagesheiligen, eingeleitet mit einer roten Lombarde (auf 1v auch in Blau) über zwei Zeilen.
Buchschmuck
s. Buchgestaltung. Auf 50v Federzeichnung, mit Akanthusblättern gerahmter Reklamant, darunter auf vegetabilen Motiven ruhend ein Hase.

Nachträge und Benutzungsspuren
Korrekturen von zeitgenössischer Hand, die noch stärker der Rotunda verbunden ist. Nachtrag auf 16v: Mo iiilxxxvi obijt frater Symon prior sancti Gregorij. Auf den Rändern ausgeworfene Schlagwörter sowie Anmerkungen von Hand des Giannozzo Manetti (s. Geschichte der Handschrift). Das Register auf 5v–7v wohl von weiterer Hand in humanistischer Kursive nachgetragen (oder von Manetti in jüngeren Jahren?).

Einband
Grünes Pergament über Pappe, Löcher für Schließbänder noch vorhanden. Auf dem Vorderdeckel Wappen Papst Urban VIII., auf dem Hinterdeckel Wappen des Kardinalbibliothekars Francesco Barberini (1597–1679). In Rom zwischen 1626 und 1633 gefertigt. Rücken neu, oben blaues aufgeklebtes Signaturschild der Vaticana mit Pal. lat. 835, darunter goldgeprägtes Wappen von Pius IX., darunter schwarzes Signaturschild mit PAL. 835 in Gold, darunter goldgeprägtes Wappen des Kardinals und Bibliothekars Angelo Mai (1782–1854) , gefertigt in Rom zwischen 1853 und 1854 (vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 852). Kapital mit hellblau-kupferfarbenen Fäden umwickelt.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Auf 79r erfahren wir, dass der Codex von einem gewissen Yllarium de Faueario im Jahr 1426 vollendet wurde. Ein mögliches weiteres Indiz für die Bestimmung des Entstehungskontexts könnte der Eintrag zu den 6. Iden des Oktobers auf 64v bieten: Item anniuersarium domini Bonifilij sacerdotis benefactoris nostri. Ea die conueniunt omnia consorcia sacerdotum ciuitatis. Eine Passage in den Benutzungsanweisungen auf 1v, hoc martyrologium subscriptum quod fratres predicatores pre alijs ellegerunt, weist darauf hin, dass dieses Martyrologium wohl für den Gebrauch in einem Dominikanerkloster kopiert wurde. Auf eine Klostersignatur könnte zudem das f 1 auf 81*v hindeuten. Dass die Hs. tatsächlich in einem Kloster lag, beweist der italienische Besitzvermerk auf 80*v: Martirilogio da preti e da frati e da monacj e da conuersi et dale loro monache [es folgen zwei durchgestrichene, nicht entzifferbare Wörter]. Das einzige Doppelkloster in Florenz – wo die Hs. später aufbewahrt werden sollte – war das Brigittenkloster Santa Brigida al Paradiso (Sabine Plakolm-Forsthuber, Florentiner Frauenklöster. Von der Renaissance bis zur Gegenreformation, Petersberg 2009, S. 24). Rasuren auf 2ar, 2av, 81*r und 81*v könnten weitere Anhaltspunkte für mögliche Vorbesitzer vernichtet haben. Das Martyrologium bricht, kaum begonnen, auf 5r ab, worauf ein nichil deficit nachgetragen wurde und weiter unten: hec fuerunt quedam preambula, illud quod sequitur in sequenti quinterno est martirologium. Auf den folgenden, ursprünglich leeren Blättern wurde schließlich in einer Humanistenkursive ein Register nachgetragen. Dies dürfte von oder zumindest auf Betreiben des Florentiner Humanisten und Diplomaten Giannozzo Manetti (1396–1459) geschehen sein, dem die Hs. schließlich gehörte, wie die Signatur auf 2av 41. und der darunter befindliche Eintrag belegen: Janoçij de Manettis und Martyrologium. Wie bei manchen anderen seiner Hss. auch vermerkte er die Blattzahl carte 79. Offenbar verwendete er den Palatinus für seine Apologie des Christentums, Adversus Iudaeos et gentes, die er in den Jahren 1448–1458 verfasste (vgl. Marsh, Manetti, S. 128–138). In einer anderen seiner Schriften preist er die Bibliothek des Florentiner Dominikanerklosters San Marco (ebenda, S. 38f.), was vielleicht noch einen Anknüpfungspunkt für die Entstehungsgeschichte geben könnte. In der Mitte des 16. Jhs. dürfte die Hs. mit weiteren von Ulrich Fugger (1526–1584) erworben worden sein, der mit seiner Büchersammlung nach Heidelberg migrierte. Nach seinem Tod ging diese auf testamentarischen Wunsch auf den Pfälzer Kurfürsten über und damit in die Bibliotheca Palatina ein. Von der Überführung nach Rom künden auf 2ar die Capsa-Nummer C. 44, darunter die Allacci-Signatur 1544. Weitere Altsignaturen finden sich auf 2ar: 410, 586 [beide durchgestrichen], auf dem Vorderspiegel zudem blaues Schildchen der Vaticana mit der aktuellen Signatur, diese wiederholt auf 1r.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_835
Literatur
Artur Biedl, Das grosse Exzerpt Φ. Zur Textgeschichte des Laertios Diogenes, Vatikanstadt 1955 (Studi e testi 184), S. 80; Cagni, Manetti, S. 17 A. 12, 37; Die theologischen Handschriften der Hessischen Landesbibliothek Fulda bis zum Jahr 1600. Codices Bonifatiani 1–3, Aa 1–145a, beschrieben von Regina Hausmann, Wiesbaden 1992, S. 203; Ehrensberger, Libri liturgici, S. 183f., Nr. 34; Gianfranco Fioravanti, L’apologetica anti-giudaica di Giannozzo Manetti, in: Rinascimento. Rivista dell’Istituto di studi sul Rinascimento 23 (1983), S. 3–32, hier S. 16; Alison Knowles Frazier, Possible Lives. Authors and Saints in Renaissance Italy, New York 2005, S. 43, 77 A. 108; Lehmann, Fuggerbibliotheken 2, S. 120, 488; David Marsh, Giannozzo Manetti: The life of a Florentine humanist, Cambridge (M.A.), S. 136, 250; Montuschi, Le biblioteche, S. 314; Eef A. Overgaauw, Martyrologes manuscrits des anciens diocèses d’Utrecht et de Liège. Étude sur le développement et la diffusion du Martyrologe d’Usuard, Bd. 1, Hilversum 1993, S. 315; OVL, Pal.lat.835; Schunke, Einbände 2.2, S. 852; Stevenson, Latini, S. 294.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–1v Digitalisat

Titel
Benutzungsanweisungen für das Martyrologium.
Rubrik
1r ›De arte inueniendi qualiter pronuncianda luna qualibet die secundum numerum subpositum singulis litteris in martirologio et nisi singulis annis mutatur. Rubrica‹.
Incipit
1r [S]ciendum est quod quelibet littera alphabeti …
Weiteres Initium
1r Notandum quod licet multi dederint operam.
Explicit
1v … et hoc martyrologium subscriptum quod fratres predicatores pre alijs ellegerunt.

2) 1v–2r Digitalisat

Beteiligte Personen
Chromatius (GND-Nr.: 118888188) / Heliodorus von Altino (GND-Nr.: 119133040) / Sophronius Eusebius Hieronymus (GND-Nr.: 118550853).
Titel
Fiktiver Briefwechsel des Chromatius und Heliodorus mit Hieronymus.
Rubrik
1v ›Epistola Cromatij et Eliodori episcoporum ad Ieronimum talis est‹.
Incipit
1v Domino sancto fratri Hieronimo Chromatius et Helidorus episcopi in domino salutem. Cum religiosissimus Augustus Theodosius
Weiteres Initium
1v Cromatio et Heliodoro sanctis episcopis.
Explicit
2r … in celesti gloria fecit esse sublimes.
Edition
AA SS November 2.2, S. 1f.

3) 2r–79r Digitalisat

Verfasser
Usuard (GND-Nr.: 118775359).
Titel
Martyrologium.
Angaben zum Text
Zwischen ca. 850 und 877 entstandenes, im Mittelalter weit verbreitetes und in die Neuzeit einflussreiches kalendarisch geordnetes Verzeichnis von Heiligen aus der Feder des Usuard (†877), Mönch von Saint-Germain-des-Prés (vgl. Jacques Dubois, Art. Martyrologium, -gien, in: LMA 6, S. 358f. und die Einleitung der unten angeführten Edition). – (2r–2v) Praefatio; (2v–3r) Prologus; (3v–5r) Martyrologium, vom 1. Januar ab, endend am 7. Januar; (5v–7v) Heiligenregister; (8r–9v) leeres Zeilengerüst; (10r–79r) Fortsetzung des Martyrologium, vom 7. Januar ab.
Rubrik
2r ›Incipit prephatio [expungiert: et cetera] Vsuardi ad Karolum regem‹.
Incipit
2r Domino regum pijssime Karolo Augusto Usuardus
Weiteres Initium
2v Festivitates sanctorum apostolorum seu martyrum antiqui patres ; 3r Liber iste qui martyrologium dicitur ; 3r Apud Antiochiam passio sancti Isidori episcopi.
Explicit
79r …ad cuius tumbam miracula creberrime fiunt, et aliorum plurimorum sanctorum, martirum, confessorum atque uirginum.Explicit martyrologium, scriptum per me Yllarium de Faueario, M.CCCC. vigesimo sexto die [durchgestrichen: p] secundo mensis Ianuarij. Amen. Deo gracias‹.
Edition
Le martyrologe d’Usuard. Texte et commentaire, hrsg. von Jacques Dubois, Brüssel 1965 (Subsidia hagiographica 40), S. 144–364.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2012.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 835. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2012.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.