Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 836

Ludolf von Sachsen, Vita Christi, pars prima

Pergament · 1, 226, 1 Bll. · 29,6 × 21 cm · Köln · 1416/1425


Schlagwörter (GND)
Theologie / Erbauungsliteratur / Evangelienharmonie / Vita / Jesus Christus.
Entstehungsort
Köln.
Entstehungszeit
1416/1425.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
1, 226, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
29,6 × 21 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 11 + 22 V221 + (III-1)226 + (I-1)227*. Vorderspiegel Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 227*. Bl. entfernt hinter 226.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Foliierung unten rechts gestempelt, nach der sich auch die Digitalisate richten. Zählung ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 227*). Zu Anfang Lagenfoliierung (1–5, schließlich mit Buchstabe und Ziffer, aii, aiiii, a5 noch erkennbar), wohl größtenteils verloren gegangen oder gar nicht immer ausgeführt, denn auffallend oft sind nur die Anfänge erkennbar, wahrscheinlich zählte man zeitweise nur die Lagen (di, ej, fj usw.). Zu Beginn Reklamanten auf der letzten Versoseite der Lage auf dem Fußsteg rechts (fehlen ab 41v).
Zustand
Bindung teilweise etwas lose. Manche Bll. gebräunt. Einige Löcher, Risse und Flecken. Schrift scheint meist durch. 1 und 226 wohl ehemalige Spiegelbll., da Klebespuren noch vorhanden.

Schriftraum
20 × 15 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
35-42 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Gut lesbare Bastarda von gleichmäßig schreibender, geübter Hand, mit einer Tendenz zur schleifenlosen Bastarda. Wohl dieselbe Hand, die auch Pal. lat. 416, Pal. lat. 838 und Pal. lat. 839 ausführte.
Buchgestaltung
Schriftraum mit Tinte vorgezogen. Kapitelnummer in roter lateinischer Ziffer als lebender Seitentitel auf der Versoseite. Kapitel mit alternierend blauer oder roter Lombarde über meist drei Zeilen eingeleitet, mit Fleuronné in Gegenfarbe, wobei hier statt Blau Violett verwendet wurde, Rubriken, alternierend blaue und rote Paragrafenzeichen zur Kennzeichnung bestimmter Sinnabschnitte, Satzanfänge mit roter Strichelung hervorgehoben, rote Unter- und Durchstreichungen. Zahlreiche Korrekturen auf Rasur.
Buchschmuck
Auf 3v große Fleuronnéinitiale: Blauer Buchstabenkörper in Form einer Lombarde, mit goldenen, vegetabilen Aussparungen, Knospenfleuronné in Blau, Rot und Violett im Binnenfeld, teilweise auch im Besatz, hier übergehend in Perlen, bis auf den unteren Rand ablaufende Fleuronnéleisten. Auf 10r vergleichbare Initiale, insgesamt weniger prachtvoll und Fleuronné mit relativ komplexen Blattformen im Binnenfeld. 56v Lombarde in Gold, 162r Cadelle.

Nachträge und Benutzungsspuren
Einige grafische Verweiszeichen, auch in Blau und Rot. Auf 132va: sic faciunt heretici, und 132vb: monomachia est singularis / pugna eyn kampf, ansonsten kaum Anmerkungen, von wohl unterschiedlichen Händen.

Einband
Pappe mit grünem Pergament überzogen, auf Vorderdeckel im Zentrum goldgeprägter Plattenstempel mit dem Wappen Papst Urbans VIII., auf Hinterdeckel im Zentrum gestempeltes Wappen des Kardinals und Bibliothekars Francesco Barberini (1597–1679) in Gold. Gefertigt in Rom zwischen 1626 und 1633. Kapital mit hellblau-kupferfarbenen Schnüren umwickelt. Rücken weißes Pergament mit blauem Papierschildchen und schwarzem goldgeprägten Schildchen mit aktueller Signatur, darunter Wappenstempel Papst Pius IX. und des Kardinals und Bibliothekars Angelo Mai (1782–1854), 1853/54 in Rom gefertigt (Schunke, Einbände 2.2, S. 852).
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Altsignatur auf 1r: 2001. Auf 1v Eintrag: prima pars, anspielend darauf, dass es sich hier um den ersten Teil des vierbändigen Werks zur Vita Christi handelt (die nachfolgenden Teile bilden Pal. lat. 838, Pal. lat. 839 und Pal. lat. 416 – letzter Band geriet wohl 1623 unter die theologischen Hss.). Die Hs. gehörte ursprünglich dem Haus der Fraterherren von Weidenbach in Köln, wie der Eintrag auf 1v nahelegt: liber domus Presbiterorum czo Wydenbach jn Colonia. Das Bruderhaus war ab 1416 entstanden (Klemens Löffler, Das Fraterhaus Weidenbach in Köln, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 102 [1918], S. 99–128, hier S. 104), und sah die Herstellung von Büchern als zentrale Aufgabe seines Wirkens an (S. 116–120), weshalb angenommen werden kann, dass der Codex auch hier entstand. Sicher ist, dass er nur wenig später von Winand von Steeg für Kurfürst Ludwig III. erworben wurde, wie wir auf 2ra erfahren: Anno domini Mo ccccxxv ipsa [die] Felicis et Naboris venerabilis doctor Wynandus de Stega, pastor Bacheracensis, has quattuor partes que sunt de vita domini nostri Ihesu Christi ex euangelio tradita, emit a nobis Presbiteriis in Wydenbach prope sanctum Panthaleonem in Colonia nomine illustris principis et domini domini Ludowicis Comitis Palatini Reni et cetera Sacri Romani et cetera ac ducis Bauarie pro octuaginta florenis principum electorum boni auri et justi ponderis, quos si non persoluerit cum graciarum actione sub sua fide, premissos libros ad Coloniam reducet in proximo suo aduentu (s. dazu Wetzstein, Wiederbelebung, S. 36). Winand von Steeg wurde als Winand Ort 1371 in Steeg bei Bacharach geboren, studierte und lehrte an den Universitäten von Heidelberg und Würzburg, worauf verschiedene weitere Stationen folgten, ehe er ab 1417 vermehrt im Umkreis Ludwigs III. zu finden ist. Dieser war auch nicht unbeteiligt bei der Besetzung der Pfarrei Bacharach durch das Kölner Andreasstift 1421, als Winand diese Großpfarrei erhielt, der zuvor Kanoniker in besagtem Stift gewesen war (vgl. Schmidt / Heimpel, Winand, S. 9–21). Aus dieser Zeit könnte der Kontakt zu den Weidenbacher Fraterherren stammen. Winand, der selbst eine ansehnliche Bibliothek angesammelt hatte und als Gelehrter große Wertschätzung genoss, kannte die Kölner Bibliotheken offenbar sehr genau (Aloys Schmidt, Nikolaus von Kues Sekretär des Kardinals Giordano Orsini?, in: Aus Mittelalter und Neuzeit. Gerhard Kallen zum 70. Geburtstag dargebracht von Kollegen, Freunden u. Schülern, hrsg. von Josef Engel, Bonn 1957, S. 137–143). Auch persönliche Verbindungen zu den Fraterherren scheinen in den Quellen auf. Aloys Schmidt erwähnt Aufenthalte bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben in Holland, Brabant und der Grafschaft Luxemburg, weshalb er mutmaßt, dass Winand deren Schüler gewesen sein könnte (Schmidt / Heimpel, Winand, S. 10). Im Nekrolog des Kölner Hauses wird zudem ein Tylmannus de Wesalia genannt, der 1428 verstarb (s. Klemens Löffler, Das Gedächtnisbuch des Kölner Fraterhauses Weidenbach, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 103 [1919], S. 1–47, hier S. 12). Wesel, das heutige Oberwesel, liegt nur wenig nördlich von Bacharach. Auffallend ist auf demselben Bl. auch die Erwähnung des Werner von Oberwesel, der 1287 tot aufgefunden wurde und um dessen Ableben eine antijüdische Ritualmordlegende und eine Märtyrerkult entstand, um dessen Aufleben sich Winand bemühte. Darüber hinaus versuchte er im Wirkverbund mit Kurfürst Ludwig III. Werners Kanonisation zu erreichen. Dieselbe Hand, die auch den Kaufeintrag niederschrieb, vermerkte in der Spalte daneben (auf 2rb): Versus de fabrica sancti Wernheri Bacheracensis habentur in libro sancti Panthaleonis: Trifolium, speciem gerens ymaginis alme. / Hoc templum, domino trino dotatur et vni, / Et tibi Christifere, Christo, vtrocumque Johanni, / Cum superis ciuibus, ut Panthon parcere nobis. / Sed que defensoris nomen tenet omnibus horum, / Hoc faciet princeps, gladius cui portitur, anceps, / Et dubitet minime facto regnet sine fine (in AA SS Apr. 2, S. 700B ediert als Epitaph am Grab des Werner, s. dazu Wetzstein, Ad informationem, S. 110f.). Offenbar wussten die Fraterherren in Weidenbach, zumindest jener, der den Eintrag schrieb und gewissermaßen als Agent Winands anzusehen ist, von dessen Bemühungen um die Heiligsprechung des Werner von Oberwesel (s. dazu die Beschreibung von Pal. lat. 858), die erst ein Jahr später in den Quellen richtig fassbar wird (vgl. Wetzstein, Wiederbelebung, S. 42f.). Lange blieb die Hs. offenbar nicht in kurfürstlichem Besitz, denn mit der Bücherschenkung Ludwigs III. von 1421/1436/1438 gelangte sie in die Heiliggeistkirche. Dass sie auch tatsächlich der Universität übergeben worden war, zeigt der Eintrag auf 1v, der den Besitzeintrag des Bruderhauses kommentiert: olim jam aut vniversitatis Heydelbergensis. Im Katalog der Heidelberger universitären Büchersammlungen von 1466 ist für das dritte Pult der Bibliothek des Heiliggeiststifts eine prima pars de vita Christa, in pergameno aufgeführt (Heidelberg, UB, Heid. Hs. 47a, 98v). 1623 schließlich wurde sie nach Rom überführt, wie die Capsa-Nummer C. 93 und die darunter befindliche Allacci-Signatur 1720 auf 1r beweisen.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_836
Literatur
Christ, Werner, S. 5 A. 7, 16 A. 4; Hanselmann, Bücherschenkung, S. 101f., S. 122; Montuschi, Le biblioteche, S. 314; OVL, Pal.lat.836; Schmidt / Heimpel, Winand, S. 27 A. 154; Schunke, Einbände 2.2, S. 852; Stevenson, Latini, S. 294; Thomas Wetzstein, Vom „Volksheiligen“ zum „Fürstenheiligen“. Die Wiederbelebung des Wernerkults im 15. Jahrhundert, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte 51 (1999), S. 11–68, hier S. 36f.; Thomas Wetzstein, „Ad informationem apostolicae sedis“. Die Verehrung des Werner von Oberwesel und die Kultuntersuchung von 1426, in: Wege zum Heil. Pilger und heilige Orte an Mosel und Rhein, hrsg. von Thomas Frank / Michael Matheus / Sabine Reichert, Stuttgart 2009 (Geschichtliche Landeskunde 67), S. 97–134, hier S. 110 A. 42.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 3va–224ra Digitalisat

Verfasser
Ludolf von Sachsen (GND-Nr.: 118817736).
Titel
Vita Christi, pars prima.
Angaben zum Text
Erster Teil der auch unter ‚Vita Jesu Christi e quatuor evangeliis et scriptoribus orthodoxis concinnata‘ und ähnlichen Titeln bekannten Evangelienharmonie des Ludolf von Sachsen (um 1300–1377/78), zwischen 1348 und 1368 in Mainz und Straßburg verfasst (vgl. Malm, Ludolf); zweiter bis vierter Teil in Pal. lat. 838, Pal. lat. 839 und Pal. lat. 416.
(3va–223va) Prolog-Kapitel 40; (223va–224ra) Inhaltsverzeichnis.
1v Besitzeintrag.
2r–3r leeres Zeilengerüst (auf 2r Kaufeintrag und die Versus de fabrica sancti Wernheri).
Rubrik
3va ›Incipit prologus in librum de vita Ihesu Christi in ewangelio tradita‹.
Incipit
3va ›Fundamentum aliudnemo potest ponere, ut ait Apostolus, preter id quod positum est, quod est Christus Jhesus
Explicit
223va … ut in te firmatus, nullis a te separer temptacionibus. Amen.Finit prima pars de vita domini nostri Ihesu Christi.
Edition
Vita Jesu Christi, S. 1–191.


Bearbeitet von
Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2016.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 836. Beschreibung von: Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2016.


Katalogisierungsrichtlinien
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Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.