Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 9

Biblia: Testamentum vetus et Psalterium

Pergament, Papier · 1, 231, 1 Bll. · 30,7–31,0 × 22,1–22,5 cm · Riga (?) · 1345


Schlagwörter (GND)
Bibel, Altes Testament / Bibel, Psalter.
Entstehungsort
Riga (?).
Entstehungszeit
1345 . Handschrift datiert, s. Kolophon, 224v.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament, Papier (Vor- und Nachsatzbl.).
Umfang
1, 231, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
30,7–31,0 × 22,1–22,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Codex unvollständig. I2a (Bl. 1a ist der abgelöste Spiegel) + 5 VI58 (mit zwei ungezählten Bll.) + V67 (mit einem ungez. Bl.) + IV75 + VI87 + IV95 + 3 VI131 + (VIII-1)146 + VI158 + VII172 + V182 + 3 VI217 (mit einem ungez. Bl.) + V227 + I229* (Bl. 229* ist der abgelöste Spiegel). Zwischen Bl. 206 und 207 fehlen Bll., möglicherweise eine (?) ganze Lage, wie am Textverlust deutlich wird (so fehlen der Schluss des Buchs Judit, die Bücher Ester und Hiob sowie die Psalmen 1 bis 40,1–3).
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Eine zeitgenössische Foliierung (·1·-·97·), bricht 95r ab. Fehlerhafte römische Foliierung des 17. Jhs. (1–227), nach Bl. 34, 56, 64 und 212 folgt je ein ungezähltes Bl. Die ersten und die letzten beiden Bll. inklusive des Vor- und Nachsatzbls. sind nicht gezählt, daher wird bei der Beschreibung die Zählung der Digitalisate übernommen; ebenso werden die wegen der Zählfehler ungezählten Bll. nach den Angaben des Digitalisats gezählt. Lagenreklamanten auf der jeweils letzten Seite der Lage (bis einschließlich 87v); Lagenzählung auf der jeweils ersten Seite der Lage (.iij.-.xi.), bricht ab mit 96r. Ursprünglich wohl auch Korrekturvermerke auf der jeweils letzten Seite der Lagen, worauf der Vermerk 58v hindeutet; zum überwiegenden Teil wohl durch Beschnitt verderbt .
Zustand
Pergament mit Beschädigungen: Fehlstellen, Löcher und kleinere Risse, zum Teil ausgebessert; Ränder bestoßen, Moderschäden und Ausbrüche durch den Feuchtigkeitsschaden. Feuchtigkeitsschäden, Pergament zum Teil leicht wellig. Tinte stellenweise leicht berieben und verblasst, gelegentlich minimal verwaschen. Die ersten Bll. weisen in den vier Ecken und auf der Bl.-Mitte Löcher und / oder Rostflecken (bis Bl. 4 bzw. 5) auf, entstanden durch die Beschläge des alten vorrömischen Einbands. Vgl. dazu auch den Codex Pal. lat. 11, der entsprechende Spuren am Ende des Buchblocks zeigt. Vielleicht waren die beiden Hss. ursprünglich in einem Band gebunden; dafür würde sprechen, dass bei Pal. lat. 9 nur die ersten Bll., bei Pal. lat. 11 hingegen die letzten Bll. die genannten Rostflecken aufweisen.
Wasserzeichen
(Vorsatzbll.?; Papier identisch mit dem aus Pal. lat. 10).

Schriftraum
21,5–22,2 × 13,7–15,3 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten (Bibeltext und Merkverse); 3 Spalten (Inhalt und Übersicht der Lesungen).
Zeilenanzahl
26–50 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Von wohl drei Haupthänden: Hand 1 1va–35vb, 68ra–95vb, Hand 2 36ra–67vb, Hand 3 96ra–222va; bei zweien handelt es sich vermutlich um dieselben Hände wie bei Pal. lat. 11. Die Foliierung stammt wohl von demselben Schreiber, der auch das Capitulare geschrieben hat, vergleicht man die arabischen Ziffern. Vereinzelt Korrekturen und Ergänzungen wohl von einer weiteren zeitgenössischen Hand (?), wohl dieselbe Hand, die auch die Anweisungen für den Rubrikator schrieb.
Buchgestaltung
Incipits und Explicits in roter Tinte; Anfänge der Bücher durch große alternierend blaue und rote Initialen eingeleitet, deren Fleuronné zum Teil über die gesamte Höhe der Spalte reicht, zum Teil mit durchbrochenen Schäften und Nodus- bzw. Halbnodusverzierungen in unterschiedlicher Größe; am Beginn der Kapitel innerhalb Bücher kleinere abwechselnd rote und blaue Unzialis-Buchstaben mit Fleuronné-Verzierungen in unterschiedlicher Größe; innerhalb der Kapitel Satzmajuskeln mit üblichen Rubrizierungen. Seitentitel in roter und blauer Tinte, teilweise beschnitten, zum Teil nicht kongruent zum Text. Kapitelzählung in die Absätze der Spalten integriert, Zahlzeichen(-gruppen) rot und blau alternierend; innerhalb der Kapitel eine weitere Untergliederung durch rote Minuskelbuchstaben kenntlich gemacht (alphabetische „Vers“zählung). Zeilengerüst in feinen (Blei-?)Linien, Kopf- und Fußzeile sowie Randleiste. Vorgaben für den Rubrikator auf den Rändern großteils erhalten.

Nachträge und Benutzungsspuren
Streichungen, Korrekturen, Verbesserungen und Ergänzungen, von der Schreiberhand und einer (?) weiteren zeitgenössischen Hand, von der auch die Anweisungen für den Rubrikator (?) stammen. Vereinzelt Manicula.

Einband
Beschädigter römischer Einband: grünes Pergament über Pappe zwischen 1623 und 1626; Wappensupralibros auf Vorder- und Hinterdeckel, Wappen: Papst Urban VIII. (reg. 1623–1644) und Kardinalbibliothekar Scipione Cobelluzzi (amt. 1618–1626); Rücken mit goldgeprägten Bienen. Vgl. Schunke, Einbände 2.2, S. 812.
Provenienz
Riga (?) / Speyer / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Provenienz: Vorderspiegel mit blauem aufgeklebtem Signaturschildchen der BAV: Pal. lat. 9; 1ar mit römischer Signatur: Pal. 9; 2ar Capsa-Nummer: C 63. mit der gestrichenen Allacci-Signatur: 1857 oder 1867 (?), darunter aktuelle Signatur auf Bl.-Mitte: 9., darüber Pal. 1r: Besitzvermerk: Jste liber Domus Spirensis fratrum Ordinis Beate Marie virginis hospitalis Jherosolymitane Domus Theutonicorum concessus Reuerendissimo in Christo patri [oder priori?] ac domino domino A[?, Rest des Namens nicht mehr lesbar] Rygensi Domino suo generosissimo; darunter eine ältere römische Signatur: 8. 1r, 2r, 222v, 224v und 227v Stempel der BAV. Der Besitzeintrag könnte auf eine möglich Entstehung der Hs. in Riga hindeuten, da das Deutschordenshaus in Speyer den Codex von einem Deutschordensbruder aus Riga (Rygensi) erhielt. Ob die Hs. dann ebenso wie Stücke aus der Speyerer Dombibliothek durch Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz in die Palatina gelangte, lässt sich bislang nicht erhärten, wäre aber durchaus denkbar. Zugehörig wohl auch Pal. lat. 11, wie der vergleichbare Aufbau und dieselben beteiligten Schreiberhände mutmaßen lassen.
Besonderheiten
Pal. lat. 9 und Pal. lat. 11 sind offenbar von denselben Schreibern geschrieben worden, wie die Schriftvergleiche zeigen, und waren wohl ursprünglich in einem Band gebunden. Die Abfolge der biblischen Bücher ist lückenhaft und weicht von der üblichen Reihenfolge der Vulgata wie folgt ab: AT: Genesis, Exodus, Levetikus, Numeri, Deuteronomium, Josua, Richter, Rut, Könige I–IV, Chronik I–II, Esra I mit II sowie dem apokryphen Esra III und IV, Tobias, Judit, Psalter.

Faksimile
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_9
Literatur
Gugumus, Erforschung, S. 139; Krämer, Handschriftenerbe, S. 733; Arno Mentzel-Reuters, Arma spiritualia. Bibliotheken, Bücher und Bildung im Deutschen Orden (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 47), Wiesbaden 2003, S. 337 (Hs. erwähnt, mit dem Hinweis auf das ‚Capitulare epistolarum et evangeliorum‘, 225ra–227vb); OVL, Pal.lat.9; Pierre Salmon, Les manuscrits liturgiques latins de la Bibliothèque Vaticane II: Sacramentaires, épistolaires, évangéliaires, graduels, missels (Studi e testi 253), Città del Vaticano 1969, S. 51 (mit weiterer Literatur); Schunke, Einbände 2.2, S. 812; Stevenson, Latini, S. 2.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1va–227vb Digitalisat

Beteiligte Personen
Alexander de Villa Dei (GND-Nr.: 119357755) / Hieronymus (GND-Nr.: 118550853).
Titel
Biblia cum prologis (wenn nicht anders vermerkt, stammen die Prologe von Hieronymus) .
Angaben zum Text
1v Inhaltsübersicht. AT: 2ra–5va Hieronymus: Epistula 53 ad Paulinum (Stegmüller, RB 284) und Prolog zum Pentateuch (Stegmüller, RB 285). (1.1 5va–23vb) Gn. (1.2 23vb–35rb) Ex. (1.3 35rb–46va) Lv. (1.4 46va–62ra) Nm. (1.5 62ra–75vb) Dt. 76ra–b Prolog zum Buch Josua (Stegmüller, RB 311). (2. 76rb–84vb) Ios. (3. 84vb–94rb) Idc. (4. 94rb–95vb) Rt. 96ra–96va Prolog zu den Büchern Könige I–IV (Stegmüller, RB 323) (5.1 96va–110ra) I Sm (= I Rg). (5.2 110ra–121va) II Sm (= II Rg). (5.3 121va–135rb) III Rg (= Liber Malachim). (5.4 135rb–146vb) IV Rg (= Liber Malachim) mit (5.4 146vb) OrMan. 147ra–b Erster Prolog zum ersten Buch der Chronik (Stegmüller, RB 327). 147rb–147vb Zweiter Prolog (Stegmüller, RB 328). (6.1 147vb–159rb) I Par. (6.2 159rb–172vb) II Par. 173ra–b Prolog zum ersten Buch Esra (Stegmüller, RB 330). (7.1 173rb–177ra) I Esr, (7.2 177rb–182vb) direkt angeschlossen II Es als Buch Neemiae; I und II Es in der vorliegenden Redaktion als ein Buch gezählt. (7.3 182vb–189ra) III Es, apokryph; die vorliegende Redaktion zählt das dritte als das zweite Buch. (7.4 189ra–199rb) IV Es, apokryph; die vorliegende Redaktion zählt das vierte als das dritte Buch, mit abweichender Kapitelzählung. 199rb–199va Prolog zum Buch Tobias (Stegmüller, RB 332). (8. 199va–203rb) Tb. 203rb Prolog zum Buch Judith (Stegmüller, RB 335). (9. 203rb–206vb) Idt; unvollständig, es fehlen Idt 12,14–16,31, Bl.-Verlust: so fehlen auch die Bücher Ester und Hiob sowie die Psalmen 1 bis 40,1–3 (setzt man die heutige Abfolge der biblischen Bücher voraus). (10. 206ra–222vb) Ps, nach der Septuaginta; unvollständig, es fehlen Ps 1,1–40,3, Bl.-Verlust. 222va–224vb SUMMARIUM BIBLIAE. Merkverse zur Abfolge und zum Umfang bzw. zur Kapitelfolge der biblischen Bücher (Stegmüller, RB 1175–1182); vgl. Lucie Doležalová, ‚Biblia quasi in saculo [!]: Summarium Biblie‘ and Other Medieval Bible Mnemonics, in: Medium Aevum Quotidianum 56 (2007), S. 5–35 (mit Edition: S. 19–35); Lucie Doležalová, The ‚Summarium Biblicum‘: A Biblical Tool both Popular and Obscure, in: Form and Function in the Late Medieval Bible , hrsg. von Eyal Poleg / Laura Light, Leiden 2013 (Library of the written word 27, The manuscript world 4), S. 163–184. Die noch von Stegmüller angeführte Autorschaft von Alexander de Villa Dei wird mittlerweile angezweifelt. 224vb Kolophon. ¶ ›Explicit biblie concordancia per versus singulorum librorum capitulorum nec non sententiarum quam ego frater indignus ordine Joh. anceps [?] a scripsi / Anno incarnationis dominice ·Mo·ccco·xlvo· Jn die conuersionis sancti Pauli apostoli [25. Januar 1345] et doctoris percipuj. [?]. 225ra–227vb CAPITULARE. Übersicht über die Epistel- und Evangelienlesungen für den Jahreszyklus.
Rubrik
1v ›De continencia huius libri‹. 2r ›Jncipit epistola sancti Jeronimi presbiteri· ad Paulinum presbiterum de omnibus diuine historie libris‹.
Incipit
2r ›FRater Ambrosius tua mihi munuscula perferens
Explicit
227vb … Stabant iuxta crucem. Jo ·x· [!; Io19,25].
Edition
Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hrsg. von Robert Weber / Roger Gryson, Stuttgart 52007, S. 3–706, S. 818–954, S. 1909–1974 (mit den Prologen des Hieronymus); Hieronymus, Epistula 53 ad Paulinum: Migne PL 22, Sp. 325; CSEL 54, S. 442f.


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 9. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.