Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. lat. 1969

Guillaume de Digulleville, Le Pelerinage de Vie humaine

Pergament · 2, 88, 1 Bll. · 29,5–29,8 × 20,7–21,0 cm · Pikardie / Toulouse · um 1375, 1365/1378


Schlagwörter (GND)
Gedicht / Traumvision / Allegorie / Pilgerschaft.
Entstehungsort
Pikardie / Toulouse.
Entstehungszeit
um 1375, 1365/1378.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament.
Umfang
2, 88, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
29,5–29,8 × 20,7–21,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Vorderspiegel + 22* + 11 IV88* + 189* + Hinterspiegel (möglicherweise auch: [I-1]89*). – Vorderspiegel und die beiden ersten fliegenden Bll. der alten römischen Vorsatzlage (Bl. 1*–2*) waren ursprünglich wohl ein Binio, bei dem die beiden vorderen Bll. als Spiegel aufgeklebt waren; sie wurden allerdings bei der Restaurierung 1975 durchgeschnitten, sodass Bl. 1* und 2* heute als Einzelbll. an Fälze angehängt sind und der Vorderspiegel zwar aus den alten Blättern besteht, jedoch separat auf den neuen Holzdeckeleinband geklebt wurde. Für den Hinterspiegel scheint ein vergleichbarer Befund vorzuliegen, nur dass hier wohl ursprünglich ein Unio vorlag, dessen hinteres Bl. als Spiegel diente.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Fehlerhafte zeitgenössische Foliierung (i–lxxix, lxxxx–lxxxxiiii), die Zählung springt von 79 auf 90; zusätzliche römische Foliierung (1–84) und moderne Foliierung (1*–2*, 85*–89*), danach richten sich die Folioangaben der vorliegenden Beschreibung. Regelmäßig Lagenreklamanten in den Spaltenzwischenräumen am unteren Rand der Versoseiten des jeweils letzten Bls. jeder Lage.
Zustand
Der Buchblock hat sich vollständig erhalten. Durch Feuchtigkeitseinfluss sind Miniaturen und Tinte stellenweise leicht verwischt; das Pergament wurde vor allem am Rand leicht wellig und weist Knicke und Falten bzw. Flecken und andere Verschmutzungen auf. Die papierenen römischen Vorsatzbll. (1*–2*, 89*) sind gebräunt und an den Rändern bestoßen und eingerissen. Bei der Restaurierung 1975 durch Walter Schmitt wurde der schadhafte römische Pergamenteinband entfernt und die Hs. neu gebunden und mit einem modernen Holzdeckeleinband mit Lederrücken und Schließen versehen; vereinzelte Fehlstellen der Pergament-Bll. wurden mit Goldschlägerhaut ausgebessert.

Schriftraum
22,4–22,5 × 15,5–15,7 cm.
Spaltenanzahl
2 Spalten.
Zeilenanzahl
45 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Sorgfältig gestaltete Textualis von einer Hand der zweiten Hälfte des 14. Jhs.
Buchgestaltung
Zweispaltige Anordnung des Textes. Die einzelnen Textabschnitte werden von rot-blau alternierenden Lombarden markiert, die in einem Feld in Gegenfarbe stehen. Das jeweilige Binnenfeld zeigt auf Goldgrund Efeu- bzw. Weinblätter; meist laufen die Initialfelder in einer mehrfarbigen Leiste aus, aus der einfache Ranken wachsen. Die Versinitialen sind vor die Zeile gerückt und mit gelber Tupfung versehen. Meist dient ein auf Zeilenmitte gestellter Punkt am Versende als Interpunktionszeichen. Lediglich das Explicit des dritten und das Incipit des vierten Buchs (70vb) sowie der Explicit-Vermerk am Ende des Werks (84vb) sind rot hervorgehoben.
Buchschmuck
Die Hs. enthält 126 prächtige textbezogene Miniaturen in Deckfarbenmalerei mit Blattgoldauflagen sowie mehrfach die Wappen der Auftraggeber bzw. Besitzer (1ra/1rb, 4v/5r, 8v/9r, 12v/13r, 16v/17r, 20v/21r, 24v/25r, 28v/29r, 32v/33r, 36v/37r, 40v/41r, 44v/45r, 48v/49r, 52v/53r, 56v/57r, 60v/61r, 64v/65r, 68v/69r, 72v/73r, 76v/77r, 80v/81r, 84vb); s. auch Bildbeschreibung in heidICON sowie Buchgestaltung. Zwei Skizzen auf den leeren Blättern der Hs. an deren Ende: 86*v Frauenbüste im Profil in Rötel und Metallstift; 87*r Frauengesicht in Frontalansicht umrahmt von Blütenblln. in Metallstift. Vgl. dazu ausführlich Metzger, in: Guillaume de Digulleville 1, S. 282–305; Zimmermann, in: ebd., S. 271–282. S. auch Geschichte der Handschrift.

Nachträge und Benutzungsspuren
Korrekturen, Ergänzungen und Anmerkungen von verschiedenen Händen. Vereinzelt Nota-Zeichen.

Einband
Holzdeckel mit Lederrücken, Schließen aus Metall und Leder, 1975 von Walter Schmitt als Ersatz für den alten römischen Pergamenteinband angefertigt. Schunke, Einbände 2.2, verzeichnet den Band nicht, da er seit 1815/1816 wieder in Heidelberg ist.
Provenienz
Heidelberg / Rom / Paris.
Geschichte der Handschrift
Vorderspiegel mit einer kodikologischen Kurzbeschreibung und einer Inhaltsangabe des Heidelberger Oberbibliothekars Hermann Finke († 1947) und einem Verweis auf die Beschreibung der Hs. in Christ, Handschriften. 1*r mit einer älteren römischen (?) Signatur: 1822 [durchgestrichen, verbessert aus 1882], 1822; 2*r mit der Capsa-Nummer: C. 105 [darüber noch weitere Schriftreste am Bl.-Rand?], zwei älteren Signaturen: 1255 und 1924 sowie der aktuellen Signatur und dem Hinweis auf die Beschreibung bei Wilken, Verzeichnis: Cod. Pal. Lat. (Gallofr.) 1969 (Wilken p. 545). 1r Titel des 16. Jhs. (?): Peregrinatio Vitæ hûmanæ. 1v Stempel der UB Heidelberg; 1r und 84v Stempel der BnF. Die Schreibsprache verweist in die Pikardie (vgl. Guillaume de Digulleville 1, S. 271f., 309f.), die Ausstattung spricht für deren Entstehung im südfranzösischen Toulouse. Die Wappen deuten in ihrer Häufigkeit auf den bzw. die Auftraggeber und / oder Erstbesitzer hin: Allianzwappen Graf Ludwigs I. von Anjou († 1384) und seiner Ehefrau Marie von Châtillon-Blois († 1404). Da die Wappen sekundär eingetragen sind, spricht dies für einen späteren Erwerb des Codex durch das Paar; möglicherweise im Umfeld der Geburt des Thronfolgers Ludwig II. 1377, als Ludwig I. Statthalter im Languedoc mit dessen Hauptstadt Toulouse war. Über Erbgang gelangte die Hs. an Herzog Ludwig III. von Anjou († 1434), der mit Margarethe von Savoyen verheiratet war, die nach einer knapp elfjährigen Witwenschaft Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz heiratete. Da Ludwig von Anjou mit Margarethe keine direkten Nachkommen hatte, gelangte die Hs. vermutlich in den Besitz der Witwe, die sie offenbar 1445 mit nach Heidelberg brachte und ihrem Sohn Philipp dem Aufrichtigen vererbte. Aus der Schlossbibliothek gelangte der Palatinus unter Kurfürst Ottheinrich in die Bibliothek der Heiliggeistkirche. In den wohl anlässlich der Verbringung angelegten Katalogen aufgenommen als Peregrinatio Vitæ humanæ, frantzosisch, auf perment, geschrieben (Pal. lat. 1934, 29v, ebenso in der Abschrift Pal. lat. 1936, 41r; vgl. auch Christ, Handschriften, S. 17), im nach 1581 angefertigten Katalog der Bibliotheca Palatina als Peregrinatio Vitæ humanæ, frantzösische carmina, geschrieben, perment, jn folio, bretter, rot leder, bucklen (Pal. lat. 1931, 49v, vgl. auch Christ, Handschriften, S. 19). 1623 wurde der Band nach Rom gebracht. Im Zusammenhang mit dem Vertrag von Tolentino war Papst Pius VI. 1797 gezwungen, 500 Handschriften mit Bezug zu Frankreich an Napoleon auszuhändigen, worunter auch die ‚Pelerinage‘ war. So kam die Hs. nach Paris in die BnF, von wo aus sie im Oktober 1815 anlässlich des Zweiten Pariser Friedens zusammen mit weiteren Palatina-Hss. wieder nach Heidelberg ausgehändigt wurde, wo sie seither in der Universitätsbibliothek aufbewahrt wird. Vgl. dazu ausführlich Zimmermann, in: Guillaume de Digulleville 1, S. 272–279.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpl1969
Literatur
ARCA, Heidelberg, Universitätsbibliothek – Cod. Pal. lat. 1969; Backes, Margarethe, S. 163; Rosemarie Bergmann, Die Pilgerfahrt zum himmlischen Jerusalem. Ein allegorisches Gedicht des Spätmittelalters aus der Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal. Lat. 1969 „Pèlerinage de Vie humaine“ des Guillaume de Déguileville, Wiesbaden 1983; Berschin, Palatina, S. 144–146; Bertelsmeier-Kierst, Fürstinnen, S. 178, 184; Christ, Handschriften, S. 114–117; DEAF, PelVieS; DEAF, PelVieD; Die Tochter des Papstes: Margarethe von Savoyen. Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, bearb. von Peter Rückert / Anja Thaller / Klaus Oschema, unter Mitarbeit von Julia Bischoff, Stuttgart 2020, S. 154f.; Guillaume de Digulleville, ‚Le Pelerinage de Vie humaine‘ – Die Pilgerreise ins Himmlische Jerusalem. Faksimile und Edition des altfranzösischen Textes mit deutscher Übersetzung, ediert, übersetzt und kommentiert von Stephen Dörr, Frankwalt Möhren, Thomas Städtler, Sabine Tittel, mit Beiträgen von Wolfgang Metzger und Karin Zimmermann, hrsg. von Veit Probst, Darmstadt 2013 (2 Bde., mit weiterer Literatur); Ingrid-Sibylle Hoffmann / Julia Bischoff, Materielle Spuren der Hofkultur unter Margarethe von Savoyen und Ulrich V. von Württemberg, in: Starke Frauen? Adelige Damen im Südwesten des spätmittelalterlichen Reiches, hrsg. von Klaus Oschema / Peter Rückert / Anja Thaller, Stuttgart 2022, S. 251–268, hier S. 253, 265; Henrike Lähnemann, Margarethe von Savoyen in ihren literarischen Beziehungen, in: ‚Encomia-Deutsch‘. Sonderheft der Deutschen Sektion der International Courtly Literature Society, hrsg. von Ingrid Kasten / Andrea Sieber, Berlin 2002, S. 158–173, hier S. 166; Nathalie Roman, „Patron or Matron?“ Femmes aristocrates et commande de manuscrits au Moyen Âge, in: Pecia 21 (2018), S. 69–104, hier S. 96; Thaller, Buchkultur, S. 101; Géraldine Veysseyre, Notice, in: Jonas-IRHT / CNRS, http://jonas.irht.cnrs.fr/manuscrit/24289; Friedrich Wilken, Verzeichnis der aus der pfälzischen Bibliothek im Vatican an die Universität Heidelberg zurückgegebenen Handschriften[, Heidelberg 1817], S. 545; Zimmermann, Handschriften, S. 103.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–84v Digitalisat

Verfasser
Guillaume de Digulleville (GND-Nr.: 118699113).
Titel
Le Pelerinage de Vie humaine.
Rubrik
1r [Titel am unteren Bl.-Rand nachgetragen:] ›Peregrinatio Vitæ hûmanæ‹.
Incipit
1r A ceulz de ceste region / Qui point ni ont de mansion
Explicit
84v … De la joie de paradis / Que doinst diex as mors et as vis. / Amen.Explicit le pelerinage de Vie humaine‹. Explicit.
Edition
Umfangreich kommentierte Edition mit Übersetzung und Faksimile: Guillaume de Digulleville, ‚Le Pelerinage de Vie humaine‘ – Die Pilgerreise ins Himmlische Jerusalem. Faksimile und Edition des altfranzösischen Textes mit deutscher Übersetzung, ediert, übersetzt und kommentiert von Stephen Dörr, Frankwalt Möhren, Thomas Städtler, Sabine Tittel, mit Beiträgen von Wolfgang Metzger und Karin Zimmermann, hrsg. von Veit Probst, Darmstadt 2013 (2 Bde.).


Bearbeitet von
Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. lat. 1969. Beschreibung von: Dr. Uli Steiger, Dr. Thorsten Huthwelker (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.