Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. lat. 729

Johannes von Wales, Communiloquium seu summa de regimine vitae humanae

Papier · 2, 165, 1 Bll. · 30,1 × 20,5 cm · Süddeutschland · um 1435–1441


Schlagwörter (GND)
Gesellschaftslehre / Sermones / Predigthilfe.
Entstehungsort
Süddeutschland.
Entstehungszeit
um 1435–1441.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
2, 165, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
30,1 × 20,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1* + 12* + (VI-1)6 + 5 VI66 + V76 + 6 VI147 + (VI-1)158* + (I-1)159*. 1* bildet mit dem Vorderspiegel ein Doppelbl., 159* bildet mit dem Hinterspiegel ein Doppelbl. Vor 3* ist der Rest eines ausgeschnittenen Blatts erkennbar. 3* weist Abdruckspuren des Leders eines früheren Einbandes auf.
Seiten-, Blatt- und Lagenzählung
Tintenfoliierung, Rom 17. Jh. (1–121, 121–147, 128, 149–155). Die zweite 121 wurde mit Bleistift modern ergänzt zu 121a, die nach 147 eingetragene 128 korrigiert zu 148. Moderne Bleistiftfoliierung (1*–7* und 156*–159*). Textreklamanten (6v, 18v, 42v, 54v, 66v, 76v, 88v, 112v, 123v, 135v, zumeist durch Beschnitt fragmentiert). Die zumeist mittig an Kopf und Fuß des Textspiegels angebrachten Zahlen und Buchstaben geben die Textgliederung in Partes und Distinctiones des Communiloquium wieder (s. u. Text 1).
Zustand
Bl. 100: da die Tinte der Schrift auf der Rectoseite durchgeschlagen hatte, sparte der Schreiber die entsprechenden Stellen auf der Versoseite aus. Obere äußere Ecke ausgerissen. Bl. 3*rv etwas fleckig.
Wasserzeichen
Bl. 1*, 159* (Vorsatzbll.) Wappenschild in Rossstirn-Form, Wappenbild: Dreiberg, darüber Buchstabe F (WZIS DE5580-Codgraec170_I; Edward Heawood, Watermarks, Hilversum 1950, S. 122, Nr. 2616; vgl. auch Briquet, Les filigranes 11938); Bl. 2* Bügelkrone mit Perlen, darüber ein Kreuz, unter dem Bügel eine Marke (prinzipiell vergleichbare Zeichen finden sich in der Zeit um 1530); Bl. 3*–7*, 19–54, 67–100, 104–123, 136–147 menschlicher Kopf (Maure) frei, mit Stirnband, mit Augen, Linie Hinterkopf sichtbar, Stirnbandende eingekerbt in drei Varianten (WZIS DE7320-PO-20378, Beschriftung belegt 1435, Rothenburg ob der Tauber und WZIS AT3800-PO-20382, Beschriftung belegt 1435, Innsbruck); Bl. 1–18 Ochsenkopf frei, mit einkonturiger Stange darauf einkonturiger Stern sechsstrahlig (Enden gerade), ohne Gesichtsmerkmale, Kinn rund (WZIS DE6300-PO-62175, Beschriftung belegt 1436, Nördlingen und WZIS DE8100-PO-62181) Bl. 55–66, 101–103, 124–135, Ochsenkopf frei, mit einkonturiger Stange darauf einkonturiger Stern sechsstrahlig (Enden gerade), mit Augen; Bl. 148–158* Ochsenkopf frei, mit Augen, Ober- und Unterzeichen an jeweils einkonturiger Stange, oben fünfblättrige Blume, unten Dreieck mit Schragen, drei Punkte, zwei Kreuzsprossen in zwei Varianten (WZIS DE7575-PO-66352, Beschriftung belegt 1441, Schwäbisch Hall). Das Wz. der beiden Vorsatzbll. 1* und 159* ist nicht genau datierbar, deutet aber auf das 17. Jh. (Heawood, s. o.). Die Tatsache, dass auf 1* eine ältere vatikanische Signatur und die aktuelle, in der BAV vergebene, Signatur eingetragen wurde, deutet ebenfalls auf diese Zeit. Bei Bl. 2* dürfte es sich um ein Vorsatzbl. eines früheren Einbandes handeln.

Schriftraum
21,5 × 13,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
1r–141v 39 Zeilen, 142r–155r 45 Zeilen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Bastarda cursiva von zwei Händen (1r–141v, 142r–155r).
Buchgestaltung
Textblockbegrenzungen in Metallstift. Rubriziert. Satzinitialen und Aufzählungspunkte rot gestrichelt. Zweizeilige Lombarden zu den Textabschnitten. Kapitelzählung zumeist in Rot. Das Register 142r–155r ohne weitere Differenzierung und mit wechselnder Zeilenlänge.
Buchschmuck
1r vierzeilige rote Lombarde mit einfachem Knospenfleuronné in Rot zum Textbeginn. Auch die weiteren Lombarden der ersten Seite wurden mit schlichtem Fleuronné geschmückt. Im Weiteren zuweilen an den Lombarden ornamental gestaltete Fadenausläufer (z. B. 33r).

Nachträge und Benutzungsspuren
Durchgehend zeitgenössische Randbetreffe von anderer Hand. 1r Titeleintrag: Henrici de Hassia summa de republica (16. Jh.). Zu den Einträgen des früheren 20. Jhs. auf dem Vorderspiegel s. u. zur Provenienz.

Einband
Weißes Pergament auf Pappen, Rom 17. Jh. (1775–1799?). An Vorder- und Rückdeckel jeweils zwei textile Schließenbänder. Rücken mit drei erhabenen Doppelbünden, oben ein älteres Signaturschild der Vatikanischen Bibliothek (Kupferstichkartusche, handschriftlich, in roter Tinte: 729), im zweiten Feld Rückentitel (handschriftlich: Henr[icus] de Ha[ssia] de republ[ica]), unten das ovale Rückenschild der UB Heidelberg (handschriftlich: Pal. Lat. 729). Kapital mit gelben und hellbraunen Seidenfäden umstochen. Die schmucklosen Pergamenteinbände werden von Schunke (Einbände 1, S. 256) dem Pontifikat Pius VI. (1775–1799) zugeschrieben (ebenso Montuschi, biblioteche, S. 321). Das Wz. der Vorsatzbll. 1* und 159* deutet jedoch auf einen Einband des 17. Jhs., auch die Rollwerkkartusche des alten Signaturschildes weist auf eine deutlich frühere Zeit als das Pontifikat Pius VI. Während ein älteres Signaturschild leicht auf einen späteren Einband übertragen werden kann, erscheint dies bei dem verhältnismäßig dünnen Vorsatzpapier einfacher Qualität eher unwahrscheinlich.
Provenienz
Neumarkt / Heidelberg / Rom / Paris.
Geschichte der Handschrift
Die Hs. entstand den Wzz. zufolge in den Jahren um 1435–1441, wahrscheinlich im süddeutschen Raum. 1r D. C. A. Io. Ba. dux Besitzeintrag des Herzog Johann von Pfalz-Mosbach (auch „von Mosbach-Neumarkt“), aufzulösen als: „Dii coeptis aspirate, Johannes Bavariae dux“. Johann (1443–1486), jüngster Sohn Ottos I. von Pfalz-Mosbach (reg. 1447/48–1461), war Kanoniker in Augsburg und Mainz (Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter [ca. 1350–1540], 2 Bde., Mainz 1987, S. 707; Michael Hollmann, Das Mainzer Domkapitel im späten Mittelalter [1306–1476], Mainz 1990, S. 422). Zu Johann siehe auch: Reinle, Lebensentwurf, S. 157–199. Wann und wo Johann die Hs. erwarb ist unklar. Er war an den Universitäten Heidelberg, Köln, Pavia und Freiburg aktiv und bekleidete Domherrenpfründen in Speyer, Mainz, Augsburg, Regensburg und Eichstätt. Eine Herkunft der Hs. aus Pavia erscheint angesichts von Schrift und Papier als wenig wahrscheinlich. Die Büchersammlung Johanns von Pfalz-Mosbach gelangte nach 1499 wohl unter Kurfürst Philipp (reg. 1476–1508) in die Palatina (Wilken, S. 114f.; vgl. Schuba, Kat. UB 1, S. XXXIVf.). Zu weiteren Hss. Johanns und seiner Brüder in der Bibliotheca Palatina siehe Einleitung. Mit den Bänden der Heidelberger Palatina 1623 in die Vatikanische Bibliothek verbracht. Im Allacci-Register nachweisbar: 2*r C. 81./551 (Pal. lat. 1949, 25v: 551 Henrici de Hassia summa virtutum. fol. C. 81.). Ältere Signaturen der Vaticana: 1*r 1484 (gestrichen), 2*r 1808. Der Signaturenordnung zufolge wurde die Hs. schließlich bei den juristischen Werken eingeordnet (vgl. Montuschi, Le biblioteche, S. 314). Die Hs. gehörte zu den Palatina-Bänden, die unter Napoleon Bonaparte 1798 in die Pariser Nationalbibliothek gelangten. Der Vertrag von Tolentino, der am 19. Feb. 1797 die Kriegshandlungen zwischen der Republik Frankreich und der Römischen Kurie beendete, umfasste auch Zahlungsverpflichtungen des Kirchenstaates, die dieser in Form von Sachwerten beglich. Unter den 500 Hss. der Vaticana, die dies betraf, waren auch 39 aus den griechischen und lateinischen Palatina-Fonds. Im Zuge des Zweiten Pariser Friedens von 1815 wurden die entsprechenden Hss. der Palatina nicht nach Rom, sondern nach Heidelberg zurückgegeben. So gelangte auch Pal. lat. 729 im Oktober 1815 in die Universitätsbibliothek Heidelberg. Auf dem vorderen Spiegel Eintrag von der Hand des Heidelberger Oberbibliothekars Hermann Finke (zur Blattzählung und zum Inhalt. Autor und Titel werden gegenüber dem Eintrag des 16. Jhs. auf 1r korrigiert in Johannes Wallensis, Communiloquium. Hinterer Spiegel: Cod. Pal. Lat. 729 (Bleistift). Besitzstempel der Bibliothèque Nationale de France: 1r, 155r. Besitzstempel der UB Heidelberg: 1r.
Besonderheiten
Es handelt sich um eine der wenigen lateinischen Palatinahandschriften, die 1816 nach Heidelberg zurückgekehrt sind.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpl729
Literatur
Montuschi, Le biblioteche, S. 325, 336; Wilken, S. 295.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

1) 1r–141v Digitalisat

Verfasser
Johannes von Wales (GND-Nr.: 118884867).
Weitere beteiligte Personen
Heinrich von Langenstein (GND-Nr.: 118548395).
Titel
Communiloquium seu summa de regimine vitae humanae.
Angaben zum Text
(1r–3v) Prologus. Cum colleccionis huius que potest dici summa colleccionum … . (4r–141v) Cum doctor sive predicator evangelicus … -… salvatoris gratia illuminante studeat adinvenire.Deo gracias‹. ›Explicit summa colleccionum magistri Henrici de Hassia super re publica et eius membris et inherenciis‹. Es handelt sich um eine Stoffsammlung und Basisunterweisung für Prediger, welche die gesamte Gesellschaft umfasst. Der Text wird hier dem berühmten Theologen und Professor der Wiener Universität Heinrich von Langenstein zugeschrieben (s. u.). Die Verfasserschaft des Johannes von Wales ist jedoch gesichert. Evencio Beltran, Christine de Pizan, Jacques Legrand et le Communiloquium de Jean de Galles, in: Romania 104 (1983), S. 208–228; Bloomfield, ILWVV, Nr. 1068 und 1086; Richard Galle, Eine geistliche Bildungslehre des Mittelalters, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 31 (1910), S. 523–555; Glorieux, Maîtres 2, S. 114f., Nr. 322a; Palémon Glorieux, La Faculté des Arts et ses maitres au XIIIe siècle, Paris 1971, S. 209f., Nr. 234a; Jacqueline Hamesse, Repertorium initiorum manuscriptorum Latinorum Medii Aevi 2, Louvain-la-Neuve 2008, S. 570, Nr. 9512; Mohan, Initia, S. 74* und 76*; Erwin Rauner, Art. Johannes Gallensis (Guallensis, Vallensis, John of Wales), in: LMA, Bd. 5, München / Zürich 1991, Sp. 577; Stegmüller RB, Nr. 4522,2; Jenny Swanson, John of Wales. A Study of the Works and Ideas of a Thirteenth-Century Friar, Cambridge 1989 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought 4,10), S. 63–166 und 254; Welter, L’exemplum, S. 233–236. Von zeitgenössischer Hand überschrieben: Summa collectionum de republica que multas habet partes et est notabi[lis] valde et utilis expositio in il[la]. Von einer Hand des 16. Jhs.: Henrici de Hassia summa de republica (RAG, Heinrich von Langenstein). Vgl. auch: Thomas Hohmann, Initienregister der Werke Heinrichs von Langenstein, in: Traditio 32 (1976), S. 399–426, S. 404, Nr. 37* (als fälschlich zugeschrieben).
Incipit
1r Cum colleccionis huius que potest dici summa colleccionum …
Weiteres Initium
4r Cum doctor sive praedicator evangelicus …
Explicit
141v … salvatoris gratia illuminante studeat adinvenire.
Edition
GW M13983-M13992 sowie Lyon 1511, Paris 1516, Straßburg 1550 und Paris 1556, siehe: Schönberger, RETM 2, S. 2421, Nr. I 2890–60.

2) 142r–155r Digitalisat

Beteiligte Personen
Johannes von Wales (GND-Nr.: 118884867).
Titel
Tabula alphabetica super Communiloquium.
Angaben zum Text
(142r) Praefatio. Ista tabula per alphabetum est super Communeloquium quod primo dividitur in partes, secundo partes dividuntur in distincciones, tertio dividuntur distincciones in capitula. Et ideo in tabula sunt tres numeri, primus numerus designat partem, secundus numerus designat distincciones illius partis, tertius vero capitulum. Capitulum communiter dividitur per literas usque ad e vel ff vel g vel aliter secundum quantitatem et cetera. (142r–155r) Tabula. Ab aratro ducti sunt Atilius ad consulandum … parte 1a, distinccione 2, capitulo 3, C. … - … Zenonis filius indisciplinatus nasum prescidit patri et quare 2 2 1 h, et cetera. Alphabetisches Register zur Summa de regimine vitae humanae seu Communiloquium des Johannes von Wales.
Incipit
142r Ista tabula per alphabetum est super Communeloquium …
Weiteres Initium
142r Ab aratro ducti sunt Atilius ad consulandum …
Explicit
155r … Zenonis filius indisciplinatus nasum prescidit patri et quare 2 2 1 h.
Edition
Das Register findet sich auch in den Drucken: GW M13983-M139922 sowie Lyon 1511, Paris 1516, Straßburg 1550 und Paris 1556, siehe: Schönberger, RETM 2, S. 2421, Nr. I 2890–60.


Bearbeitet von
Dr. Wolfgang Metzger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 2024.


Zitierempfehlung:


Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. lat. 729. Beschreibung von: Dr. Wolfgang Metzger (Universitätsbibliothek Heidelberg), 2024.


Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Erschließung von 876 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.