Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 303

Philosophisch-theologische zusammengesetzte Handschrift

Papier · 2, 72, 1 Bll. · 32,6 × 21,0 cm · I. s.l. / II. Korfu · I. Ende 15./Anfang 16. Jh. / II. Mitte 16. Jh.


Schlagwörter (GND)
Spätantike / Wissenschaftsgeschichte / Mathematik / Theon Smyrnaeus / Patristik / Gregorius Nazianzenus / Homilien.
Diktyon-Nr.
66035.
2ar Schenkungsexlibris
2av vacat
Faszikel I
1) 1r–44v Theon Smyrnaeus Philosophus, De utilitate mathematicae
45r–46v vacant
Faszikel II
2) 47r–72v Gregorius Nazianzenus, In Athanasium cum commentariis

Kodikologische Beschreibung

Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
2, 72, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
32,6 × 21,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
Hs. aus 2 Faszikeln zusammengesetzt (I. Bl. 1–45; II. Bl. 46–72). (I-1)1a + 12a + … + (I-1)73*. Vorderspiegel ist Gegenbl. von 1a, Hinterspiegel Gegenbl. von 73*.
Foliierung
Durchgängige vatikanische Foliierung mit brauner Tinte (f. 1–72) im Kopfsteg rechts. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a, 2a, 73*).
Lagenzählung
Eine Lagenzählung ist nicht erhalten. Allerdings finden sich für beide Hauptteile Textreklamanten in vertikaler Schriftrichtung im Fußsteg jeweils auf der letzten Versoseite eines Faszikels.
Zustand
Die Hs. befindet sich in einem sehr guten Erhaltungszustand und zeigt nur sehr wenige Lese- bzw. Nutzerspuren. Im Bereich von Kopf- bzw. Seitensteg etwas stockfleckig. Bl. 47–49 mit Feuchtigkeitsschäden, was darauf hindeutet, dass Teil II über eine längere Zeit getrennt von Teil I gelagert oder verschickt wurde.


Nachträge und Benutzungsspuren
Signaturenmarke der BAV auf dem Vorderspiegel; Blatt 2ar mit der Schenkungsexlibris des Herzogs Maximilian an Papst Gregor XV. wurde im Rahmen der Verbringung der Hs. nach Rom hinzugefügt. Der für Fugger-Handschriften gebräuchliche lateinische Index hat sich nicht erhalten. Dadurch fehlt auch der Sammlungsvermerk, obwohl die Hs. dem Vorbesitz Giovanni Battista Cipellis (gen. Egnatius) zugeordnet werden kann (siehe Geschichte der Handschrift).

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Venedig / Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Wann die beiden Teile der Hs. zusammengefügt wurden, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Allerdings war dies bereits der Fall, als Ulrich Fugger durch Vermittlung Martin Gerstmanns die griechischen Handschriften des venezianischen Humanisten Giovanni Battista Cipelli mit Wirkung des 6. Oktobers 1553 erwerben konnte. In der erhaltenen Abschrift des Kaufvertrags wurde sie unter Nr. 56 aufgelistet (Theonis Smyrnei in Platonis mathematica | Gregorii Epitaphius logus de Atanasio, siehe BAV, Pal. lat. 1925, f. 106r). Dies wird durch den entsprechenden Eintrag im Augsburger Inventar der Fugger-Bibliothek aus der Zeit um 1560 bestätigt, vgl. BAV, Pal. lat. 1950, f. 193v, dort jedoch nur noch unter dem Eintrag Theonis Smyrnei in Platonis mathematica est nunc Augustae…303…egna., vgl. dazu auch Christ, S. 31 (Nr. 56). Der frühere Hinweis auf Teil II ging seinerzeit also verloren. Nach der Vertreibung Ulrich Fuggers aus Augsburg gelangte die Hs. als Teil seiner Bibliothek nach Heidelberg, dort wohl bereits ab 1571 Aufstellung in der Heiliggeistkirche. Nicht mehr auflösbar ist der etwas verwirrende Hinweis im Pal. lat. 1950 darauf, dass sich diese Handschrift nunmehr in Augsburg befände. Möglicherweise war – wie ja auch im Falle anderer Codices geschehen – eine Überlassung an die dortige Stadtbibliothek vorgesehen, die dann jedoch nicht zustande kam. Nach Fuggers Tod im Februar 1584 rechtsgültiger Übergang des Codex in pfälzischen Besitz als Bestandteil der Bibliotheca Palatina. 1622/23 gelangte sie nach der Eroberung Heidelbergs als Geschenk des bayerischen Herzogs Maximilian an Papst Gregor XV. nach Rom, seither Aufbewahrung in der BAV.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_303
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 171; Christ, S. 25–32; Chiara Faraggiana di Sarzana, Vicende di due manoscritti emiliano-romagnoli prodotti dall´atelier di Bartolomeo Zanetti, in: Codices Manuscripti & Impressi 105 (2016), S. 18; Harlfinger II, Nr. 66 mit S. 33; Mossay/Hoffmann, S. 181; Stefec 2014, S. 188.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Faszikel I (Bl. 1–46)

Sachtitel / Inhalt
Theon von Smyrna, Mathematik für die Platonlektüre.

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
s.l. Unbekannt.
Entstehungszeit
Ende 15./Anfang 16. Jh. Datierung aufgrund der Schrift, siehe Schriftart sowie Geschichte der Handschrift.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
46 Bll.
Format (Blattgröße)
32,6 × 21,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
5 IV40 + III46.
Foliierung
S. zum Codex.
Lagenzählung
S. zum Codex.
Wasserzeichen
Armbalete/Ambrust im Kreis mit Lilie, ähnlich Briquet 746 (belegt für Lucca 1469/1503), siehe auch Harlfinger II, Nr. 66, sowie Faraggiana di Sarzana (siehe Literatur), S. 18.

Schriftraum
20,5–21,0 × 10,0–11,5 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
29 Zeilen.
Schriftart
Individuelle Gelehrtenschriften der Entstehungszeit, die sich noch an der Buchschrift des 15. Jhs. orientieren. Daher und auch unter Berücksichtigung des Wasserzeichens wird hier für Teil I eine Datierung in die Zeit des Übergangs vom 15. auf das 16. Jh. vorgeschlagen.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Eine Haupt- und eine Nebenhand (A: f. 1r–23r, 25r–44v; B: 23v–24v), beide zeitgleich.
Buchgestaltung
Der Text wurde sehr großzügig mit schwarzbrauner Tinte auf die Seiten eingetragen, was durchaus den Eindruck einer Auftragsarbeit erweckt. Die Zwischenüberschriften nehmen dabei immer eine eigene Zeile ein. Buch- und Kapitelinitialen farblich abgesetzt und nach links ausgerückt. Platon-Zitat auf f. 1v mit einfacher Anführung gekennzeichnet. Auf den Rändern erläuternde Skizzen, mathematisch-graphische Figuren und Diagramme von der Hand des Hauptschreibers.
Buchschmuck
Kaum Zierelemente. Oberhalb des Textes ein karminrotes Flechtband als stilisierter Schlangenkörper. Von Hand A stammen die karminroten Initialen (mit etwas Fleuronné) in einer Höhe von bis zu zwei Textzeilen. Am Ende läuft der Text geometrisch aus, da genügend Platz auf der letzten Seite zur Verfügung stand. Die schlichte Gestaltung entspricht insgesamt derjenigen der zeitgleichen Humanistenhandschriften.

Provenienz
Venedig / Augsburg / Heidelberg.

Inhalt

1) 1r–44v Digitalisat

Verfasser
Theon Smyrnaeus Philosophus (GND-Nr.: 100635520).
Titel
De utilitate mathematicae.
TLG-Nummer
1724.001.
Titel (Vorlage)
1r Θέονος σμιρναίου [!] πλατωνικοῦ, τῶν κατὰ τὸ μαθηματικὸν χρησίμων εἰς τὴν Πλάτονος ἀνάγνωσιν.
Incipit
1r Ὅτι μὲν οὐχ οἶόν τε συνεῖναι …
Explicit
44v … στοιχειωδῶς τῶν κατ᾿ ἀστρονομία(ν). Θέονος σμυρναίου πλατωνικοῦ τῶν κατὰ τὸ μαθηματικὸν χρησίμων εἰς τὴν Πλάτονος ἀναγνωσιν τέλος.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Auf den Außenstegen wenige philologische Anmerkungen einer jüngeren Hand.
Edition
Eduard Hiller, Theonis Smyrnaei philosophi Platonici expositio rerum mathematicorum ad legendum Platonem utilium, Leipzig 1878, S. 1–11921 (unveränderter ND Stuttgart 1995). Diese Hs. wurde für die Textausgabe nicht herangezogen. Vorlage war – soweit die in der zur Verfügung stehenden Zeit ermittelt werden konnte – der Cod. Marc. gr. Z 307 (= coll. 1027).

Faszikel II (Bl. 46–72)

Sachtitel / Inhalt
Gregor von Nazianz, Lobrede auf Athanasius.

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Korfu. Zuordnung aufgrund des Schreibers.
Entstehungszeit
Mitte 16. Jh. Aufgrund der Schreiberzuweisung.
Typus (Überlieferungsform)
Faszikel.
Beschreibstoff
Westliches Papier.
Umfang
26 Bll.
Format (Blattgröße)
32,6 × 21,0 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
VI58 + III64 + IV72.
Foliierung
S. zum Codex.
Lagenzählung
S. zum Codex.

Schriftraum
21,5 × 13,0 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
29 Zeilen.
Schriftart
Individuelle, aber charakteristische und gut erkennbare Humanistenkursive der Entstehungszeit.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Iohannes Mauromates. Die Zuweisung erfolgt aufgrund von Schriftvergleich trotz großer Ähnlichkeit zum Schriftduktus des Emmanuel Provataris. Zu Mauromates siehe RGK I, Nr. 171 u. ergänzend RGK III, Nr. 283. So bereits Mossay/Hoffmann, S. 181 (entsprechend, jedoch irrtümlich für die Gesamths. übernommen in Stefec 2014, S. 188). Zum Schriftvergleich mit ganz ähnlicher Seitengestaltung vgl. etwa die subskribierten Codices Vat. Pal. 309 oder Ottob. gr. 45, f. 15r.
Buchgestaltung
Der Nazianzenus-Text wird nur in knappen Auszügen wiedergegeben und farblich mit zinnoberroter Tinte entsprechend abgesetzt. Daran schließen sich die Kommentare des Basilius Minimus, des Maximus Confessor sowie des Georgius Moecenus an. Die Initialen von Text und Kommentarabschnitten wurden auf die linken Blattränder ausgerückt. Auf den Außenstegen befinden sich zudem Namenskürzel für die jeweiligen Kommentatoren (vgl. auch hier den bereits genannten Cod. Ottob. gr. 45).
Buchschmuck
Zierelemente fehlen fast vollständig. Oberhalb des Textes eine Strichlinie mit Blattmustern an Anfang und Ende, darunter die Überschrift in zinnoberroter Tinte. In der Mitte der Linie findet sich – charakteristische für Handschriften aus dem Umfeld des Iohannes Mauromates – ein kleines Jerusalemer Kreuz mit der traditionellen Beischrift Ἰ(ησοὺς) | Χ(ριστὸς) νι- | κᾷ in den Winkeln.

Provenienz
Venedig / Augsburg / Heidelberg.

Inhalt

2) 47r–72v Digitalisat

Verfasser
Gregorius Nazianzenus (GND-Nr.: 118541900).
Titel
Homilia XXI in laudem Athanasii cum commentariis Basilii Minimi, Georgii Moeceni et Maximi Confessoris.
TLG-Nummer
2022.034.
Angaben zum Text
CPG 3010.21; BHG 186. - Die Kommentare von Basilius Minimus, Georgius Moecenus und Maximus Confessor wurden bislang noch nicht wissenschaftlich ediert. Sie werden aber z.Zt. im Zusammenhang mit der Homilienedition Gregors im Rahmen des Corpus Christianorum, Series graeca mit zur Edition vorbereitet. Für keine der beiden genannten Textausgaben wurde diese Hs. herangezogen, da aus der Homilie nur die jeweiligen Bezugsworte für die Kommentierung genannt werden. Damit besitzt nur letztere einen gewissen philologischen Wert.
Titel (Vorlage)
47r Τοῦ ἐν ἁγίοις πατρὸς ἡμῶν γρηγορίου ἀρχιεπισκόπου κωνσταντινουπόλεως τοῦ θεολόγου λόγος, ἐπιτάφιος εἰς τὸν μέγαν ἀθανάσιον· οὗ ἡ ἀρχή: ἀθανάσιον ἐπαινὼν:.
Incipit
47r Ὁ εἰς τὸν μέγαν οὗτος , ἀθανάσιον λόγος … (= Argumentum des Basilius Minimus).
Explicit
72v … καὶ τῶν ὁμοίων σοῦ ἁγίων ἐν τῇ τῶν ἁγίων λαμπροτάτων.
Edition
Migne PG 35, Sp. 1082A1–1128C7; Mossay/Lafontaine, Discours 20–23, S. 110–192.


Bearbeitet von
Dr. Lars Martin Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 11.12.2019.
Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.