Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 306

Nicephorus Blemmydes

Pergament · 2, 106, 1 Bll. · 14,5 × 10 cm · Byzantinisches Reich · I. 13.-14. Jh. / II. 10.-11. Jh.


Schlagwörter (GND)
Theologie / Logik / Oktoechos / Liturgische Gesänge / Palimpsest.
Diktyon-Nr.
66038.
1ar–2ar vacant
2av Schenkungsexlibris
Scriptura superior
1) 1r–106v Nicephorus Blemmydes, Epitome logica
Scriptura inferior
2) 1r–74v Anonymus, Theologica
3) 93v–106v Anonymus, Theologica

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Byzantinisches Reich. Die scriptura inferior (ff. 1r–74v) könnte ebenfalls aus dem Byzantinischen Reich stammen.
Entstehungszeit
I. 13.-14. Jh. / II. 10.-11. Jh. Für die Scriptura superior ist 1258 der Terminus post quem, denn dies ist die früheste Datierung für die Epitome logica des Nicephorus. Die scriptura inferior kann zwischen dem Ende des 10. Jhs. und dem Anfang des 11. Jhs. datiert werden.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament, Vorsatzbll. Papier.
Umfang
2, 106, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
14,5 × 10 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + 9 IV82 + V92 + IV100 + (IV-2)106 + (I-1)107*.
Foliierung
Vatikanische Foliierung (f. 1–24, 35–106). Nach Bl. 24 kommt 35 (Zählfehler, kein Textverlust). Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (f. 1a, 2a, 107*).
Lagenzählung
Mit griech. Zahlen zu Lagenbeginn rechts oben, teilweise abgeschnitten.
Zustand
Mit zahlreichen Schäden besonders im Bereich der ersten und letzten Bll., aber immer noch recht gut lesbar. Verlust vieler Bll. am Ende (mehr als zehn Kapitel, was etwa einem Viertel des Gesamttextes entspricht). Bl. 51–58 sind verkehrt herum eingeheftet. Die Scriptura inferior ist größtenteils mit dem bloßen Auge gut erkennbar.

Schriftraum
11,5 × 8 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
24 Zeilen; Scriptura inferior: 15–20 Zeilen (die Anzahl der Zeilen variiert und entspricht nicht der ursprünglichen Anzahl, da die Seiten angepasst und in der Größe verändert wurden, um der neuen Schrift gerecht zu werden).
Linierung
20C1 (nur für die Scriptura inferior).
Schriftart
Minuskelschrift in der Tradition der Perlschrift. Der Duktus variiert bisweilen, ohne dass ein Handwechsel vorliegen würde. Tendenz zur Vergrößerung einzelner Buchstaben, besonders beim Delta und beim (herzförmigen) Beta, das eine für den Beta-Gamma-Stil typische Gestalt hat. Es gibt relativ wenige Ligaturen, auffällig ist die Rho-Omikron-Ligatur.
Die Scriptura inferior des Palimpsest Teils 1r–74v ist in einer echten Perlschrift geschrieben. Sie erlaubt eine Datierung auf das späte 10. oder das 11. Jh. Die Schrift ist rechtsgeneigt und von kleinem Format. Der Ductus ist ziemlich rasch, aber der Stil bewahrt eine gewisse kalligraphische Eleganz. Wenige kursive Elementen sind erkennbar. Häufig betreffen die Ligaturen den Buchstaben epsilon (epsilon-gamma, epsilon-iota, epsilon-pi), während die Abkürzungen und tachygraphischen Striche am Ende der Zeilen gehäuft sind (wo die Buchstaben häufig größer sind). Der Minuskel Kanon ist für wenige Buchstaben (wie eta, lambda, ny) nicht mehr beachtet. Manchmal kann man die gekreuzten Majuskel- lambda beobachten. Die letzten Seiten (ff. 93v–106v) zeigen eine andere Palimpsest-Schrift, die durch ein größeres Format und einen schnelleren, unordentlicheren Duktus gekennzeichnet ist.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Unbekannte Hände. Die Palimpsest Teile wurden von mindestens zwei Händen geschrieben.
Buchgestaltung
Das Werk des Nicephorus ist als Palimpsest auf eine Octoechos- Handschrift geschrieben. Der Untertext bleibt dabei mit bloßem Auge noch erkennbar. An vielen Stellen wurden die Bll. zur Wiederbeschriftung um 90 oder 180 Grad gedreht. Die Bll. 75–92 weisen keine Scriptura inferior auf.
Buchschmuck
Zierleiste zu Beginn, rubrizierte Initialen zu Kapitelbeginn; besonders geschmückt auf f. 49r (cap. 14), f. 55r (cap. 16).
In der Scriptura inferior sind Zierelemente sichtbar, besonders auf f. 70r, 94v, 97r, 98r (sogar koloriert), 101v etc. Auch in der Scriptura inferior wurden die Initialen rubriziert (z.B. 98r, 99v).

Nachträge und Benutzungsspuren
Stempel der BAV auf f. 1r, 106v. Schenkungsexlibris auf f. 2av. Auf f. 2ar stehen die Capsa-Nr. C. 103, die Allacci-Signatur 327, die Signatur 306 und der Titel Nicephori Monachi et Presbiteri epitome Logices. Signaturen von Fugger sind nicht erhalten.
Die Scriptura inferior des ersten Teils (f. 1r–74v) zeigt am Rand einige Korrekturen und Ergänzungen wahrscheinlich von der Hand desselben Kopisten (z. B. f. 20r, 21v).

Einband
Hochroter Ledereinband über Pappe der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada (Wappen auf dem Hinterdeckel) und Papst Pius VI. (Wappen auf dem Vorderdeckel); Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten); vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Augsburg? / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Weder in der Handschrift noch im Fuggerkatalog (BAV, Pal. lat. 1950) findet sich ein Hinweis auf fuggersche Provenienz. Die erste Erwähnung der Hs. findet sich in einem anderen Fuggerkatalog, BAV, Pal. lat. 1916, 544r, allerdings als späterer Nachtrag: Nicephori Blemmidae introductio ad Logicam. Perg. 306. Seors. Dieses Kürzel Seors., das in der Hs. selbst nicht erscheint, wird gewöhnlich für Einzelerwerbungen Ulrich Fuggers verwendet. Auch die Signaturnummer weist darauf hin, dass sich die Hs. in der Bibliothek Ulrich Fuggers befunden haben kann, denn die Nummern unterhalb von 380 gelten als fuggerisch. Wenn das für diese Hs. auch zutrifft, gelangte sie mit Fuggers Bibliothek 1567 nach Heidelberg und wurde mit seinem Tod 1584 an Kurfürst Friedrich IV. vererbt. 1623 wurde die Hs. als Kriegsbeute nach Rom gebracht, wo sie sich seitdem befindet.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_306
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 172; August Heisenberg, Nicephorou Blemmydae Curriculum vitae et carmina, Leipzig 1896, S. LXXII; Neil K. Moran, A List of Greek Music Palimpsests, in: Acta Musicologica 57/1, 1985, S. 50–72, hier: S. 54 und 60; Paul Canart, Les palimpsestes des fonds grecs de la Bibliothèque Vaticane. Une liste sommaire et quelques précisions, in: Ders., Etudes de paléographie et de codicologie, Vatikan 2008 (Studi e testi 450–451), S. 1311–1321, hier S. 1313; Pantelis Carelos, Ein „integrierter“ Fürstenspiegel im Prooimion der Επιτομη Λογικης des Nikephoros Blemmydes, in: Byzantinische Zeitschrift 98, 2006, S. 399–402; Anna Gioffreda, Massimo Planude e l’Epitome Logica di Niceforo Blemmida nel ms. Berol. Philipps 1515, in: Segno e Testo 17, 2019, S. 197–215, hier S. 205.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–106v Digitalisat

Verfasser
Nicephorus Blemmydes (GND-Nr.: 11889823X).
Titel
Epitome Logica.
TLG-Nummer
3092.008.
Angaben zum Text
Erhalten ist der Text von Beginn bis Kapitel 29/9.
f. 1r Index über 40 Kapitel (die ersten 29 sind erhalten); f. 1v–2v Prooemium (ediert von Carelos, S. 401–402); f. 2v–7r cap. 1; f. 7r–10r cap. 2 περὶ διαιρέσεως; f. 10r–15r cap. 3; f. 15r–16v cap. 4; f. 17r–v cap. 5; f. 17v–18v cap. 6; f. 18v–21v cap. 7; f. 21v–35r(!) cap. 8; f. 35r–37v cap. 9; f. 37v–40v cap. 10; f. 40v–43r cap. 11; f. 43r–47r cap. 12; f. 47r–48v cap. 13; f. 49r–58v cap. 14; f. 58v–55r cap. 15; f. 55r–52v cap. 16; f. 52v–59r cap. 17; f. 59r–61r cap. 18; f. 61r–64v cap. 19; f. 64v–69r cap. 20; f. 69r–74v cap. 21; f. 74v–78v cap. 22; f. 78v–82r cap. 23; f. 82r–84v cap. 24; f. 84v–89r cap. 25; f. 89r–94r cap. 26; f. 94r–98v cap. 27; f. 98v–105r cap. 28; f. 105r cap. 29.
Titel (Vorlage)
1r Νικηφόρου μοναστοῦ καὶ πρεσβυτέρου εἰσαγωγικῆς ἐπιτομῆς. Βιβλιον πρῶτον.
Incipit
1v Ἐπειδήπερ ἡ λογικὴ ἐπιστήμη, πρὸς τὴν ἱερᾶν γράφην καὶ πάντας τοὺς τῆς ἀληθείας λόγους.
Explicit
106v ὅπερ σαφέστερόν [φαίνεται τιθεμένου] τοῦ οὐκ ἔστι κατ’ἀρχὰς τῆς προτάσεως οἷον οὐκ ἔ[στι πᾶς] ἄνθρωπος.
Edition
Migne PG 142, Sp. 688–920 (Hs. nicht herangezogen).

2) 1r–74v Digitalisat

Verfasser
Anonymus.
Titel
Theologica.
Angaben zum Text
Palimpsest: liturgische Gesänge.
f. 1–69 und f. 72–74 sind um 90 Grad gedreht, f. 70–71 sind in der normalen Ausrichtung wiederverwendet worden.
Identifizierte Textanfänge: f. 3v Θαλάσσης ἀθλητικῆς τὸ πέλαγος (MR I 284, MV I 163); f. 4v Πάντα πειρασμὸν καρτερικῶς (MR I 276, MV I 159).
Incipit
1r αναπεσον θεοφρον παρρησία.
Explicit
74v πλεῖον δοξάζεται …

3) 93r–106v Digitalisat

Verfasser
Anonymus.
Titel
Theologica.
Angaben zum Text
Palimpsest: liturgische Gesänge, geschmückt mit Zierleisten (94v, 97r, 98r) etc.
F. 100r–103v sind um 180 Grad gedreht wiederverwendet worden.
Identifizierte Texte: f. 93v Anabathmos: Τὴν αἰχμαλωσίαν Σίων σὺ [ἐξεί]λου (PaR 192); f. 94r στίχερα θεοτόκια; f. 94v Beginn einer neuen Ode (Echos im 3. Ton); f. 95v Text aus den Acta Ecclesiae Hierosolymorum (TLG 5338.001, inc. καὶ διδασκόντων ἀγγέλων, καὶ τῆς ὄψεως αὐτοῦ τοῦ Ἰησοῦ), S. 235; f. 98r (Mitte) Echos im 4. Plagalen Ton, inc. ἑσπερινὸν ὕμνον PaR S. 616.
Incipit
93r [ερ]ῥύσαιμε· παίφυκα … λυμὶν γὰρ.
Explicit
106v (nicht erkennbar).


Bearbeitet von
Vinzenz Gottlieb, Alice Montalto, Universitätsbibliothek Heidelberg, 19.05.2021.
Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.