Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 396

Laonicus Chalcocondyles, Historia

Papier · 1, 208, 1 Bll. · 32,7 × 22 cm · Venedig · 1543–1575


Schlagwörter (GND)
Byzanz / Geschichte / Konstantinopel 1453 / Osmanen / Mehmed II / Laonicus Chalcocondyles.
Diktyon-Nr.
66128.
1r Schenkungsexlibris
1v vacat
1) 2r–208v Laonicus Chalcocondyles, Historiarum libri decem

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Venedig. Da der Cod. Laurent. Plut 57,9 als Vorlage dieser Hs. der venetianischen Kopistengruppe um Basileios Baleris zugeordnet werden kann, liegt eine entsprechende Lokalisierung sehr nahe. Möglicherweise war sie zunächst nicht abgeschlossen worden (Hand A bis f. 186v) und eine Fertigstellung erfolgte erst zu einem späteren Zeitpunkt. Dafür spricht der Schriftduktus von Hand B, der dem Schreibstil von Andreas Darmarios zumindest sehr nahesteht – was wiederum auf Venedig als Entstehungsort hindeutet.
Entstehungszeit
1543–1575. Entstehungsgeschichtlich geht die Hs. auf den Cod. Escor. gr. 190 zurück, der am 6. Febr. 1543 subskribiert wurde. Von diesem wiederum stammt der Cod. Laur. Plut. 57,9 ab, der von Herbert Wurm, Überlieferung, S. 229 als ein im venezianischen Kopistenatelier um Nikolaos Bareles oftmals verwendetes Antigraphon für diesen Text ausgemacht werden konnte. Auf jeden Fall fertiggestellt war die Hs. im Jahr 1575, als Martin Crusius seine Tübinger Eintragungen vornahm (s. f. 208v; siehe Nachträge und Benutzungsspuren).
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Papier.
Umfang
1, 208, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
32,7 × 22 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(II-2)2a + 11 + 11 IV89 + (IV+1)98 + 5 IV138 + (III+1)145 + 3 IV169 + (III+1)176 + V186 + 2 IV202 + III208 + (II-2)210*. Auf die Spiegel sowie die zugehörigen Vorsatzbll. wurde jeweils ein Doppelbl. aus Marmorpapier geklebt, so dass das Marmorpapier die Rectoseite von Bl. 1a bzw. die Versoseite von Bl. 210* bildet. Im Vorsatz wurde das Wachspapier erhalten, das vom Vorderspiegel der vatikanischen Bindung unter Kard. Zelada stammt. Zur Stabilisierung wurde in die Vorsatzlage ein Blatt eingefügt, das mit der zweiten Hälfte des Wachspapierbogens verklebt ist. Dadurch wird die durch den Klebevorgang eigentlich reduzierte Lage wieder erweitert. Vergleichbare Vorgehensweise für die Nachsatzlage.
Foliierung
Vatikanische Foliierung (f. 1–208) mit Bleistift im Kopfsteg rechts. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a–2a, 209*–210*).
Lagenzählung
Griechische Lagenzählung am Beginn der Hefte. Reklamanten im Kopfsteg rechts oben mit brauner Tinte nicht von den Schreibern der Hs. eingetragen, jedoch zeitgleich. Durch Beschnitt fast nur noch im vorderen Teil der Hs. gut lesbar (erste erhaltene Zählung [= εʹ] auf f. 34r, letzte [=κδʹ] auf f. 203r). Außerdem mit wenigen Ausnahmen entsprechende Textmarken jeweils rechts unten am Ende der Lage.
Zustand
Aufgrund der zeitweise fehlenden Einbände besonders am Anfang und Ende stockfleckig, sonst recht gut erhalten, kaum Nutzungsspuren erkennbar. Teils beginnender Tintenfraß.

Schriftraum
23,0 × 13,2 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
29 Zeilen.
Schriftart
Eher rasch ausgeführte, kursive Kopistenschriften der Entstehungszeit. Kein Iota subscriptum. Der Buchtitel ist in seiner Gestaltung an die epigraphischen Auszeichnugsmajuskel angelehnt (ebenso die erste Zeile des Sekundärtitels), die hier imitiert wird. Die lateinische Umschrift des Familiennamens des lat. Gesandten Gabriele Morosini auf f. 172v belegt, dass Schreiber A auch mit lateinischen Schriften vertraut war. Hand B ist ebenfalls eine Kopistenkursive aus der Mitte des 16. Jhs., die jedoch eleganter und flüssiger geschrieben zu sein scheint.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Zwei zeitgleiche Schreiber. Hand A = f. 2r–186v, Hand B = f. 187r–208v. Letztere im Schriftduktus recht ähnlich den Handschriften, die für die Zeit um 1560 Andreas Darmarios zugewiesen werden können.
Buchgestaltung
Eher engzeiliges und platzsparendes mis-en-page, dafür jedoch breite Ränder. Kein Folien- oder Seitenwechsel bei Buchübergang, jeweils am Ende der einzelnen Bücher wird aber der Titel wiederholt. Über bzw. zwischen den Büchern ein Zierstreifen. Buchinitialen werden auf den linken Rand ausgerückt, ansonsten keinerlei Kapitel- oder Absatzmarken. Sämtliche Namen werden durch Überstreichung hervorgehoben. Wörtliche Rede wird durch doppelte Anführung links vom Textblock gekennzeichnet. Auf den Außenstegen Übernahme der fast immer näher bezeichneten Semeiosis aus der Vorlage (in zwei unterschiedlichen Formen). Hand B zeigt den Beginn der Redepassagen durch Wortbeginn in Majuskel an. Selten auch zeigende Hände.
Buchschmuck
Rotbraune Zierstreifen mit Rankenmustern und Fleuronné über den Büchern I–IX, mit Fleuronné auch die vier Zeilen hohen Buchinitialen gestaltet, beides eher in westlicher Tradition. Abweichend nur Zierbalken über Buch X (f. 191v) von Schreiber B, der in Form eines Frieses mit karminroter u. schwarzer Tinte eingetragen eher an den überkommenen Mustern byzantinischer und nicht westlicher Hss. orientiert ist. Das gilt ebenso für die Initiale, die in ihrer Form an kretisch-zyprische Vorbilder angelehnt ist.

Nachträge und Benutzungsspuren
Signaturenmarke der BAV auf dem Vorderspiegel. Schenkungsexlibris mit nachträglich aufgeklebter, wohl von einem früheren Vorsatzblatt stammenden lateinischer Inhaltsbezeichnung auf f. 1r. Signatur und Bibliotheksstempel der BAV auf f. 2r. Auf f. 49r Glossen von Martin Crusius. Von letzterem auf f. 208v auch lateinische Dankesbezeigung an den Heidelberger Gräzisten Guilielmus Xylander (= Wilhelm Holtzmann), durch dessen Vermittlung Crusius diese Hs. im Jahr 1575 nach Tübingen ausleihen konnte.

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Die Hs. findet sich in den Bestandslisten der Bibliothek Ulrich Fuggers, die im Jahr 1563 angelegt wurden, nicht als Originaleintrag. Allerdings wurde sie zu einem unbekannten Zeitpunkt an der sachlich richtigen Stelle nachgetragen (siehe BAV, Pal. lat. 1916, f. 541v). Ihr Erwerb erfolgte also zu einem späteren Zeitpunkt, weswegen folgerichtig der Vermerk seor(sum) einzelne Zukäufe bis zum Jahr 1563 hinweist. Möglicherweise gehört sie zu den Hss., die Andreas Darmarios im Frühjahr 1566 mit nach Augsburg brachte. Dafür spricht, dass ihre Machart auf Paralleltexte hindeutet, die im venezianischen Umfeld von Darmarios entstanden sind.
Aus dem Dankesvermerk von Martin Crusius am Ende der Hs. geht hervor, dass sie im Jahr 1575 bereits öffentlich zugänglich war.
Ulrich Fugger vermutlich erster Käufer der Hs. Spätestens nach seinem Tod Übergang in den Besitz der Bibliotheca Palatina, seit 1623 im Bestand der BAV.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_396
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 253–254; Laonici Chalcocondylae historiarum demonstrationes ad finem codicum rec., emend. annotat. crit. instr. Eugenius [= Jenõ] Darkó, I, Budapest 1922, S. XVIII.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 2r–208v Digitalisat

Verfasser
Laonicus Chalcocondyles (GND-Nr.: 118675478).
Titel
Demonstratio Historiarum libri decem.
TLG-Nummer
3139.001.
Angaben zum Text
f. 2r–21r Buch I; f. 21r–40r Buch II; f. 40r–61v Buch III; f. 62r–80v Buch IV; f. 80v–103r Buch V; f. 103r–120r Buch VI; f. 120v–139r Buch VII; f. 139r–162r Buch VIII; f. 162r–191r Buch IX; f. 191v–208v Buch X. Anstelle einer Schreibersubskription steht am Textende auf f. 208v der Vermerk τέλος λαονίκου ἀπόδειξις ἱστοριῶν δεκάτη τέλος.
Titel (Vorlage)
2r Λαονίκου ἀπόδειξις ἱστοριῶν.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Textmarken nicht nur am Lagenende (etwas tiefer eingetragen), sondern häufig auch bei einem Blattwechsel.
Edition
Laonici Chalcocondyli Atheniensis Historiarum libri decem ex recog. Immanuelis Bekker, Bonn 1843, S. 3–565; Laonici Chalcocondylae historiarum demonstrationes ad finem codicum rec., emend. annotat. crit. instr. Eugenius [= Jenõ] Darkó, 1: Praefatio, codicum catalogum et libros I–IV continens, S. 1–205; 2/1: Libros V–VII continens, S. 1–146; 2/2: Libros VIII–X et indices continens, S. 147–307, Budapest 1922, 1923 u. 1927 (diese Hs. Sigle H).


Bearbeitet von
Dr. Lars Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 14.12.2021.
Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.