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206

Mehrzweckgebäude

Mehrzweckgebäude
Auf die gelegentliche Mitnutzung der Durch-
fahrt von Hofscheunen zur winterlichen
Unterbringung der Schnuckenherde wurde
oben bereits eingegangen, ebenso auf die
Möglichkeit, aus solchen überlieferten Ver-
fahrensweisen die Entstehung der Hofschaf-
ställe in der scheunentypischen Bauweise des
eingehälsten Ankerbalkens herzuleiten. Bei
derartigen bauhistorischen Überlegungen
stoßen wir fast immer auf ein Zusammenspiel
mehrerer Faktoren, wobei der Stand der
Bautechnik, die wirtschaftlichen Gegeben-
heiten und kulturelle Überlieferungen zu
nennen sind. So gibt es, im Gegensatz zu der
oben skizzierten Entwicklungsreihe, die zu
„monofunktionalen“ Gebäuden führte, zahl-
reiche Indizien dafür, daß in manchen Regio-
nen auch eine umgekehrte Entwicklung
stattgefunden haben müßte. Es handelt sich
um Beobachtungen, betreffend den Typus
„Mehrzweckbauten“. Dieser Begriff wird in
dem Werk „Die Kunstdenkmale des Land-
kreises Celle“ <206> für vom „Grundtyp des
hallenartigen Einraumes“, also von einfa-
chen Wandständerbauten abgeleitete Gebäu-
de verwendet, bei denen der Stallraum „auf
einer Seite von einer Längsdurchfahrt, auf
der Gegenseite von einer Kübbung mit
Einzelboxen für Mutterschafe und Lämmer
sowie einer Hirtenkammer“ flankiert sind.
Daß Schafställe darüber hinaus mit Wagen-
oder Heidschauern und Schweinekoven
verbunden sein können, wurde bereits an
einzelnen Beispielen gezeigt. Erwähnt zu
werden verdient auch, daß Schafställe mit
eingebauten Backhäusern oder Speichern in
einzelnen Exemplaren außerhalb unseres
Untersuchungsgebietes angetroffen werden
können.
Die Beschreibung eines Kombinations-
gebäudes aus Schafstall, Heuscheune und
Kleinviehställen beim Horner Vorwerk von
1692 wurde im Kapiel „Schafhaltung“
gegeben. Nach Auskunft der Jordebücher
waren im 17. Jahrhundert solche Kombi-
nationsgebäude besonders in Dörfern
westlich und südlich von Rotenburg beinahe
regelhaft im Gebrauch. Vor allem ange-
baute Schweineställe und Remisen sowie
angegliederte Heidschauer wurden in den

Registern häufig vermerkt. Solche offenbar
meist kleinen Gebäude sind, soweit wir
feststellen konnten, heute nicht mehr erhalten
geblieben. Lediglich der Stall in Höperhöfen
(s.o. Abb. 45) könnte noch aus dem 17.
Jahrhundert stammen; er enthält einen klei-
nen abgeteilten Raum, bei dem es sich um
einen Torfschuppen gehandelt haben dürfte
und läßt weiter erkennen, daß sich an einer
der Längsseiten ehemals noch ein kübbungs-
ähnlicher Anbau befand. Über einen Hof in
Höperhöfen wird in den Jordebüchern ver-
zeichnet: „7 Schaffkafen daselbst von 1 Fach,
worbey noch 1 Fach zur Torfscheune zu
gebrauchen undt eine Zustellung, weicheß
ein Schweinßstall ist“. Es läßt sich mit
einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß
das Gebäude aus der Beschreibung mit dem
heute noch vorhandenen identisch ist.
Abweichend von der in dem Zitat über die
Mehrzweckbauten geäußerten Ansicht wur-
den von uns im Gebäudebestand nirgendwo
sichere Hinweise auf fest eingebaute Wohn-
räume für den Schäfer gefunden. Es wird
allerdings in der heimatkundlichen Literatur
gelegentlich erwähnt, daß „der Schäfer bei
den Schafen wohnte“. Es handelte sich dann
aber wohl um besondere Wohngebäude. Die
Beschreibung eines solchen Gebäudes ist uns
aus dem Jahre 1693 überliefert. Im Inventar
des „ Vorwercks auf dem Alten-Closter-
Berge“ bei Buxtehude findet sich folgende
Beschreibung <207>: „Westwerts (des Schafs
Kofen) ist Eine kleine untaugliche Stube
umher mit einer Leimwand beklebet, hat
einen von Dachpfannen zusammen geflickten
Ofen, vier noch ziemliche Fenster, fehlen
fünfzehen Rauten. Das Holtz daran ist wenig
nutze; wie auch das Obdach. “ - Eine
Schäferkate verzeichnete das Jordebuch von
1692 auch für Bartels Dorff, wo es hieß:
„Noch stunde auff seinem Hoffe (des
Halbhöfners Nr. 3) ein klein Hauß, welches
des Dorffs Schäffer Henrich Heidtman
darauff gebauet.
Für Otter, Landkreis Harburg, ist überliefert,
daß das ein wenig außerhalb des Dorfes
gelegene Hirtenhaus 1858 von der Gemeinde
zur Deckung der Verkopplungskosten ver-
kauft wurde <208>. Lediglich bei einem
Schafstall in Vahlde fanden wir einen pro-
visorischen Bretterverschlag im Dachboden,
 
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