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Mehrzweckgebäude

Auch im Westen des Landkreises Harburg
sind derartige quererschlossene Gebäude
nicht ganz selten, obgleich hier die Scheunen
mit (seitlichem) Längsaufschluß stark über-
wiegen. Ebenso wie bei den Schafställen
lassen sich also auch bei den Scheunenge-
bäuden regionale Unterschiede feststellen,
doch scheinen die Übergänge zwischen den
Typen mehr fließend gewesen zu sein.
Je weiter östlich wir in den Landkreis Har-
burg kommen, desto seltener stoßen wir auf
scheunenartige Nebengebäude mit Querauf-
schluß. Eine Ausnahmeerscheinung ist ein
ziemlich großes, langgestrecktes Gebäude,
das sich im Ortskern von Ramelsloh gegen-
über dem Kirchplatz entlang der Dorfstraße
erstreckt. Obgleich seit langem zum Wohn-
haus ausgebaut, wird das Bauwerk in der ört-
lichen Überlieferung noch immer als Pfarr-
scheune bezeichnet. Es gehörte zum alten
Pfarrhof, dessen Haupthaus vor einigen
Jahrzehnten abgebrannt ist.

Das Gebäude hat eine Grundfläche von
18,9 x 6,7 m bei einer Traufhöhe von 3 m.
Beiderseits besteht ein Steilgiebel; der in
Abbildung 158 wiedergegebene Giebel ist
mit einer Spitzsäule versehen.


Abb. 158: Ramelsloh, Lkrs. Harburg, Pfarrscheune,
Giebel mit Spitzsäule, Ausmauerung mit zweitver-
wendeten Klosterformat-Backsteinen

Bemerkenswert ist, daß das Fachwerk eine
primäre Ausmauerung mit Ziegelsteinen
unterschiedlicher Formate aufweist; großen-
teils handelt es sich um hochkant vermauerte
Steine im sogenannten Klosterformat, die in
Zweitverwendung von alten kirchlichen

Gebäuden stammen dürften. Trotz der primä-
ren Ausmauerung ist davon auszugehen, daß
das Gebäude bereits in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts errichtet worden ist. Dafür
sprechen die Kopfbänder und die Fußstreben
sowohl in den Außen- wie auch in den Innen-
wänden. Letztere sind durch die vielen Um-
bauvorgänge heute allerdings weitgehend aus-
geräumt, doch lassen die Balken und Wand-
ständer aufgrund ihrer Gefügespuren noch
erkennen, daß ursprünglich mehrere Quer-
wände mit Lehmflechtwerk vorhanden waren.
Die auf die Rähme der Außenwände aufge-
kämmten Balken bestehen aus kräftigen
Weichholzstämmen, was für die vermutete
Bauzeit wiederum ungewöhnlich erscheint.
Die Tatsache, das es sich um ein nicht rein
dörfliches, sondern um ein obrigkeitliches Ge-
bäude - nämlich das des Pfarrers - gehandelt
hat, läßt vielleicht die frühzeitige Verwen-
dung (importierten) Weichholzes, die moder-
ne Zimmerung und die primäre Ausmauerung
der Außenwände verständlich erscheinen.
Obgleich heute mit einem Ziegeldach verse-
hen, hatte das Gebäude ursprünglich ein
Weichdach besessen. Die älteren Sparren
bestehen aus sehr kräftigen Eichenstämmen.
Bei der wahrscheinlich schon in der Mitte des
19. Jahrhunderts erfolgten Umdeckung mit
Wellziegeln wurden übrigens nicht nur
zusätzliche Weichholzsparren, sondern auch
einige dünnere Deckenbalken eingefügt.
Die rekonstruierte ursprüngliche Ansicht
ergibt sich aus Tafel 49. Auf der Hofseite
befanden sich auffällig viele Türen, nämlich
ein großes und ein etwas kleineres zweiflüge-
liges Tor sowie fünf Fußgängertüren. Einige
weitere (ehemalige) Türen und Klappen
ließen sich auf den Giebelseiten und auch an
der Rückseite feststellen. Eine Analyse der
räumlichen Verhältnisse läßt zunächst ein
verwirrendes Bild entstehen. Am leichtesten
zu deuten ist noch die quere Durchfahrt von
der Hofseite zur Straßenseite hin, an die sich
auf der rechten Seite ein Bansenraum an-
schließt, der wiederum entsprechend seiner
vermutlichen Funktion als Futterraum
(Heubanse) eine Fußgängertür zum Hof
aufweist. Die rechts davon gelegene
Fußgängertür führte in einen kleinen, gang-
artigen Raum,der offensichtlich überwiegend
als Schweinestall konzipiert war.
 
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