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Mehrzweckgebäude

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Der auf der anderen Seite, zur Straße hin
gelegene Raum war dagegen oben nicht offen
gewesen, sondern hatte eine Decke aufge-
wiesen; diese konnte von der Durchfahrt her
betreten und beschickt werden. Der entspre-
chende Raumteil selbst ist gut vier Meter
breit und wurde auf beiden Seiten durch ein
außen angeschlagenes doppeltes Tor ver-
schlossen. Im Vergleich zu den beiden
Scheunendurchfahrten sind diese Einfahrten
etwas schmaler und vor allem niedriger. Der
tiefer liegende Torholm trägt einen Balken als
Lager für die Bohlendecke (Abb. 159b).


Abb. 159b: Teilansicht der rückwärtigen Traufseite,
unterschiedliche Höhe der Türstürze und lange
Schrägstreben im Außenfachwerk

Auch auf dem Hof in Wilstedt weiß man nichts
mehr über eine frühere Schafhaltung; dennoch
kann als sicher gelten, daß wir es hier mit
dem ehemaligen Hofschafstall zu tun haben.

Ein weiterer, hinter dem straßenseitigen
Giebel gelegener Raum war sicherlich als
Schweinestall konzipiert worden, da er trotz
seiner Schmalheit nicht weniger als drei
Türen und darüberliegende Klappen aufwies.
Im Gegensatz zu älteren Schweineställen
unserer Region, die zumeist nur als proviso-
rische, nur von außen zugängliche, schuppen-
artige Anbauten vorkamen, hatte hier wohl
schon ein innerer Futtergang bestanden. Es
erscheint erstaunlich, daß schon Mitte des
18. Jahrhunderts auf einem „normalen“
Bauernhof ein so großes und komplexes
Nebengebäude errichtet worden ist. Die
Lage der Hofstelle im Zentrum eines eng be-
bauten Kirchortes wird hier eine Entwicklung
beschleunigt haben, die auch sonst vielfach -
in den norddeutschen Geestgebieten
allerdings zumeist später - eingetreten ist:

das Aufgeben der ursprünglichen offenen
Hofanlage mit ihren Einzelbauten zugunsten
einer geschlossenen Bebauung mit wenigen
großen Gebäuden, die verschiedene Funktio-
nen unter einem Dach vereinigen. In diesem
Zusammenhang muß auch die Beobachtung
neu bewertet werden, daß es vielfach nicht
gelingt, das ehemalige Vorhandensein von
Hofschafställen - die doch für eine ordent-
liche Schnuckenhaltung eigentlich unent-
behrlich sein mußten - im Bestand oder auch
in der örtlichen Überlieferung nachzuweisen.
Die enge bauliche Einbindung der Schafställe
in den Scheunenkomplex und die regelmäßig
nach dem Niedergang der Schnuckenhaltung
erfolgte Umfunktionierung der Ställe ließen
diese aus dem Bewußtsein der Bewohner
verschwinden und führten dazu, daß bei
solchen Gebäuden ausschließlich die Scheu-
nennutzung anerkannt, eine andersartige
frühere Funktion dagegen meistens sogar
heftig bestritten wird. Auch Heimatforscher
und Hauskundler haben ihre Schwierigkeiten
mit diesen Bauten!

Das gilt auch für ein inschriftlich mit der
Jahreszahl 1812 datiertes Nebengebäude in
Höperhöfen (Abb. 160, Tafel 52), für das
sich trotz einschneidender Veränderun-
gen eine ursprüngliche Nutzung als Stall-
Speicher-Scheune feststellen läßt.


Abb. 160: Höperhöfen, Lkrs. Rotenburg/W., ursprüng-
lich queraufgeschlossenes Hofgebäude mit rückwär-
tiger Abseite, inschriftl. dat. 1812, später als Häus-
lingshaus mit Giebeltor ausgestattet

Im ursprünglichen Zustand hatte dieses
recht große Bauwerk in der hofzugewandten
hohen Traufseite zwei große Tore besessen.
Das eine Tor fungierte als Durchfahrt neben
einem Grundbansenraum, während das
 
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