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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Fenster im Baudenkmal — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 12.1994

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Weiß, Gerd: Einleitung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51143#0008
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Einleitung

Das vorliegende Arbeitsheft zum Thema „Das Fenster im Baudenk-
mal" entstand aus einer Veranstaltung des Instituts für Denkmalpflege
für die Denkmalbehörden Niedersachsens, die im August 1993 statt-
fand. Die dort gehaltenen Vorträge sind - in zum Teil überarbeiteter
und ergänzter Form - hier abgedruckt.
Da inzwischen die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der
Bundesrepublik Deutschland ein Faltblatt zum Thema „Hinweise für
die Behandlung historischer Fenster in Baudenkmälern" herausgege-
ben hat, sollen die dort aufgestellten Richtlinien denkmalpflegerischer
Arbeit vorangestellt werden.
Einleitend gibt Christoph Gerlach einen Überblick zum Thema „Was
ist ein historisches Fenster?" In seinem Beitrag stellt er wichtige Stufen
der Entwicklung zum heutigen Fenster vor und gibt anhand prakti-
scher Hinweise Sehhilfen zum Erkennen historischer Fenster. Die tägli-
che Praxis erweckt mitunter den Anschein als gäbe es das Holzspros-
senfenster als Denkmalfenster, das als Versatzstück einer Fassade ein-
geblendet werden kann. Ziel des Vortrags von Herrn Gerlach ist es, die
Vielfalt historischer Fenster vor Augen zu führen und damit ihren
gestalterischen und dokumentarischen Zeugniswert zu erkennen hel-
fen. Dies natürlich eher im Sinne einer Einführung in die Problemlage
als einer abschließenden Betrachtung, allerdings mit konkreten Hin-
weisen, worauf bei der Betrachtung eines historischen Fensters zu
achten ist.
Der Beitrag von HPC Weidner erläutert die allgemeinen Grundsätze
des denkmalpflegerischen Umgangs mit dem Fenster im Baudenkmal
und in seiner Umgebung. Oberster Grundsatz jeden denkmalpflegeri-
schen Tuns ist die Pflicht zur Erhaltung, die selbstverständlich auch für
den Umgang mit dem historischen Fenster gilt. Je nach der denkmal-
fachlichen Bewertung des angetroffenen Fensterbestandes und sei-
nes architektonischen und städtebaulichen Kontextes muß die konser-
vatorische Entscheidung für den Umgang mit dem Fenster im Bau-
denkmal abgewogen werden.
Zur Erhöhung der Anschaulichkeit sind gegenüber der Vortragsver-
anstaltung zwei Beiträge hinzugekommen, die Beispiele aus verschie-
denen Arbeitsbereichen Zusammentragen.
Cordula Reulecke, Konservatorin bei der Bezirksregierung Braun-
schweig, hat eine Beispielsammlung aus ihrem Tätigkeitsbereich ange-
legt, die direkt Bezug nimmt auf die grundsätzliche Ausführung von
HPC Weidner. Die Abbildungen sind analog zu den dort aufgeführten
Fallgruppen geordnet und illustrieren so beispielhaft die konservatori-
schen Bemerkungen.
Eva-Maria Eilhardt von der unteren Denkmalschutzbehörde der
Landeshauptstadt Hannover hat ihre Erfahrungen mit der Fensterpro-
blematik im großstädtischen Bereich zusammengefaßt. Sie geht dabei
insbesondere auf die großräumigen Siedlungszusammenhänge aus
dem Ende des 19. und dem 20. Jahrhundert ein.
Die Bandbreite der verschiedenen Möglichkeiten des Umgangs mit
dem Fenster im Baudenkmal führen die beiden folgenden Beiträge
vor Augen.
Zur Instandsetzung historischer Fenster referierte im Sommer 1993
Dieter Gärtner vom Deutschen Zentrum für Handwerk und Denkmal-
pflege in Fulda. Als Zusammenfassung seines frei gehaltenen Vor-
trags, für das leider kein gesondertes Manuskript vorlag, haben wir
dankenswerterweise die Erlaubnis zum Teilnachdruck der beiden Falt-
blätter zu diesem Thema erhalten, die vom ZHD Fulda herausgegeben
wurden.
Als für die Argumentation gegenüber Denkmaleigentümern aus-
gesprochen hilfreich hat sich das Faltblatt der Arbeitsgemeinschaft der
Verbraucherverbände von Jörg Schulze und Alexander Rudolphi „Muß
das alte Fenster weg?" (1992) erwiesen. Hier sind die wichtigsten öko-
logischen und ökonomischen Argumente für den Fenstererhalt über-
zeugend zusammengefaßt, ohne daß denkmalrechtliche Begründun-
gen aufgeführt werden.

Überhaupt ist der Wandel der denkmalpflegerischen Zielvorstellung
im Umgang mit Fenstern in den letzten Jahren deutlich: Angesichts
des stark geschrumpften Bestandes an historischen Fenstern hat der
Erhalt aus Sicht der Denkmalpflege Priorität vor der rekonstruierenden
Erneuerung. Dennoch gibt es eine Reihe von Fallgruppen, bei denen
nicht der Erhalt oder der exakte Nachbau des historischen Fensters
gefordert werden kann. Im einen Fall ist die Substanz so stark zerstört,
daß eine Reparatur nicht in Frage kommt, im anderen Fall kommt den
Fenstern im Baudenkmal keine eigene Denkmalbedeutung zu, so daß
einer Auswechslung zugestimmt werden muß.
Diesen in der Praxis häufig vorkommenden Fällen, bei denen der
dem Original möglichst nahekommende Gestaltwert im Vordergrund
steht, haben wir uns von der Seite des Handwerks genähert, da uns
daran lag, zu einem flexiblen Konstruktionssystem zu gelangen, das
auch von Seiten der fertigenden Handwerksbetriebe als ein praktikab-
les und wirtschaftliches Prinzip und von den Bauherren als eine
kostengünstige Alternative akzeptiert wird.
Der Beitrag von Hans-Peter Carstensen, der als Lehrer im Schreiner-
handwerk tätig ist, beeinhaltet seine aus der Praxis entwickelten Über-
legungen zu einem „Fensterbaukasten-System". Nach diesem System
wurden zur Überprüfung der Tauglichkeit des Systems Fenster im Auf-
trag des Instituts für Denkmalpflege als zentrale Denkmalfachbehörde
gefertigt. Maßzeichnungen und Fotos der Fenster sind in seinem Auf-
satz enthalten.
Aus denkmalpflegerischer Sicht überzeugend ist die Flexibilität des
Konstruktionsprinzips, das die Fertigung einer großen Bandbreite übli-
cher Fenstertypen bei geringen Holzquerschnitten und Profilierungen
ohne Wechsel des Werkzeugsatzes ermöglicht. Diesen Vorteilen steht
der Nachteil der im historischen Fensterbau nicht anzutreffenden Mini-
zinken-Eckverbindungen gegenüber. Für diejenigen Fälle, in denen
von Seiten der Denkmalpflege ein exakter Nachbau gefordert werden
muß, werden diese Fenster daher nicht in Frage kommen.
Die Beiträge von Günter Nagel und Klaus Germer schließlich erläu-
tern juristische Fragen des Genehmigungsverfahren und beleuchten
die Rechtsprechung zum Thema Fenster. Der Aufsatz von Germer
richtet sich vorrangig an die im Vollzug tätigen Denkmalfachkräfte.
Deutlich wird in dem Beitrag aber auch, daß die den Denkmaleigentü-
mer überzeugende Beratung durch die Denkmalbehörden, die die juri-
stischen Hilfsmittel nicht benötigt, zum Schutz und zur Erhaltung des
Baudenkmals am sinnvollsten ist.
Dr. Gerd Weiß
Hauptkonservator

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