Neue Fenster in alten Fassaden
Hans-Peter Carstensen
Der folgende Beitrag von H.-P. Carstensen, der als Lehrer im Ausbil-
dungsbereich des Schreinerhandwerks tätig ist, nähert sich dem Pro-
blem des denkmalgerechten Fensters aus der Sicht des Handwerks.
Die konstruktiven und technischen Hinweise richten sich vor allem an
den fertigenden Partner im Handwerk und an den bauleitenden
Architekten.
Der Autor stellt eine der denkbaren konstruktiven Lösungsmöglich-
keiten für die am häufigsten vorkommenden Fallgruppen C bis E der
Fenstererneuerung vor (vgl. Beitrag Weidner); selbstverständlich sind
auch andere handwerkliche Ausführungslösungen möglich. Bei diesen
Fallgruppen ist insbesondere die Erfüllung der gestalterischen und
funktionalen Anforderungen an das Ersatzfenster von Bedeutung. Das
hier vorgeschlagene Konstruktionssystem kann flexibel auf die jewei-
lige Aufgabe reagieren und die üblichen Fenstertypen rationell in
einem einheitlichen Konstruktionsprinzip fertigen unter genauer Nach-
bildung der jeweiligen historischen Gestaltwerte. Die Anforderungen,
die an einen exakten Nachbau des historischen Fensters zu stellen sind,
kann es nicht erfüllen, da es nicht mit der im historischen Fensterbau
üblichen Schlitz-Zapfen-Verbindung arbeitet, sondern aus Gründen der
Fertigungstechnik mit modernen Minizinken-Eckverbindungen.
1 Anforderungen an neue Fenster für alte Fassaden
a Gestalterische Anforderungen
Einhaltung der historischen
- Größe, Form (Format), Flächenteilung,
- Profilbreiten in der Ansicht, auch bei unterschiedlichen Rohbaulicht-
maßen,
- Öffnungsart der Flügel,
- Farbgestaltung,
- Profilierung der Rahmenhölzer, Sprossen, Bekleidungen, Fenster-
bänke,
- Gestaltung der Wandanschlüsse (Fensterbänke, Futter, Bekleidun-
gen, Klappläden, Rolläden, Sohlbänke),
- Beschläge und Werkstoffe (Holz, Glas, Anstrichsystem),
wobei die historische Vorlage möglichst dem Original oder aber dem
Original ähnlicher Gebäude der gleichen Zeitstellung in der nahen
Umgebung zu entnehmen ist.
b Technische Anforderungen
Bauphysikalische Anforderungen
- Fugendichtheit (umlaufende Falzgestaltung. Dichtungen),
- Steifigkeit der Rahmenhölzer (Fensterstatik),
- Schlagregendichtheit (Wasserführung in den vertikalen und horizon-
talen Fälzen),
- Wärmeschutz (Fugendichtheit, Verglasung),
- Tauwasserschutz (Bauwerksanschluß, Verglasung),
- Schallschutz (Fugendichtheit, Verglasung, Bauwerksanschluß),
- Brandschutz (Werkstoffwahl, Problem der amtlichen Zulassung).
Allgemeine Gebrauchsanforderungen
- Belichtung (Glasanteil),
- Lüftung (Öffnungsart, Beschläge),
- Einbruchhemmung (Rahmenkonstruktion, Verglasung, Beschläge),
- leichte Handhabung der Beschläge (Auswahl der Beschläge).
Werkstofftechnische Gebrauchsanforderungen
Beständigkeit
- der Oberfläche (Schichtdicke, Farbton, chemischer Holzschutz, Werk-
stoffwahl),
- der Rahmenwerkstoffe (Holzart, Holzauswahl, konstruktiver Holz-
schutz),
- der Rahmenkonstruktion (Festigkeit der Eckverbindung),
- der Verglasung (Glasauswahl, Glaseinbau, Glasfalzabdichtung),
- der Beschläge (Oberflächenveredlung, Schrauben, Wartung),
- Putzfreundlichkeit (Rahmenprofil, Verglasung),
- Wartungsfreundlichkeit (Oberfläche, Beschläge).
c Anforderungen des Verarbeiters
- kurze Fertigungszeit (Teilfertigung, Teileverbindung, Zusammenbau,
Anschlägen, Verglasung, Oberflächenbehandlung, Einbau),
- geringer Werkzeug- und Maschinenaufwand bei gleichzeitiger viel-
seitiger individueller Gestaltungsmöglichkeit (Baukastensystem),
- geringer Werkstoffaufwand (Holzart, Schnittholzmaße, Beschläge,
Glas, Oberflächenbehandlungsmittel, Zubehör),
- günstiges Reparaturverhalten,
- Einbaumöglichkeit von Rolläden, Klappläden, etc.
d Erfüllung der baurechtlichen Bestimmungen
z.B.:
- DIN 68121 (Holzprofile für Fenster und Fenstertüren),
- DIN 18355 (VOB, Tischlerarbeiten),
- Verglasungsrichtlinien.
e Ökologische und gesundheitliche Anforderungen
Umweltfreundlichkeit
- der Werkstoffherstellung (Tropenholzdiskussion, Alu- und PVC-Her-
stellung),
- der Werkstoffverarbeitung (Belastung durch Stäube und Dämpfe),
- der Werkstoffnutzung (Emissionen durch Holzschutzmittel u. Lacke),
- der Werkstoffentsorgung (PVC).
f Ökonomische Anforderungen
- geringe Anschaffungskosten,
- geringe Wartungskosten,
- hohe Lebensdauer,
- große Energieeinsparung.
2 Konstruktionsgrundsätze
a Formale Grundsätze
(vgl. auch Beitrag Weidner, Fallgruppe D, S. 28)
Flächenteilung, Scheibenformate
Sehr häufig sind Fenster im Laufe der Zeit verändert worden. Die heu-
tige Form entspricht dann oft nicht mehr der ursprünglichen Gestal-
tung und führt zu einer Beeinträchtigung des historischen Gesamtein-
drucks der Fassade. Bei einer Fenstererneuerung ist in solchen Fällen
eine Annäherung an das ursprüngliche Erscheinungsbild anzustreben,
wobei Kompromisse unvermeidbar sind. Rekonstruktionsforderungen
sind in solchen Fällen nur selten sinnvoll. Sie sind bei Verlust des Origi-
nals auch rechtlich kaum durchsetzbar.
Ziel ist es, wieder zu einer harmonischen Gesamterscheinung der
Fassade zu gelangen und die Fehler der Vergangenheit durch eine
angemessene Gestaltungsentscheidung zu kompensieren. Dabei ist in
jedem Fall vorher eine Gesamtplanung zu erstellen. Besonders wichtig
ist es, daß alle Fassadenteile des Bauwerkes mit den geplanten neuen
Fenstern und Türen maßstäblich gezeichnet werden. Mehrere maß-
stäbliche Ansichtszeichnungen mit verschiedenen Flächenteilungen
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Hans-Peter Carstensen
Der folgende Beitrag von H.-P. Carstensen, der als Lehrer im Ausbil-
dungsbereich des Schreinerhandwerks tätig ist, nähert sich dem Pro-
blem des denkmalgerechten Fensters aus der Sicht des Handwerks.
Die konstruktiven und technischen Hinweise richten sich vor allem an
den fertigenden Partner im Handwerk und an den bauleitenden
Architekten.
Der Autor stellt eine der denkbaren konstruktiven Lösungsmöglich-
keiten für die am häufigsten vorkommenden Fallgruppen C bis E der
Fenstererneuerung vor (vgl. Beitrag Weidner); selbstverständlich sind
auch andere handwerkliche Ausführungslösungen möglich. Bei diesen
Fallgruppen ist insbesondere die Erfüllung der gestalterischen und
funktionalen Anforderungen an das Ersatzfenster von Bedeutung. Das
hier vorgeschlagene Konstruktionssystem kann flexibel auf die jewei-
lige Aufgabe reagieren und die üblichen Fenstertypen rationell in
einem einheitlichen Konstruktionsprinzip fertigen unter genauer Nach-
bildung der jeweiligen historischen Gestaltwerte. Die Anforderungen,
die an einen exakten Nachbau des historischen Fensters zu stellen sind,
kann es nicht erfüllen, da es nicht mit der im historischen Fensterbau
üblichen Schlitz-Zapfen-Verbindung arbeitet, sondern aus Gründen der
Fertigungstechnik mit modernen Minizinken-Eckverbindungen.
1 Anforderungen an neue Fenster für alte Fassaden
a Gestalterische Anforderungen
Einhaltung der historischen
- Größe, Form (Format), Flächenteilung,
- Profilbreiten in der Ansicht, auch bei unterschiedlichen Rohbaulicht-
maßen,
- Öffnungsart der Flügel,
- Farbgestaltung,
- Profilierung der Rahmenhölzer, Sprossen, Bekleidungen, Fenster-
bänke,
- Gestaltung der Wandanschlüsse (Fensterbänke, Futter, Bekleidun-
gen, Klappläden, Rolläden, Sohlbänke),
- Beschläge und Werkstoffe (Holz, Glas, Anstrichsystem),
wobei die historische Vorlage möglichst dem Original oder aber dem
Original ähnlicher Gebäude der gleichen Zeitstellung in der nahen
Umgebung zu entnehmen ist.
b Technische Anforderungen
Bauphysikalische Anforderungen
- Fugendichtheit (umlaufende Falzgestaltung. Dichtungen),
- Steifigkeit der Rahmenhölzer (Fensterstatik),
- Schlagregendichtheit (Wasserführung in den vertikalen und horizon-
talen Fälzen),
- Wärmeschutz (Fugendichtheit, Verglasung),
- Tauwasserschutz (Bauwerksanschluß, Verglasung),
- Schallschutz (Fugendichtheit, Verglasung, Bauwerksanschluß),
- Brandschutz (Werkstoffwahl, Problem der amtlichen Zulassung).
Allgemeine Gebrauchsanforderungen
- Belichtung (Glasanteil),
- Lüftung (Öffnungsart, Beschläge),
- Einbruchhemmung (Rahmenkonstruktion, Verglasung, Beschläge),
- leichte Handhabung der Beschläge (Auswahl der Beschläge).
Werkstofftechnische Gebrauchsanforderungen
Beständigkeit
- der Oberfläche (Schichtdicke, Farbton, chemischer Holzschutz, Werk-
stoffwahl),
- der Rahmenwerkstoffe (Holzart, Holzauswahl, konstruktiver Holz-
schutz),
- der Rahmenkonstruktion (Festigkeit der Eckverbindung),
- der Verglasung (Glasauswahl, Glaseinbau, Glasfalzabdichtung),
- der Beschläge (Oberflächenveredlung, Schrauben, Wartung),
- Putzfreundlichkeit (Rahmenprofil, Verglasung),
- Wartungsfreundlichkeit (Oberfläche, Beschläge).
c Anforderungen des Verarbeiters
- kurze Fertigungszeit (Teilfertigung, Teileverbindung, Zusammenbau,
Anschlägen, Verglasung, Oberflächenbehandlung, Einbau),
- geringer Werkzeug- und Maschinenaufwand bei gleichzeitiger viel-
seitiger individueller Gestaltungsmöglichkeit (Baukastensystem),
- geringer Werkstoffaufwand (Holzart, Schnittholzmaße, Beschläge,
Glas, Oberflächenbehandlungsmittel, Zubehör),
- günstiges Reparaturverhalten,
- Einbaumöglichkeit von Rolläden, Klappläden, etc.
d Erfüllung der baurechtlichen Bestimmungen
z.B.:
- DIN 68121 (Holzprofile für Fenster und Fenstertüren),
- DIN 18355 (VOB, Tischlerarbeiten),
- Verglasungsrichtlinien.
e Ökologische und gesundheitliche Anforderungen
Umweltfreundlichkeit
- der Werkstoffherstellung (Tropenholzdiskussion, Alu- und PVC-Her-
stellung),
- der Werkstoffverarbeitung (Belastung durch Stäube und Dämpfe),
- der Werkstoffnutzung (Emissionen durch Holzschutzmittel u. Lacke),
- der Werkstoffentsorgung (PVC).
f Ökonomische Anforderungen
- geringe Anschaffungskosten,
- geringe Wartungskosten,
- hohe Lebensdauer,
- große Energieeinsparung.
2 Konstruktionsgrundsätze
a Formale Grundsätze
(vgl. auch Beitrag Weidner, Fallgruppe D, S. 28)
Flächenteilung, Scheibenformate
Sehr häufig sind Fenster im Laufe der Zeit verändert worden. Die heu-
tige Form entspricht dann oft nicht mehr der ursprünglichen Gestal-
tung und führt zu einer Beeinträchtigung des historischen Gesamtein-
drucks der Fassade. Bei einer Fenstererneuerung ist in solchen Fällen
eine Annäherung an das ursprüngliche Erscheinungsbild anzustreben,
wobei Kompromisse unvermeidbar sind. Rekonstruktionsforderungen
sind in solchen Fällen nur selten sinnvoll. Sie sind bei Verlust des Origi-
nals auch rechtlich kaum durchsetzbar.
Ziel ist es, wieder zu einer harmonischen Gesamterscheinung der
Fassade zu gelangen und die Fehler der Vergangenheit durch eine
angemessene Gestaltungsentscheidung zu kompensieren. Dabei ist in
jedem Fall vorher eine Gesamtplanung zu erstellen. Besonders wichtig
ist es, daß alle Fassadenteile des Bauwerkes mit den geplanten neuen
Fenstern und Türen maßstäblich gezeichnet werden. Mehrere maß-
stäbliche Ansichtszeichnungen mit verschiedenen Flächenteilungen
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