Hinweise für die Behandlung historischer Fenster in Baudenkmälern
Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland
Problembeschreibung und
denkmalpflegerische Zielsetzung
Seit vielen Jahrhunderten sind Fenster wesentliche Funktions- und
Gestaltungselemente des Hauses. Kein anderer Bauteil hat so vielfäl-
tige und widersprüchliche Aufgaben zu erfüllen, von der Belichtung,
über den Witterungsschutz, bis zur Belüftung; kein Bauteil repräsen-
tiert eine vergleichbare Konzentration verschiedener Handwerkstech-
niken wie das Fenster, an dessen Herstellung bis zu fünf Gewerke
beteiligt sind, und kein Bauteil hat eine ähnliche umfassende Wirkung
für die architektonische Erscheinung. Entsprechend vielfältig sind auch
die geschichtlichen Informationen, die uns erhaltene historische Fen-
ster übermitteln. Sie berichten von unterschiedlichen Entwicklungen im
Laufe der Jahrhunderte und in verschiedenen Gegenden. Sie zeigen
Änderungen in den funktionalen Anforderungen und die technischen
Antworten im Hinblick auf Belichtung, Dichtigkeit und Lüftungs-
methode. Sie verdeutlichen den sozialen Stand der jeweiligen Bauher-
ren, das gestalterische Wollen und die handwerklichen Möglichkeiten
der Erbauungszeit.
Man sollte annehmen, daß Bauelemente mit solcher Dichte histori-
scher Aussagen auch eine besondere Wertschätzung und Fürsorge
der Eigentümer genießen. Das ist bisher aber nur selten der Fall; das
Verständnis für den Wert historischer Fenster scheint eher unterent-
wickelt zu sein. Die heute übliche Sichtweise bleibt im allgemeinen auf
eine oberflächliche Aufnahme des Erscheinungsbildes begrenzt. Ein-
zelheiten der Konstruktion und der formalen Durchgestaltung im
Detail, die den Wert einer konkreten Einzellösung ausmachen, bleiben
dabei weitgehend außer acht. Dementsprechend wird in großem
Umfang Bestand vernichtet und gegen Serienprodukte ausgetauscht,
deren standardisierte Profile und Sprossenteilungen den Reichtum
und die Aussagevielfalt der historischen Fenster auch nicht annähernd
vermitteln oder gar ersetzen können.
Die Denkmalpflege verfolgt das Ziel, ein Wertbewußtsein auch für
historische Fenster zu vermitteln und so eine Behandlung zu erreichen,
die ihrem Wert als bedeutendes Element überlieferter Architektur und
als Quelle vielfältiger geschichtlicher Informationen gerecht wird. Das
setzt zunächst voraus, daß der Bestand im Hinblick auf seinen Aussa-
gewert innerhalb des jeweiligen Bauwerks und im Hinblick auf den
Gehalt eigener historischer Informationen differenziert beurteilt wird.
Aus dieser Beurteilung ergibt sich die Forderung nach der Erhaltung
von Fenstern mit Anteil an der Denkmaleigenschaft eines Bauwerks,
die wiederum durch den baulichen Zustand, d.h. die Erhaltungsfähig-
keit relativiert wird.
Bautechnische Fragen der Fenstererhaltung
Zur Prüfung der Erhaltungsfähigkeit ist gegebenenfalls eine exakte
Schadens- und Funktionsanalyse durchzuführen, die klärt, ob und mit
welchen notwendigen Eingriffen ein Fenster noch repariert werden
kann bzw. ob und wie eine Anpassung des Bestandes an moderne
Nutzungsanforderungen der Dichtigkeit, der Wärmedämmung und
des Schallschutzes möglich ist. Bauherren, die sich anschicken, für eine
Fenstersanierung hohe Summen zu investieren, sollten deshalb fol-
gendes bedenken:
- Ein großer Teil der Fenster, die heute üblicherweise beseitigt wer-
den, weist nur sehr geringe oder gar keine Schäden auf.
- Ein sehr hoher Prozentsatz schadhafter Fenster ist mit geringeren
oder höchstens den gleichen Kosten zu reparieren, die man für ent-
sprechende neue Fenster aufwenden müßte. Reparatur hat gegen-
über der Erneuerung aber einen wesentlichen Vorteil: sie rettet das
wertvolle historische Original.
- Historische Fenster sind Teile eines funktionierenden bautechni-
schen Gesamtsystems. Ihre Undichtigkeit und ihre Wirkung als Kon-
densationsfläche verhindern Feuchteschäden an schlecht gedämm-
ten Außenwänden, wo sonst leicht Schimmelpilze entstehen könn-
ten. Oft ist der Einbau neuer normengerechter Fenster nur dann
technisch vertretbar, wenn gleichzeitig eine aufwendige Dämmung
der Außenwände durchgeführt wird.
- Der am meisten genannte Grund für den Austausch historischer
Fenster ist die beabsichtigte Verbesserung des Wärmeschutzes. Die
Energieeinsparungsmöglichkeiten werden jedoch häufig stark über-
schätzt. Sie sind in Wirklichkeit sehr von der Fenstergröße im Ver-
gleich zu den raumumgreifenden Flächen abhängig, von der Him-
melsrichtung und der Notwendigkeit des Lüftens. Wirtschaftlich ist
der Einbau moderner Isolierglasfenster nur dann, wenn sich der
Kostenaufwand für die neuen Fenster innerhalb ihrer Lebensdauer
durch Energieeinsparungen abdecken läßt. Dies ist aber längst nicht
immer der Fall, insbesondere dann nicht, wenn es sich um Gebäude
mit kleinen Fensterflächen handelt.
- Die Anforderungen erhöhter Wärmedämmung lassen sich in der
Regel durch innenseitig in der Laibung vorgesetzte Zweitfenster
oder durch den Umbau der vorhandenen Fenster zu Kastenfenstern
erreichen. Die Dämmeigenschaften eines entsprechenden Kasten-
fensters sind besser als der heute übliche Standard bei Isolierglas-
fenstern.
- Die Lebensdauer gut reparierter und umgebauter Fenster muß kei-
neswegs geringer sein als die von neuen Fenstern.
- Die Argumentation von Fachfirmen wird naturgemäß auch durch
deren spezifische technische Möglichkeiten und wirtschaftliche
Interessen mitbestimmt. Der Einbau moderner Fenster ist einfacher
und für die Firmen in vielen Fällen gewinnbringender als Reparatur
und Umbau. Dies sollte jeder berücksichtigen, der sich beraten läßt.
- Die modernen Fensternormen sind für Neubauten mit großen Glas-
flächen entwickelt worden. Die Anwendung dieser Empfehlungen
für Neubauten ist bei historischen Gebäuden weder gesetzlich vor-
geschrieben noch technisch zwingend. (Dies läßt sich an vielen über
hundertjährigen Fenstern belegen, die noch heute funktionsfähig
sind.) Der Umbau von historischen Fenstern zu funktionsgerechten
Fenstern, die sinnvollen modernen Anforderungen des Wärme-
schutzes und der Dichtigkeit entsprechen, oder die denkmalge-
rechte Fenstererneuerung, sind auch ohne Normenprofile und vor
allem ohne Verzicht auf die übliche Garantie möglich. (Dies läßt sich
durch Ausführungen an vielen Beispielen nachweisen.)
Denkmalpflegerische Grundsätze für die Fenstererhaltung
Aufgrund der geschilderten Voraussetzungen gelten für erhaltene
historische Fenster an Baudenkmälern folgende Grundsätze:
- Originalfenster gehören zum wesentlichen Bestand eines jeden Bau-
denkmals, ihr Zeugniswert ist durch keine Nachbildung auch nur
annähernd zu ersetzen. Sie sind daher zu reparieren, soweit dies
technisch möglich ist. (In der Regel sind Reparaturen bis zu einem
Substanzaustausch von ca. 20 % nicht nur technisch und denkmal-
pflegerisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich.)
- Wärmedämmung ist kein Selbstzweck, sie sollte nur dann ausge-
führt werden, wenn sie auch wirtschaftlich vertretbar ist, und sie darf
nur so ausgeführt werden, daß sie den Bestand nicht gefährdet.
Dazu bietet sich in aller Regel die Ergänzung durch innenseitig in der
Laibung vorgesetzte Zweitfenster oder der Umbau in Kastenfenster
an. Bei ausreichenden Holzstärken können auch Zusatzflügel aufge-
setzt werden.
- Nur wenn der schlechte Bauzustand eine Erhaltung und Funktions-
anpassung nicht zuläßt, ist ein Austausch gegen neue Fenster zu
rechtfertigen. Deshalb sind alte Fenster genau auf ihren Zustand zu
untersuchen. Je mehr Fenster an einem Gebäude schadhaft sind,
umso weniger ist es vertretbar, alle auszutauschen, denn damit
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Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland
Problembeschreibung und
denkmalpflegerische Zielsetzung
Seit vielen Jahrhunderten sind Fenster wesentliche Funktions- und
Gestaltungselemente des Hauses. Kein anderer Bauteil hat so vielfäl-
tige und widersprüchliche Aufgaben zu erfüllen, von der Belichtung,
über den Witterungsschutz, bis zur Belüftung; kein Bauteil repräsen-
tiert eine vergleichbare Konzentration verschiedener Handwerkstech-
niken wie das Fenster, an dessen Herstellung bis zu fünf Gewerke
beteiligt sind, und kein Bauteil hat eine ähnliche umfassende Wirkung
für die architektonische Erscheinung. Entsprechend vielfältig sind auch
die geschichtlichen Informationen, die uns erhaltene historische Fen-
ster übermitteln. Sie berichten von unterschiedlichen Entwicklungen im
Laufe der Jahrhunderte und in verschiedenen Gegenden. Sie zeigen
Änderungen in den funktionalen Anforderungen und die technischen
Antworten im Hinblick auf Belichtung, Dichtigkeit und Lüftungs-
methode. Sie verdeutlichen den sozialen Stand der jeweiligen Bauher-
ren, das gestalterische Wollen und die handwerklichen Möglichkeiten
der Erbauungszeit.
Man sollte annehmen, daß Bauelemente mit solcher Dichte histori-
scher Aussagen auch eine besondere Wertschätzung und Fürsorge
der Eigentümer genießen. Das ist bisher aber nur selten der Fall; das
Verständnis für den Wert historischer Fenster scheint eher unterent-
wickelt zu sein. Die heute übliche Sichtweise bleibt im allgemeinen auf
eine oberflächliche Aufnahme des Erscheinungsbildes begrenzt. Ein-
zelheiten der Konstruktion und der formalen Durchgestaltung im
Detail, die den Wert einer konkreten Einzellösung ausmachen, bleiben
dabei weitgehend außer acht. Dementsprechend wird in großem
Umfang Bestand vernichtet und gegen Serienprodukte ausgetauscht,
deren standardisierte Profile und Sprossenteilungen den Reichtum
und die Aussagevielfalt der historischen Fenster auch nicht annähernd
vermitteln oder gar ersetzen können.
Die Denkmalpflege verfolgt das Ziel, ein Wertbewußtsein auch für
historische Fenster zu vermitteln und so eine Behandlung zu erreichen,
die ihrem Wert als bedeutendes Element überlieferter Architektur und
als Quelle vielfältiger geschichtlicher Informationen gerecht wird. Das
setzt zunächst voraus, daß der Bestand im Hinblick auf seinen Aussa-
gewert innerhalb des jeweiligen Bauwerks und im Hinblick auf den
Gehalt eigener historischer Informationen differenziert beurteilt wird.
Aus dieser Beurteilung ergibt sich die Forderung nach der Erhaltung
von Fenstern mit Anteil an der Denkmaleigenschaft eines Bauwerks,
die wiederum durch den baulichen Zustand, d.h. die Erhaltungsfähig-
keit relativiert wird.
Bautechnische Fragen der Fenstererhaltung
Zur Prüfung der Erhaltungsfähigkeit ist gegebenenfalls eine exakte
Schadens- und Funktionsanalyse durchzuführen, die klärt, ob und mit
welchen notwendigen Eingriffen ein Fenster noch repariert werden
kann bzw. ob und wie eine Anpassung des Bestandes an moderne
Nutzungsanforderungen der Dichtigkeit, der Wärmedämmung und
des Schallschutzes möglich ist. Bauherren, die sich anschicken, für eine
Fenstersanierung hohe Summen zu investieren, sollten deshalb fol-
gendes bedenken:
- Ein großer Teil der Fenster, die heute üblicherweise beseitigt wer-
den, weist nur sehr geringe oder gar keine Schäden auf.
- Ein sehr hoher Prozentsatz schadhafter Fenster ist mit geringeren
oder höchstens den gleichen Kosten zu reparieren, die man für ent-
sprechende neue Fenster aufwenden müßte. Reparatur hat gegen-
über der Erneuerung aber einen wesentlichen Vorteil: sie rettet das
wertvolle historische Original.
- Historische Fenster sind Teile eines funktionierenden bautechni-
schen Gesamtsystems. Ihre Undichtigkeit und ihre Wirkung als Kon-
densationsfläche verhindern Feuchteschäden an schlecht gedämm-
ten Außenwänden, wo sonst leicht Schimmelpilze entstehen könn-
ten. Oft ist der Einbau neuer normengerechter Fenster nur dann
technisch vertretbar, wenn gleichzeitig eine aufwendige Dämmung
der Außenwände durchgeführt wird.
- Der am meisten genannte Grund für den Austausch historischer
Fenster ist die beabsichtigte Verbesserung des Wärmeschutzes. Die
Energieeinsparungsmöglichkeiten werden jedoch häufig stark über-
schätzt. Sie sind in Wirklichkeit sehr von der Fenstergröße im Ver-
gleich zu den raumumgreifenden Flächen abhängig, von der Him-
melsrichtung und der Notwendigkeit des Lüftens. Wirtschaftlich ist
der Einbau moderner Isolierglasfenster nur dann, wenn sich der
Kostenaufwand für die neuen Fenster innerhalb ihrer Lebensdauer
durch Energieeinsparungen abdecken läßt. Dies ist aber längst nicht
immer der Fall, insbesondere dann nicht, wenn es sich um Gebäude
mit kleinen Fensterflächen handelt.
- Die Anforderungen erhöhter Wärmedämmung lassen sich in der
Regel durch innenseitig in der Laibung vorgesetzte Zweitfenster
oder durch den Umbau der vorhandenen Fenster zu Kastenfenstern
erreichen. Die Dämmeigenschaften eines entsprechenden Kasten-
fensters sind besser als der heute übliche Standard bei Isolierglas-
fenstern.
- Die Lebensdauer gut reparierter und umgebauter Fenster muß kei-
neswegs geringer sein als die von neuen Fenstern.
- Die Argumentation von Fachfirmen wird naturgemäß auch durch
deren spezifische technische Möglichkeiten und wirtschaftliche
Interessen mitbestimmt. Der Einbau moderner Fenster ist einfacher
und für die Firmen in vielen Fällen gewinnbringender als Reparatur
und Umbau. Dies sollte jeder berücksichtigen, der sich beraten läßt.
- Die modernen Fensternormen sind für Neubauten mit großen Glas-
flächen entwickelt worden. Die Anwendung dieser Empfehlungen
für Neubauten ist bei historischen Gebäuden weder gesetzlich vor-
geschrieben noch technisch zwingend. (Dies läßt sich an vielen über
hundertjährigen Fenstern belegen, die noch heute funktionsfähig
sind.) Der Umbau von historischen Fenstern zu funktionsgerechten
Fenstern, die sinnvollen modernen Anforderungen des Wärme-
schutzes und der Dichtigkeit entsprechen, oder die denkmalge-
rechte Fenstererneuerung, sind auch ohne Normenprofile und vor
allem ohne Verzicht auf die übliche Garantie möglich. (Dies läßt sich
durch Ausführungen an vielen Beispielen nachweisen.)
Denkmalpflegerische Grundsätze für die Fenstererhaltung
Aufgrund der geschilderten Voraussetzungen gelten für erhaltene
historische Fenster an Baudenkmälern folgende Grundsätze:
- Originalfenster gehören zum wesentlichen Bestand eines jeden Bau-
denkmals, ihr Zeugniswert ist durch keine Nachbildung auch nur
annähernd zu ersetzen. Sie sind daher zu reparieren, soweit dies
technisch möglich ist. (In der Regel sind Reparaturen bis zu einem
Substanzaustausch von ca. 20 % nicht nur technisch und denkmal-
pflegerisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich.)
- Wärmedämmung ist kein Selbstzweck, sie sollte nur dann ausge-
führt werden, wenn sie auch wirtschaftlich vertretbar ist, und sie darf
nur so ausgeführt werden, daß sie den Bestand nicht gefährdet.
Dazu bietet sich in aller Regel die Ergänzung durch innenseitig in der
Laibung vorgesetzte Zweitfenster oder der Umbau in Kastenfenster
an. Bei ausreichenden Holzstärken können auch Zusatzflügel aufge-
setzt werden.
- Nur wenn der schlechte Bauzustand eine Erhaltung und Funktions-
anpassung nicht zuläßt, ist ein Austausch gegen neue Fenster zu
rechtfertigen. Deshalb sind alte Fenster genau auf ihren Zustand zu
untersuchen. Je mehr Fenster an einem Gebäude schadhaft sind,
umso weniger ist es vertretbar, alle auszutauschen, denn damit
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