Konservatorische Fragen der Erhaltung und Erneuerung
von Fenstern in Baudenkmalen
HPC Weidner
Baudenkmale unterscheiden sich von allen anderen Dingen unserer
gebauten Umwelt dadurch, daß an ihrer Erhaltung wegen einer nach-
weisbaren geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder
städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht. (Hier
wurde exemplarisch die Definition im Niedersächsischen Denkmal-
schutzgesetz § 3(2) zugrundegelegt). Eine solche Bedeutung äußert
sich nicht allein in der landläufig vorrangig beachteten „Schönheit" der
als Denkmale bewerteten Gebäude: Diese gesetzliche Definition geht
davon aus, daß ein Baudenkmal wie jedes andere Kulturdenkmal sub-
stantiell Zeugnis über Geschichte ablegt, also in erster Linie Auskunft
über sein Alter, seine Entstehungszeit wie auch seine bauliche Ent-
wicklung bis heute gibt. Damit in Verbindung stehen künstlerische,
bautechnische, typologische, städtebauliche oder sonstige Besonder-
heiten, die in der Summe seine Denkmalwertigkeit begründen.
Die Zeugnisfähigkeit von Baudenkmalen ist von ihrem Dokumenten-
wert abhängig. Und der mißt sich bekanntermaßen an der Originalität
der materiellen Substanz. Nur in dem Maße, wie originale Substanz
überliefert ist, ist auch ein historischer Zeugniswert gegeben. Das
Erneuerte, Kopierte, Wiederhergestellte ist zwar geeignet, nicht mehr
durch Originale belegte Geschichte zu illustrieren und Zusammen-
hänge im teilzerstörten Original wiederherzustellen. Es hat damit einen
nicht zu unterschätzenden didaktischen Wert. Als Geschichtsquelle, als
Dokument im wissenschaftlichen Sinn, kann eine noch so gewissen-
haft gefertigte Replik jedoch nicht mehr herangezogen werden.
Auf diesem konservatorischen Grundsatz bauen alle deutschen
Denkmalschutzgesetze auf und leiten daraus zwei Grundforderungen
für das geschützte Kulturgut ab: die Pflicht zur Erhaltung sowie den
Schutz vor Zerstörung (vgl. hierzu § 6 NDSchG).
1 Pflicht zur Erhaltung
Der Begriff Erhaltung im Sinne von Nichtwegwerfen suggeriert einen
scheinbar inaktiven Vorgang, nämlich den des Aufbewahrens. Wir wis-
sen aber, daß nichts auf dieser Welt unvergänglich ist, durch geeignete
Maßnahmen der Zerfall jedoch gemindert, der Verlust hinausgezögert
werden kann. Nicht umsonst wird der Denkmalpfleger auch „Konser-
vator" genannt. Sein besonderes Problem ist (in einem gewissen
Gegensatz zu seinen Kollegen in Archiven und Museen), daß seine
Schützlinge, die Kulturdenkmale, normalerweise allen Anforderungen
des heutigen Lebens voll entsprechen sollen, ohne schützende Hülle
gegen widrige Klimaeinflüsse und lieblose Menschenhände.
Instandhaltung
Was bedeutet diese Pflicht zur Erhaltung für den Umgang mit histori-
schen Fenstern in einem Baudenkmal? Es ist zum Einen das selbstver-
ständliche Instandhaltungsgebot, selbstverständlich zumindest für
den, der an der Werterhaltung seines Hauses interessiert ist. Die regel-
mäßige Kontrolle von Anstrich und Verkittungen bzw. falls notwendig
deren Nachbesserung sind normalerweise ausreichend.
Bei solchen Arbeiten ist natürlich auf eine fachgerechte Durchfüh-
rung zu achten: Bereits die Wahl des richtigen Anstrichsystems wird
durch die Flut unterschiedlichster Fabrikate sogar für Fachleute zu
einem nicht immer einfachen Entscheidungsvorgang. Nicht minder
wichtig ist allerdings auch eine fachgerechte Ausführung. Ein unqualifi-
ziert durchgeführter Anstrich führt durch Zerstörung der Fugendichtig-
keit, durch das Verschließen von Lüftungsschlitzen oder Entwässe-
rungsöffnungen zu mehr Schäden als Nutzen und durch verklebte
Beschläge zu funktioneller Beeinträchtigung und Zerstörung.
Instandsetzung
Trotz regelmäßiger Pflegemaßnahmen sind jedoch Schäden nicht aus-
zuschließen. Pflicht zur Erhaltung umfaßt in diesem Fall dann auch das
Instandsetzungsgebot.
Die Restaurierung historischer Substanz ist keineswegs nur eine
Aufgabe hochspezialisierter Restauratoren. Die Beherrschung der tra-
ditionellen Handwerksmethoden reicht in vielen Fällen aus, einen
handwerklich gefertigten Gegenstand instandzusetzen, zu reparieren.
Die Erhaltung speziell des nicht primär künstlerisch bedeutungsvol-
len Kulturgutes leidet in besonderem Maße unter den Folgen der
Industrialisierung, die dem „auf Dauer" angelegten Produkt keine Exi-
stenzmöglichkeit einräumt. Alle Wartungs- und Reparaturmethoden
der Vergangenheit werden als unzeitgemäß diffamiert. Gut ist nur das
Neue; das Beschädigte oder auch nur Alte wird „entsorgt" und durch
ein neues, sehr bewußt nur ,auf Zeit' angelegtes Produkt ersetzt. „Ex
und hopp" heißt der landläufige Slogan für diese unsere Gesellschaft
bekanntermaßen sehr umfänglich bestimmende Verhaltensweise.
Unverständlich ist, wieviele Handwerker diese aus der Logik industriel-
ler Produktion entwickelte Strategie mittragen, dabei häufig wider
besseres Wissen ihr von der Tradition ihres Berufsstandes getragenes
Prestige mit einsetzen und sich selbst zu Verkäufern von industriellen
Fertigprodukten degradieren.
Historische Fenster sind, wie man sich leicht überzeugen kann, in
besonders umfänglicher Form Opfer dieser Einstellung geworden. Das
hängt natürlich auch zusammen mit zusätzlichen Ansprüchen (des
Wärme- und Schallschutzes, des Bedienungskomforts aber auch ganz
allgemein einer immer stärker um sich greifenden bautechnischen
Normierung und Typisierung), die an das Architekturelement,Fenster'
heute gestellt werden. Es muß bedauert werden, daß bei der Durch-
setzung solcher Standards weder von politischer Seite (im Rahmen der
staatlichen Förderung zur Einführung dieser neuen Standards) noch
von der Industrie (im Rahmen der besonders auf die Altbausubstanz
ausgerichteten Werbung) das besondere Problem des Erhalts der
historischen Fensterkultur angemessen berücksichtigt wird. Bedenkt
man, daß bundesweit wohl nicht mehr als 2-3 % des Gesamtge-
bäudebestandes unter Denkmalschutz steht, ist nicht einzusehen,
warum gerade dieser Markt von den falschen Lieferanten so umwor-
ben wird.
Die Reparatur eines historischen Fensters sollte wie jede Restaurie-
rung das Original materiell sichern und seine Funktionsfähigkeit wie-
derherstellen. Der Begriff des Originals umfaßt für den Denkmalpfle-
ger sowohl das ursprünglich geplante und gebaute Bauteil wie auch
alle seine konstruktiven und funktionalen Veränderungen, soweit sie
als brauchbar oder zur Verdeutlichung eines historischen Prozesses
aussagekräftig anzusehen sind. Das bedeutet in der Praxis einen flie-
ßenden Übergang zu dem in der Theorie deutlich vom Reparieren
abzusetzenden Vorgang des Rekonstruierens.
Bereits die Erneuerung eines vollständig abgefaulten Wetterschen-
kels ist ja streng gesehen ein rekonstruierender Vorgang. Gleichwohl
ist er notwendig, um den mit allen übrigen Teilen intakten Fensterflü-
gel zu erhalten. Der Schritt zum kopierenden Nachbau eines vollstän-
dig fehlenden Fensters in einer sonst noch komplett und einheitlich
überlieferten Fassade ist so groß nicht, wenn damit möglicherweise
ein bedeutendes Architekturdokument erhalten werden kann. Dabei
darf aber nie übersehen werden, daß auch eine noch so perfekt aus-
geführte Vierung wie auch ein noch so gut kopiertes historisches Fen-
ster nur die optische Störung verhindern, aber nie den Verlust der
historischen Substanz ausgleichen kann.
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von Fenstern in Baudenkmalen
HPC Weidner
Baudenkmale unterscheiden sich von allen anderen Dingen unserer
gebauten Umwelt dadurch, daß an ihrer Erhaltung wegen einer nach-
weisbaren geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder
städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht. (Hier
wurde exemplarisch die Definition im Niedersächsischen Denkmal-
schutzgesetz § 3(2) zugrundegelegt). Eine solche Bedeutung äußert
sich nicht allein in der landläufig vorrangig beachteten „Schönheit" der
als Denkmale bewerteten Gebäude: Diese gesetzliche Definition geht
davon aus, daß ein Baudenkmal wie jedes andere Kulturdenkmal sub-
stantiell Zeugnis über Geschichte ablegt, also in erster Linie Auskunft
über sein Alter, seine Entstehungszeit wie auch seine bauliche Ent-
wicklung bis heute gibt. Damit in Verbindung stehen künstlerische,
bautechnische, typologische, städtebauliche oder sonstige Besonder-
heiten, die in der Summe seine Denkmalwertigkeit begründen.
Die Zeugnisfähigkeit von Baudenkmalen ist von ihrem Dokumenten-
wert abhängig. Und der mißt sich bekanntermaßen an der Originalität
der materiellen Substanz. Nur in dem Maße, wie originale Substanz
überliefert ist, ist auch ein historischer Zeugniswert gegeben. Das
Erneuerte, Kopierte, Wiederhergestellte ist zwar geeignet, nicht mehr
durch Originale belegte Geschichte zu illustrieren und Zusammen-
hänge im teilzerstörten Original wiederherzustellen. Es hat damit einen
nicht zu unterschätzenden didaktischen Wert. Als Geschichtsquelle, als
Dokument im wissenschaftlichen Sinn, kann eine noch so gewissen-
haft gefertigte Replik jedoch nicht mehr herangezogen werden.
Auf diesem konservatorischen Grundsatz bauen alle deutschen
Denkmalschutzgesetze auf und leiten daraus zwei Grundforderungen
für das geschützte Kulturgut ab: die Pflicht zur Erhaltung sowie den
Schutz vor Zerstörung (vgl. hierzu § 6 NDSchG).
1 Pflicht zur Erhaltung
Der Begriff Erhaltung im Sinne von Nichtwegwerfen suggeriert einen
scheinbar inaktiven Vorgang, nämlich den des Aufbewahrens. Wir wis-
sen aber, daß nichts auf dieser Welt unvergänglich ist, durch geeignete
Maßnahmen der Zerfall jedoch gemindert, der Verlust hinausgezögert
werden kann. Nicht umsonst wird der Denkmalpfleger auch „Konser-
vator" genannt. Sein besonderes Problem ist (in einem gewissen
Gegensatz zu seinen Kollegen in Archiven und Museen), daß seine
Schützlinge, die Kulturdenkmale, normalerweise allen Anforderungen
des heutigen Lebens voll entsprechen sollen, ohne schützende Hülle
gegen widrige Klimaeinflüsse und lieblose Menschenhände.
Instandhaltung
Was bedeutet diese Pflicht zur Erhaltung für den Umgang mit histori-
schen Fenstern in einem Baudenkmal? Es ist zum Einen das selbstver-
ständliche Instandhaltungsgebot, selbstverständlich zumindest für
den, der an der Werterhaltung seines Hauses interessiert ist. Die regel-
mäßige Kontrolle von Anstrich und Verkittungen bzw. falls notwendig
deren Nachbesserung sind normalerweise ausreichend.
Bei solchen Arbeiten ist natürlich auf eine fachgerechte Durchfüh-
rung zu achten: Bereits die Wahl des richtigen Anstrichsystems wird
durch die Flut unterschiedlichster Fabrikate sogar für Fachleute zu
einem nicht immer einfachen Entscheidungsvorgang. Nicht minder
wichtig ist allerdings auch eine fachgerechte Ausführung. Ein unqualifi-
ziert durchgeführter Anstrich führt durch Zerstörung der Fugendichtig-
keit, durch das Verschließen von Lüftungsschlitzen oder Entwässe-
rungsöffnungen zu mehr Schäden als Nutzen und durch verklebte
Beschläge zu funktioneller Beeinträchtigung und Zerstörung.
Instandsetzung
Trotz regelmäßiger Pflegemaßnahmen sind jedoch Schäden nicht aus-
zuschließen. Pflicht zur Erhaltung umfaßt in diesem Fall dann auch das
Instandsetzungsgebot.
Die Restaurierung historischer Substanz ist keineswegs nur eine
Aufgabe hochspezialisierter Restauratoren. Die Beherrschung der tra-
ditionellen Handwerksmethoden reicht in vielen Fällen aus, einen
handwerklich gefertigten Gegenstand instandzusetzen, zu reparieren.
Die Erhaltung speziell des nicht primär künstlerisch bedeutungsvol-
len Kulturgutes leidet in besonderem Maße unter den Folgen der
Industrialisierung, die dem „auf Dauer" angelegten Produkt keine Exi-
stenzmöglichkeit einräumt. Alle Wartungs- und Reparaturmethoden
der Vergangenheit werden als unzeitgemäß diffamiert. Gut ist nur das
Neue; das Beschädigte oder auch nur Alte wird „entsorgt" und durch
ein neues, sehr bewußt nur ,auf Zeit' angelegtes Produkt ersetzt. „Ex
und hopp" heißt der landläufige Slogan für diese unsere Gesellschaft
bekanntermaßen sehr umfänglich bestimmende Verhaltensweise.
Unverständlich ist, wieviele Handwerker diese aus der Logik industriel-
ler Produktion entwickelte Strategie mittragen, dabei häufig wider
besseres Wissen ihr von der Tradition ihres Berufsstandes getragenes
Prestige mit einsetzen und sich selbst zu Verkäufern von industriellen
Fertigprodukten degradieren.
Historische Fenster sind, wie man sich leicht überzeugen kann, in
besonders umfänglicher Form Opfer dieser Einstellung geworden. Das
hängt natürlich auch zusammen mit zusätzlichen Ansprüchen (des
Wärme- und Schallschutzes, des Bedienungskomforts aber auch ganz
allgemein einer immer stärker um sich greifenden bautechnischen
Normierung und Typisierung), die an das Architekturelement,Fenster'
heute gestellt werden. Es muß bedauert werden, daß bei der Durch-
setzung solcher Standards weder von politischer Seite (im Rahmen der
staatlichen Förderung zur Einführung dieser neuen Standards) noch
von der Industrie (im Rahmen der besonders auf die Altbausubstanz
ausgerichteten Werbung) das besondere Problem des Erhalts der
historischen Fensterkultur angemessen berücksichtigt wird. Bedenkt
man, daß bundesweit wohl nicht mehr als 2-3 % des Gesamtge-
bäudebestandes unter Denkmalschutz steht, ist nicht einzusehen,
warum gerade dieser Markt von den falschen Lieferanten so umwor-
ben wird.
Die Reparatur eines historischen Fensters sollte wie jede Restaurie-
rung das Original materiell sichern und seine Funktionsfähigkeit wie-
derherstellen. Der Begriff des Originals umfaßt für den Denkmalpfle-
ger sowohl das ursprünglich geplante und gebaute Bauteil wie auch
alle seine konstruktiven und funktionalen Veränderungen, soweit sie
als brauchbar oder zur Verdeutlichung eines historischen Prozesses
aussagekräftig anzusehen sind. Das bedeutet in der Praxis einen flie-
ßenden Übergang zu dem in der Theorie deutlich vom Reparieren
abzusetzenden Vorgang des Rekonstruierens.
Bereits die Erneuerung eines vollständig abgefaulten Wetterschen-
kels ist ja streng gesehen ein rekonstruierender Vorgang. Gleichwohl
ist er notwendig, um den mit allen übrigen Teilen intakten Fensterflü-
gel zu erhalten. Der Schritt zum kopierenden Nachbau eines vollstän-
dig fehlenden Fensters in einer sonst noch komplett und einheitlich
überlieferten Fassade ist so groß nicht, wenn damit möglicherweise
ein bedeutendes Architekturdokument erhalten werden kann. Dabei
darf aber nie übersehen werden, daß auch eine noch so perfekt aus-
geführte Vierung wie auch ein noch so gut kopiertes historisches Fen-
ster nur die optische Störung verhindern, aber nie den Verlust der
historischen Substanz ausgleichen kann.
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