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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Fenster im Baudenkmal — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 12.1994

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Weidner, Hartmut P.: Konservatorische Fragen der Erhaltung und Erneuerung von Fenstern in Baudenkmalen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51143#0029
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Ergänzungsmaßnahmen
Der Erhalt historischer Fenster ist heute zumindest dort, wo normale
Wohn- und Büronutzungen stattfinden, meist nur verbunden mit
ergänzenden, funktionsverbessernden Maßnahmen möglich.
Die konsequenteste Maßnahme ist der Umbau eines historischen
einfachverglasten Fensters in ein Kastenfenster. Ein so geändertes
Fenster entspricht nicht nur modernsten Anforderungen nach Wärme-
und Schallschutz, es ermöglicht meist auch eine unveränderte Erhal-
tung des historischen Fensters und verbessert seine Chancen für einen
Fortbestand in die Zukunft. Der größte Eingriff ist im Bereich des
Erscheinungsbildes von Innen zu erwarten, einem Bereich, wo der
Denkmalpfleger sowieso nur in seltenen Fällen (etwa im Zusammen-
hang mit hochwertiger raumfester Ausstattung) Erhaltungsanforde-
rungen wird formulieren können.
Größer sind die Eingriffe bei einem Umbau eines historischen Fen-
sters in ein Verbundfenster. Durch die Notwendigkeit der Herstellung
eines Verbundes der zusätzlichen Innenflügel mit den historischen
Fensterflügeln sind hier Eingriffe in die Substanz unvermeidbar, das
größere Gewicht der Verbundflügel wird Auswirkungen auf die Form
der Aufhängung der Flügel haben etc. Trotzdem gibt es eine Reihe
von Fällen, wo sich nur durch eine solche Ergänzung ein historisches
Fenster hat erhalten lassen.
Am häufigsten und keineswegs am unwirksamsten sind die klei-
nen Maßnahmen wie der Einbau moderner Dichtungen, das Austau-
schen der Verglasung, die Änderung der Beschlagtechnik. Sie alle sind
auch im Falle einer teilweisen Störung der vorgefundenen Substanz
dem Verlust der historischen Fenster in jedem Fall vorzuziehen.
2 Schutz vor Zerstörung
Werden mit den Instandhaltungs- und Instandsetzungsgeboten der
denkmalrechtlichen Erhaltungspflicht aktive Denkmalpflegemaßnah-
men angesprochen, betont die Forderung nach Schutz vor Zerstörun-
gen stärker den ordnungsrechtlichen Aspekt des Denkmalschutzes.
Gefährdungs- und Zerstörungsverbot
Durch die Verhinderung von Maßnahmen, die Denkmalsubstanz zer-
stören oder auch nur gefährden, was langfristig ja auch auf Zerstörung
hinausläuft, werden letztlich die Voraussetzungen erst geschaffen, die
aktive Erhaltungsmaßnahmen ermöglichen. Es ist daher eine der wich-
tigsten Aufgaben der zuständigen Denkmalbehörden, bei der Prüfung
von geplanten Maßnahmen an Baudenkmalen das Vorliegen und den
Umfang von solchen Gefährdungs- und Zerstörungstatbeständen
festzustellen. Häufig ist es einem Denkmaleigentümer gar nicht
bewußt, wie stark er direkt oder indirekt mit einer geplanten Maß-
nahme in geschützte Substanz eingreift. Eine Gefährdung kann sogar
dann vorliegen, wenn aus Nichtwissen oder als Folge falscher Bera-
tung Instandsetzungsmaßnahmen mit ungeeigneten oder falschen
Methoden durchgeführt werden.
Durch diese grundsätzliche Betrachtung sollte nicht übersehen
werden, daß es natürlich neben der durch gesetzliche Regelungen
mehr oder weniger verhinderbaren bauaktiven Substanzzerstörung
auch eine letztlich auf Dauer unbeeinflußbare .natürliche' Substanzzer-
störung gibt. Besonders ein so intensiv beanspruchtes und der Witte-
rung ausgesetztes Bauelement wie ein Fenster kann auch bei noch so
gewissenhafter Pflege nicht unbegrenzt erhalten werden. Fenster
rechnen auch häufig zur sogenannten Verbrauchsschicht an einem
Bau (wie Dachhaut, Putz, Anstrich u. ä.). Die Erneuerung solcher Ele-
mente können unter Umständen sogar insgesamt als normale Bau-
pflegemaßnahmen angesehen werden.
Beeinträchtigungsverbot
Ein Schaden kann dem Denkmal auch durch beeinträchtigende Maß-
nahmen zugefügt werden. Die Gefahr einer Beeinträchtigung ergibt
sich üblicherweise dann, wenn historische Fenster nicht mehr erhalten
werden können, weil ihre Substanz aufgebraucht ist, oder wenn ein

Baudenkmal aufgrund früherer Eingriffe gar nicht mehr über eine
erhaltenswerte bzw. denkmalverträgliche Befensterung verfügt, inso-
weit also bereits eine Beeinträchtigung vorliegt.
In solchen Fällen wird man nur in fachlich besonders zu begrün-
denden Ausnahmefällen den exakten Nachbau der historischen Fen-
ster durchsetzen wollen. Der Normalfall in der Praxis vor allem im
Zusammenhang mit den städtebaulichen Ensembles des späten
19. Jahrhunderts und des 20. Jahrhunderts ist - nicht zuletzt auch aus
Kostengründen - ein in den wesentlichen Elementen dem verlorenen
Original entsprechender Ersatz. Nur in den seltensten Fällen wird
dabei das Industrieprodukt von der Stange zum Zuge kommen. Die
Individualität des ja bis in die jüngste Vergangenheit hinein handwerk-
lich hergestellten historischen Gebäudes macht eine entsprechende
Vorgehensweise auch im Rahmen solcher Erneuerungsarbeiten erfor-
derlich, um nicht als Beeinträchtigung störend empfunden zu werden.
Die Frage der Beeinträchtigung eines Baudenkmals durch unange-
messene Fenster ist dabei keineswegs nur ein Problem der Abmes-
sung und Profilierung von Rahmen und Sprossen. Ein Fenster ist ein
wichtiges Funktionselement eines Baudenkmals, das selbstverständ-
lich mit allen diesen Funktionsformen dem Beeinträchtigungsverbot
unterliegt. Wer kennt denn nicht den verblüffenden Vorgang, wenn
ein wohlproportioniertes zweiflügeliges Fenster im Falle eines Öff-
nungsvorganges plötzlich als Einheit zurückschwingt. Für den Nutzer
kommt zu der Not, mit einem so großen Fensterflügel zurandezukom-
men, noch der Spott über die funktional verkümmerte Attrappe.
Gute Architektur stellt sich immer dar als Einheit aus funktionalen
Anforderungen, technisch-konstruktiven Notwendigkeiten und gestal-
terisch-stilistischen Intensionen. Wer diese beim Baudenkmal natürlich
mit den Mitteln der Vergangenheit komponierte Einheit vernachläs-
sigt, beeinträchtigt zumindest den Denkmalwert des Gebäudes, häu-
fig aber auch seine architektonische Qualität schlechthin. In diesem
Zusammenhang ist grundsätzlich darauf in Frage zu stellen, daß dort,
wo kein denkmalbegründender Zusammenhang zwischen neuen
Fenstern und dem Baudenkmal besteht, immer nur eine historisie-
rende Konzeption zu wählen sei. Umgekehrt wäre es aber genauso
verkehrt zu glauben, der Denkmalpfieger wolle und könne keinen Ein-
fluß nehmen auf das architektonische Ergebnis eines solchen .schöp-
ferischen' Tuns am und mit dem Baudenkmal.
3 Bestandsbewertung und konservatorische Entscheidung
Voraussetzung für die konservatorisch richtige Entscheidung bei allen
Fragen im Zusammenhang mit Fenstern am Baudenkmal ist eine
denkmalfachliche Bewertung der vorgefundenen Substanz. Eine sol-
che Bewertung, die auf einer sorgfältigen Bestandsanalyse aufbauen
muß, erstreckt sich nicht nur auf eine Untersuchung der Fenster selbst.
Sie muß den gesamten baulichen, funktionalen wie auch historischen
Zusammenhang mit dazugehörigen architektonischen bzw. städte-
baulichen Kontext in Betracht ziehen. Dabei ergeben sich folgende
grundsätzliche Fallgruppen:
A Fenster als denkmalwertes Bauteil
Die originalen Reste mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Befenste-
rungen wie auch die wenigen noch weitgehend original erhaltenen
Fenster des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts sind nicht zuletzt
aus wissenschaftlichen Gründen ein denkmalwerter Bestand. Solche
bauhistorischen Befunde können nur noch selten festgestellt werden.
Mosaikartig geben sie uns die Möglichkeit, ein Bild der Fensterkultur
der Vergangenheit, die sich von unserer heutigen so sehr unterschei-
det, zu entwickeln. Sie sind sozusagen bautechnische Denkmale,
manchmal sogar unabhängig von einem baulichen Gesamtzusam-
menhang.
Außerdem gibt es jüngere Fenster, die als hochwertige Kunsttisch-
lerarbeiten (z.B. in gründerzeitlichen Repräsentationsfassaden) oder als
künstlerisch gestaltete Schmuckfenster mit entsprechender Farbver-
glasung (z.B. in großbürgerlichen Wohnhäusern aus der Zeit des
Jugendstils) sich deutlich als selbständige Denkmalwertigkeiten dar-
stellen. Allein schon der handwerkliche Herstellungsaufwand für sol-

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