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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Fenster im Baudenkmal — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 12.1994

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Germer, Klaus: Fenster im Baudenkmal - Genehmigungsverfahren und Rechtsprechung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51143#0084
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rungen an einem Fenster vorgenommen wurden, die zu diesem
Zustand geführt haben, hat sie gern. § 23 NDSchG zu prüfen, welche
Anordnungen sie zu treffen hat, um den denkmalgerechten Zustand
wiederherzustellen.
Zuständig für Anordnungen dieser Art ist gern. § 20 Abs. 2
NDSchG die untere Denkmalschutzbehörde.
Bei Erlaß des Verwaltungsaktes ist der für die Entscheidung rele-
vante Sachverhalt wie auch die Rechtsgrundlage und die Begründung
der Entscheidung ausreichend bestimmt zu bezeichnen.
Hierbei empfiehlt es sich in jedem Fall sehr sorgfältig darauf zu
achten, daß der Tenor des Verwaltungsaktes hinreichend bestimmt
formuliert wird. In jedem Fall sollte der eigentlichen Rechtsbegrün-
dung eine kurze Darstellung des für die Rechtsentscheidung rele-
vanten Sachverhaltes vorausgeschichkt werden. Nach einer knap-
pen Darstellung der für die Entscheidung wesentlichen Rechts-
grundlage und dem Hinweis auf die entsprechende Fundstelle für
diese Vorschriften sollte dann die Entscheidung begründet werden.
Der Inhalt der Verfügung sollte möglichst genau ausformuliert wer-
den.
Beim Einbau nicht denkmalgerechter Fenster ist § 23 NDSchG in
Verbindung mit § 6 NDSchG die anzuwendende Rechtsgrundlage.
Gern. § 6 Abs. 2 NDSchG dürfen Kulturdenkmale nicht zerstört,
gefährdet oder so verändert werden, daß ihr Denkmalwert beein-
trächtigt wird. Für den Fenstereinbau greift insoweit die Fallgruppe
des § 6 Abs. 2 dritte Alternative, mit folgenden Tatbestandsvorausset-
zungen:
Veränderung des Kulturdenkmals
Hierbei handelt es sich um einen rein tatsächlichen Vorgang, der durch
den Vergleich des vor der Veränderung vorhandenen und nach der
Veränderung festzustellenden Zustandes ermittelt werden kann. Dies
ist eine Aufgabe der unteren Denkmalschutzbehörde, die sie im Rah-
men der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht gern. § 24 VwVfG
vorzunehmen hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß für solche Maß-
nahmen, die vor Inkrafttreten des NDSchG vorgenommen wurden, § 6
NDSchG grundsätzlich keine Anwendung finden kann.
Probleme gibt es da, wo Denkmaleigentümer mit der Behauptung
auftreten, daß die Veränderungen vor dem Inkrafttreten des Denkmal-
schutzgesetzes geschehen seien, insoweit also eine Rechtsgrundlage
für eine Verfügung gern. § 23 NDSchG gar nicht gegeben ist. Hier ist
von besonderer Bedeutung, daß es den unteren Denkmalschutzbe-
hörden gelingt nachzuweisen, wann die Veränderung eingetreten ist.
Dies wird in der Regel nur möglich sein, wenn eine regelmäßige Kon-
trolle des Bestandes von bedeutenden Baudenkmalen erfolgt. Hier
zeigt sich bereits eine große Schwierigkeit in der Praxis, da die perso-
nell unterbesetzten unteren Denkmalschutzbehörden hierzu nicht in
der Lage sein werden.
§ 23 in Verbindung mit § 6 NDSchG kann also nur für Veränderun-
gen nach Inkrafttreten des NDSchG Anwendung finden.
Der Begriff der „Veränderung" umfaßt nicht allein den Eingriff in die
Substanz des Fensters. Auch ohne Eingriffe ist die Veränderung mög-
lich, wenn z.B. durch Anbauten oder angebrachte Gegenstände (Ver-
kleidungen, Werbeanlagen, Rolladenkästen, Markisen) eine Verände-
rung erfolgt. Die Rechtsprechung stellt in diesen Fällen darauf ab, daß
solche Veränderungen unzulässig sind, die den besonderen Eindruck,
der durch die originäre Gestaltung des Fensters gegeben war, beein-
trächtigen.
Wichtig ist, daß die Veränderung allein nicht ausreichend ist, um
zur Rechtsfolge des § 6 NDSchG zu kommen. Zusätzlich muß immer
gleichzeitig eine „Beeinträchtigung des Denkmalwertes" gegeben sein.
Auch hierbei handelt es sich um einen sogenannten „unbestimmten
Rechtsbegriff", d. h. ein durch Wertungen ausfüllungsbedürftiges Tat-
bestandsmerkmal, das innerhalb eines Begriffrahmens jeweils nach
Lage des zu entscheidenden Falles durchaus unterschiedlicher Inter-
pretation zugänglich ist. Für die Praxis ist von Bedeutung, daß die Sub-
sumtion bei diesen vom Gesetz vorgegebenen unbestimmten Rechts-
begriffen durch die Verwaltungsgerichte ohne Einschränkung voll
nachprüfbar sind.

Beeinträchtigung des Denkmalwertes
Für die Frage, wann eine Beeinträchtigung des Denkmalwertes gege-
ben ist, lassen sich folgende Grundsätze zusammenstellen:
1. Die Feststellung der Beeinträchtigung des Denkmalwertes ist Auf-
gabe der unteren Denkmalschutzbehörde, die sich hierbei der
Stellungnahme der Denkmalfachbehörde - Institut für Denkmal-
pflege - zu bedienen hat.
2. Das Erarbeiten der Stellungnahme hat ganz bestimmte denkmal-
fachliche und zugleich juristische Anforderungen zu berücksichti-
gen, die sorgfältig beachtet werden müssen, um auch einer
gerichtlichen Überprüfung gegebenenfalls standzuhalten.
3. Die Entscheidung über die Beeinträchtigung des Denkmalwertes ist
wie zuvor gesagt, in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar, d. h.
das Verwaltungsgericht ist an die Stellungnahme des „amtlichen
Sachverständigen", in der Regel des dem verwaltungsgerichtlichen
Verfahren beigeladenen Bezirkskonservators des Instituts für Denk-
malpflege, nicht gebunden. Insoweit gilt der verwaltungsgerichtli-
che Grundsatz der freien Beweiswürdigung, der es dem Verwal-
tungsgericht ermöglicht, nach eigenem Erkenntnisstand die vorge-
legten Beweise zu würdigen.
4. Aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in Niedersach-
sen, insbesondere aus der des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg,
lassen sich grundsätzlich keine allgemein verbindlichen Zulässig-
keitskriterien für den Einbau neuer Fenster ableiten. Wie bereits
oben erwähnt, bedarf es in jedem Fall einer Prüfung im Einzelfall.
Das heißt, bedauerlicherweise ist es nicht möglich, sich bei dem
Entwurf der ggf. erforderliche Anordnungsverfügung gern. § 23
NDSchG eine Arbeitserleichterung durch den Verweis auf diverse
höchstrichterliche Rechtsprechung zu verschaffen.
Verwaltungsgerichte beanstanden in diesem Zusammenhang oft,
daß zur Begründung von Verwaltungsakten gern. § 23 NDSchG pau-
schal auf diverse Verwaltungsgerichtsentscheidungen verwiesen wird,
ohne daß eine konkrete Begründung im Einzelfall erfolgt.
In der Kommentierung wird auf der Grundlage einer Vielzahl von
Entscheidungen der Verwaltungsgerichte der Begriff „der Beeinträchti-
gung des Denkmalwertes" wie folgt definiert:
Eine Beeinträchtigung liegt immer dann vor, wenn die besondere
künstlerische, geschichtliche oder städtebauliche Bedeutung des Kul-
turdenkmals geschmälert wird und deshalb das öffentliche Interesse
an der Erhaltung des Denkmals dem Eingriff entgegensteht. Auch
hierbei handelt es sich, wie vorgesagt, um einen unbestimmten
Rechtsbegriff, für den insoweit dieselben Grundsätze wie beim Begriff
des „Baudenkmals" nach § 3 NDSchG gelten. Aus der Rechtsprechung
des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg (so OVG Lüneburg, Urteil
vom 05.09.1985, Baurechtsammlung Band 44, Nr. 144 mit weiteren
Nachweisen) ergibt sich, daß eine Beeinträchtigung des Denkmalwer-
tes nicht erst dann anzunehmen ist, wenn durch die Veränderung
etwa ein häßlicher, das ästhetische Empfinden des Beschauers nicht
bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand bewirkt wird.
Das heißt, die Veränderung muß für den Betrachter als belastend oder
unlusterregend empfunden werden. Insoweit geht der Begriff der
„Beeinträchtigung" weiter als das Verunstaltungsverbot i. S. des § 53
NBauO. Anders als im Baugestaltungsrecht kommt es bei der Feststel-
lung der Beeinträchtigung des Denkmalwertes auch nicht etwa auf
den sogenannten „gebildeten Durchschnittsmenschen" an, d. h. also
auf das Empfinden jedes für ästhetische Eindrücke offenen Betrach-
ters. Auch insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung zum
NDSchG gegenüber Regelungen in anderen Bundesländern, bei
denen u. a. auf das objektive Empfinden eines Durchschnittsbetrach-
ters abgestellt wird. Nach dem NDSchG ist das Urteil eines sachver-
ständigen Betrachters, dessen Maßstab von einem breiten Kreis von
Sachverständigen getragen wird, zugrunde zu legen.
Insoweit wird in der Regel in jedem verwaltungsgerichtlichen Ver-
fahren der Bezirkskonservator, das Institut für Denkmalpflege, als der
insoweit entscheidungsbefugte Sachverständige beigeladen.
Allein dieser Maßstab ist nach der Rechtsprechung des OVG Lüne-
burg auch sachgerecht, da die Beurteilung der komplexen denkmal-
fachlichen Fragen fundierte Kenntnisse der jeweiligen Epoche des zu

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