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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Historische Brückenkonstruktionen - technische Bauwerke der Eisenbahn in Niedersachsen — Hameln: CW Niemeyer Buchverlage, Heft 33.2006

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51263#0272
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Historische Brückenkonstruktionen

Glossar

271

Glossar

Balkenbrücken
Im Gegensatz zu Bogen- oder Hängebrücken, bei
denen vorwiegend Druck- und Zugkräfte und nur
geringe Biegebeanspruchungen auftreten, erfolgt bei
Balkenbrücken die Lastableitung durch Biegemo-
mente. Die ersten Balkenbrücken kamen nur für
geringe Stützweiten in Betracht und entstanden
bereits ab den 1820er Jahren in England. Die als
Barrenbrücken bezeichneten Konstruktionen bestan-
den entweder aus zusammengesetzten Schienen-
profilen oder aus gusseisernen Balken mit unter-
schiedlichen Querschnitten, die zudem über eine
Queraussteifung verfügten. Mitte des 19. Jahrhun-
derts erlangte das System der eisernen Balkenträger
für den Bau von Eisenbahnbrücken zunehmend an
Bedeutung. Die Haupttragwände konnten als voll-
wandige Blechträger oder in durchbrochener Form als
Gitter- oder Fachwerkträger ausgeführt sein, wobei
größere Balkenkonstruktionen außer festen Lagern
auch waagerecht bewegliche Lager erforderten, um
horizontale Zwängungskräfte zu vermeiden. Das
bedeutendste Beispiel einer eisernen Balkenbrücke
stellte die von 1846 bis 1850 erbaute Britanniabrücke
über die Menaistraße zwischen der Insel Anglesy und
Wales im Verlauf der Strecke Chester-Holyhead dar.
Zu jener Zeit wurden bei Brücken, die mehrere Öff-
nungen überspannten, meist durchgehende kontinu-
ierliche Balkenträger, also statisch unbestimmte
Systeme, bevorzugt angewendet, die gegenüber sta-
tisch bestimmten Einzelträgern den Vorteil der ver-
minderten Biegemomente und der damit erzielten
Baustoffersparnis aufwiesen. Nachteilig wirkten sich
hingegen, hervorgerufen durch Stützenabsenkungen,
unvorhergesehene Spannungsveränderungen aus,
was dazu führte, dass der Durchlaufträger für größe-
re Brücken als unzureichend erklärt wurde. Als opti-
mierte Konstruktionsform bot sich dann ein durchlau-
fender Balken mit eingefügten Gelenken an. Weil der
so genannte kontinuierliche Gelenkträger statisch
bestimmt und damit zwängungsfrei war, fand er
weite Verbreitung. Die Konstruktionsart, benannt
nach dem Erfinder Heinrich Gerber (1832-1912), ging
als Gerber-Träger in die Geschichte ein.
Bogenbrücken
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war neben
den hölzernen Bogenbrücken insbesondere der klassi-
sche Steinbrückenbau noch weit verbreitet, der sich
auch lange Zeit danach noch behaupten konnte. Um
die Jahrhundertmitte setzte jedoch, bedingt durch
den verstärkten Einsatz von eisernen Balken- und
Bogenbrücken, eine zunehmende Verdrängung der
traditionellen Baumaterialien im Brückenbau ein. In

Niedersachsen ist heute noch eine Vielzahl an
Gewölbebrücken aus Stein, die vorwiegend für den
Eisenbahnbau entstanden, weitgehend erhalten. Die
ein- oder mehrbogigen Konstruktionen weisen
zumeist Halbkreisgewölbe und vereinzelt auch
Segmentbogengewölbe auf, wobei parabolische
Gewölbeformen die große Ausnahme bilden. Als
Baustoff dienten in erster Linie Bruchsteine, wobei die
Ansichtsflächen der Brücken zumeist eine Verblen-
dung mit Werksteinen aufweisen. Standen Natur-
steine nicht ausreichend zur Verfügung, gelangten
auch Ziegel zur Anwendung. Zu den massiven
Bogenbrücken zählen auch die nach dem Liebold-
System errichteten Bruchstein-Zement-Konstruk-
tionen. Die gewölbten Brückensysteme entsprechen
statisch dem Bogenträgerprinzip und weisen nur
Druckkräfte und keine Zugkräfte auf. Als Bogen-
brücke wurde ferner die erste eiserne Brücke konzi-
piert, die bei Coalbrookdale in der Grafschaft
Shropshire in England bereits seit 1779 über den
Severn führt. Bei dem filigranen Bauwerk orientieren
sich Gestalt und Konstruktion aufgrund der Material-
eigenschaften noch deutlich an den traditionellen
Bauformen. In der Folge entstanden nicht nur in
England, sondern auch in Frankreich und Deutschland
mehrere eiserne Bogenbrücken. Ab 1840 kam dann
im Großherzogtum Baden für die Rheintalstrecke zwi-
schen Mannheim und Basel eine Vielzahl an Eisen-
bahnbrücken mit Elementen aus Gusseisen zur
Ausführung. Zu den bedeutendsten Bauten zählte die
1845 errichtete zweigleisige Kinzigbrücke bei
Offenburg, die gusseiserne Bogenrippen besaß und
fünf Öffnungen mit Stützweiten von 12,70 m über-
spannte. Aufgrund der dynamischen Beanspruchung
des Schienenverkehrs und eventueller Zugspan-
nungen erwiesen sich die gusseisernen Konstruk-
tionen jedoch schon bald als ausgesprochen proble-
matisch, sodass größere Schäden auftraten, die
zumeist eine komplette Erneuerung der Brücken
erforderten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-
derts und danach erfolgte eine stetige Weiterent-
wicklung der eisernen Bogenbrücken, die unter Ver-
wendung neuer Eisenwerkstoffe ganz unterschiedli-
che Ausführungsvarianten mit enormen Stützweiten
hervorbrachte, wobei versucht wurde, eine bessere
Kraftverteilung in den Bogenträgern zu erreichen. Die
hierzu notwendige Bewegungsmöglichkeit bei Belas-
tung führte letztlich zum Einbau von Gelenken, wo-
mit statisch bestimmte Systeme entstanden, die auf-
tretende Spannungen deutlich minimierten. Die er-
höhte Flexibilität erwies sich jedoch bei Stoßein-
wirkung, die der Eisenbahnverkehr mit permanent
steigenden Verkehrslasten ausübte, als nachteilig.
 
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