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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Historische Brückenkonstruktionen - technische Bauwerke der Eisenbahn in Niedersachsen — Hameln: CW Niemeyer Buchverlage, Heft 33.2006

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51263#0276
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Historische Brückenkonstruktionen

Glossar

275

Liebold-System
Die von der Firma Liebold & Co. in Holzminden um
1875 entwickelte Bruchstein-Zement-Bauweise fand
im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts beim Bau von
Brücken und Durchlässen vielfach Anwendung. Erste
Eisenbahnbrücken konnten 1885 für die Zahnrad-
bahn Blankenburg-Tanne im Harz realisiert werden
und 1893 entstanden im Verlauf der Strecke Bad
Harzburg-Ilsenburg neun Konstruktionen mit parabel-
und segmentbogenförmigen Gewölben, von denen
einige erhalten sind (Abb. 67, 68). Die aus Bruch-
steinmauerwerk und Zementmörtel errichteten Bau-
werke, die als Hauptmerkmal eine glatte Bogen-
laibung aufwiesen und deren Stirnseiten oft mit qua-
derartig bearbeiteten Bruchsteinen verblendet waren,
stellten im Gegensatz zum traditionellen Massivbau,
insbesondere bei schiefwinkligen Brücken, eine aus-
gesprochen solide und kostengünstige sowie schnell
auszuführende Bauart dar. Der ganz große Erfolg war
dem Verfahren jedoch nicht beschieden, weil die
Konstruktionen, ebenso wie Stampfbetonbrücken,
nur Druckkräfte aufnahmen und eine sehr geringe
Zugfestigkeit aufwiesen. Wesentlich vorteilhafter
erschienen hingegen ab der Jahrhundertwende ver-
mehrt aufkommende Eisenbetonkonstruktionen, die
auch Zugkräfte aufnahmen. Die erste nach dem
Patent von Joseph Monier (1823-1906) erbaute
Eisenbetonbrücke entstand bereits 1875 in Frank-
reich. In Deutschland veranlasste 1882 die Königlich
Sächsische Eisenbahn erstmals den Bau einer
Eisenbahnbrücke aus Stampfbeton bei Seifersdorf im
Verlauf der Strecke Hainsberg-Kipsdorf, und um 1900
führte die erste Eisenbahnbrücke mit einem Gewölbe
aus Eisenbeton über die Wümmeniederung bei
Bremen. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts erlangte die
interessante Werkstoffkombination von Eisen und
Beton zunehmend an Bedeutung. Aus der Frühzeit
sind in Niedersachsen vereinzelt weit gespannte Weg-
und Straßenbrücken als Eisenbahnunterführungen
erhalten.
M oh nie-Sy stem
Das 1858 von dem Ingenieur Ernst Mohnie veröffent-
lichte Fachwerkträgersystem stellt eine konstruktive
Verbesserung der damals bekannten Gitterträger dar.
Als besonderes Merkmal erscheinen neben den
geneigten zugbeanspruchten Stäben, die sich nur in
der Feldmitte überschneiden, auch vertikal ausgerich-
tete und somit verkürzte L-Profilstäbe, die Druck-
belastungen aufnehmen. Im Prinzip bildete die Kons-
truktion schon ein mehrteiliges Stabfachwerk, sodass
sich für vergleichbare spätere Bauformen die
Bezeichnung Mohnie-Fachwerk durchsetzte. Das sta-
tisch effizientere und wesentlich stabilere System ließ
sich zudem mit der 1852 von Karl Culmann (1821-
1881) formulierten Fachwerktheorie berechnen. Der
erste Fachwerkträger, bei dem das abgewandelte und

zukunftsweisende Konstruktionsprinzip umgesetzt
wurde, entstand 1859 für die llmenaubrücke bei
Bienenbüttel (Abb. 20) im Verlauf der Lehrte-
Harburger Bahn (siehe S. 49).
Möller-System
Die patentierten Möller-Konstruktionen, die nach
dem Erfinder und Professor Max Möller (1854-1935)
benannt und an der Technischen Hochschule in
Braunschweig ab 1893 insbesondere für den
Brückenbau entwickelt wurden, stellen einen Platten-
balken dar, der aus einem Betondruckgurt und einem
unteren Zuggurt besteht, den fischbauchartige
Betonrippen mit Flachstahlband bilden. Statisch wirkt
der Möller-Träger, bei dem die Trägerhöhe entspre-
chend der zunehmenden Biegekräfte zur Mitte hin
ansteigt, wie ein Hängewerk mit versteiften Bogen,
sodass die Auflager nur eine senkrechte Druckbe-
lastung ohne Seitenschub erfahren. In der Regel
konnten die Stützweiten zwischen 5 und 20 m betra-
gen. Bis zu Beginn der 1920er Jahre entstanden etwa
500 Objekte nach dem kostengünstigen und wirt-
schaftlichen Bauprinzip. In der Nähe von Braun-
schweig kam 1894 zur Unterführung der Oker bei
Rüningen die erste und wohl einzige Eisenbahnbrücke
mit Möller-Trägern für das Anschlussgleis einer
Maschinenfabrik zur Ausführung. Außerdem über-
spannten zwei nach dem Möller-System konstruierte
Fußgängerbrücken die Gleise im Bahnhof Kreiensen
und im Braunschweiger Westbahnhof. Eine Straßen-
brücke mit den so genannten Hängegurtträgern, die
zur Unterführung der Gleise im Bahnhof Algermissen
diente (Abb. 23), fiel 1986 dem Abbruch zum Opfer.
Wie groß die Anzahl der heute noch erhaltenen
Objekte ist, steht nicht fest.
Schwedler-Träger
Der nach seinem Erfinder Johann Wilhelm Schwedler
(1823-1894) benannte Fachwerkträger, der sich aus
dem Parabelträger entwickelte, besitzt geradlinige
Untergurte, zu denen die Obergurte im mittleren
Bereich parallel, zu den Enden aber gekrümmt verlau-
fen, wodurch in den Auflagerbereichen eine Vereini-
gung mit den Untergurten entsteht. Die Belastung
erfolgt in den Knotenpunkten, sodass dort die Quer-
träger anschließen, die wiederum Längsträger mit der
Fahrbahn aufnehmen. Als Queraussteifung dient zwi-
schen den Gurten ein unterer und bei größeren Trag-
wandhöhen auch ein oberer Windverband. Die
Material sparende und früher weit verbreitete
Konstruktionsart hat den Vorteil, dass in den Diago-
nalstäben nur Zug- und keine Druckkräfte auftreten.
1864 konnten die ersten Träger nach dem Schwedler-
Prinzip für die Weserbrücke bei Kloster Corvey im
Verlauf der Linie Holzminden-Altenbeken mit Stütz-
weiten von 52,90 m realisiert werden (vgl. S. 75). In
Niedersachsen sind heute nur noch wenige
 
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