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Die Restaurierung der Kanzel aus dem Blickwinkel der Restauratoren
der staatlichen Denkmalpflege
Christina Achhammer, Detlev Gadesmann

„ANNO 1631 habe ich/M Ludowich Münstermä/mit
Göttlicher hülfe und mei / nes dieners Onnen Dircksen
/ wie auch meiner beiden Sohns, / Johan und Claws
diese / CANT / ZEL ver / fertige /t". (Abb. 2)
Stolz weist der Schöpfer mit dieser Inschrift am Korb
der reich verzierten Kanzel der ev.-luth. Kirche St.
Matthäus in Rodenkirchen auf sein Werk hin, das eine
zentrale Stellung im Kirchenraum einnimmt (Abb. 3).

2 Geschnitzte Inschrift der sechsten Kartusche am Kanzel-
korb unter dem Treppenaufgang, aufgenommen vor der
Restaurierung.


3 Die Kanzel steht im Vierungsbogen an zentraler Stelle im
Kirchenraum.


Anlässlich der Einweihung der Kapelle von Schloss
Hartenfels in Torgau, eines für die Entwicklung des
protestantischen Kirchenbaus so überaus bedeuten-
den Bauwerks, hatte Martin Luther 1544 gefordert,
„daß dies neue Haus dahin gerichtet werde, daß
nichts anderes darin geschehe, denn daß unser lieber
Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort, und
wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und
Lobgesang".1 Diese häufig zitierten Worte zur Funk-
tion des Kirchenraumes im reformatorischen Sinn
kündigen den neuen herausgehobenen Stellenwert
der Schriftlesung, der Predigt und des Gemeindege-
sangs in der neuen lutherischen Liturgie an. Die bisher
in Latein gehaltene Messe wurde durch den Gottes-
dienst in der Landessprache ersetzt und der Kanzel,
wie in Rodenkirchen eindrucksvoll erhalten, eine zent-
rale Position zugewiesen, womit die Bedeutung der
evangelischen Predigt betont wird.
Richtungweisend für die Restaurierung der Kanzel
2010 war die 1999 abgeschlossene Restaurierung des
Rodenkirchener Altares2, der 1629 ebenfalls von dem
Hamburger Bildhauer Ludwig Münstermann geschaf-
fen wurde. Bei den intensiven Voruntersuchungen
waren dort zwei aus der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts datierende Fassungszustände festgestellt
worden: Eine erste, von Münstermann selbst geschaf-
fene „Werkstattfassung" 1a), die einerseits zum
Schutz der Holzoberflächen diente, gleichzeitig aber
auch gestaltend wirkte. Mit einer neun Jahre später
entstandenen Fassung (1b) wurde diese erste farblich
erweitert und akzentuiert.
Diese Farbgebung zeigte auf den ersten Blick deutli-
che Beziehungen zur Fassung der Kanzel, so wie sie
von Professor Kurt Bunge und seinen Mitarbeitern
1963-64 nach eingehenden, für die damalige Zeit
durchaus fortschrittlichen restauratorischen Untersu-
chungen hergestellt worden war: Holzsichtige Ober-
flächen kombiniert mit farbig gefassten Bereichen. Bei
genauerem Hinsehen fielen allerdings die fasstechni-
schen Mängel dieser Farbgestaltung auf: stumpffarbi-
ge Inkarnate, Versilberungen mit lackartigen grellen
Lüsterungen und eine einheitlich dunkelbraun lasierte
Holzoberfläche. Dieser der hohen Qualität der zum
Teil sehr feinen Schnitzereien Münstermanns nicht an-
gemessene Zustand gab Anlass zu einer erneuten
restauratorischen Untersuchung der Kanzel. Zudem
liegen inzwischen eine Reihe neuer Erkenntnisse zur
Gestaltung der Oberflächen verschiedener von Müns-
 
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