Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6

Die historische St. Matthäus-Kirche zu

Rodenkirchen in der Wesermarsch

Rolf Oellerich


1 Stadland-Rodenkirchen, Ldkr. Wesermarsch,
St. Matthäus-Kirche, Ansicht von Südwesten

Die Wesermarsch ist geprägt durch Küste, Deiche,
Siele, bäuerliche Anwesen und weite fruchtbare Wei-
den, im Süden durch ausgedehnte Geest- und Moor-
landschaften und natürlich durch die Weser. Das
fruchtbare Marschenland ist aus feinkörnigen Ablage-
rungen der Flüsse und des Meeres entstanden.
Die Besiedlung begann vor 3000 Jahren in der Bron-
zezeit. In Folge des kontinuierlichen Anstiegs des
Meeresspiegels hat man die Ansiedlungen im Laufe
der Jahrhunderte Schicht um Schicht erhöht und es
entstanden die Wurtensiedlungen.
Der weitere Meeresspiegelanstieg machte um 1000
n. Chr. den Deichbau erforderlich. Die geschlossene
Deichlinie ermöglichte nun die Besiedlung des flachen
Landes und beendete die Wurtenzeit.
Die weitere Entwicklung wurde geprägt durch die
Sturmfluten im Mittelalter, die verheerende Schäden
verursachten, zu hohen Verlusten an Mensch
und Vieh führten und das Landschaftsbild jeweils
nachhaltig veränderten. Durch ständige Erneuerung,
Erhöhung und Verbreiterung der Deiche, bis in die
heutige Zeit, wurde dem Meer immer wieder Land
abgerungen und ein sicheres Leben der Bewohner
ermöglicht.
Diese ständigen Herausforderungen haben die Men-
schen an der Küste und ihr Verhältnis zur Kirche ge-
prägt.
Der Ort Rodenkirchen, heute das politische Zentrum
der Gemeinde Stadland, in der mittleren Weser-
marsch am Westufer der Unterweser gelegen, gibt in
seiner Namengebung bereits einen Hinweis auf die
besondere Bedeutung seiner Kirche. Auch der jährlich
schon über viele Jahrhunderte stattfindende „Roon-
karker Mark", das größte Volksfest in der Weser-

marsch, hat seinen Ursprung in der Kirche begründet.
Der Markt ist auf ein Kirchweihfest zurückzuführen,
das in der vorreformatorischen Zeit zum Tag des
Schutzheiligen Matthäus, dem die Bewohner ihre
Kirche geweiht hatten, stattfand.
Auf einer circa fünf Meter hohen historischen Kir-
chenwurt liegt die kreuzförmige St. Matthäus-Kirche,
ursprünglich eine im romanischen Stil erbaute Saal-
kirche aus eisenschichtigem Portasandstein. Ihr
heutiger Grundriss, bestehend aus dem Langhaus,
Querschiff und Rechteckchor sowie einem westlich
anschließenden Glockenturm, ist das Ergebnis vielfäl-
tiger Veränderungen. Die Spuren der 800-jährigen
Geschichte sind noch weitgehend am Baukörper er-
kennbar. Die großzügige Gestaltung zeugt von einer
Aufgeschlossenheit und dem Ausdruck eines bäuer-
lichen Selbstverständnisses und Wohlstandes, der sich
durch ihre Kirche darstellte.
Die einstige Wehrkirche erhebt sich weithin sichtbar
im Mittelpunkt des Ortes, umgeben von einem
Wurtenfriedhof mit alten Stelen und Grabkellern. In
den vergangenen Jahrhunderten bot sie den Ein-
heimischen Schutz vor den Fluten und bei Kämpfen
gegen die verfeindeten Bremer.
Während der Schlacht an der Hartwarder Landwehr
1514 wurde die zur Festung ausgebaute Kirche
erheblich beschädigt. Die Niederlage führte zum
Untergang der Bauernrepubliken Stadland und Butja-
dingen, die oldenburgisch wurden. Der „Hartwarder
Friese", ein Denkmal in Rodenkirchen, mit der In-
schrift „Lever dod als Sklav" erinnert an die Ereignisse
jener Zeit.
Der Innenraum der Kirche wird vor allem durch die
nachreformatorische Ausstattung des 17. Jahrhun-
derts geprägt. Während die Katastrophe des Dreißig-
jährigen Krieges Zerstörung und Niedergang brachte,
bedeutete er für das Oldenburger Land eine Zeit des
Friedens und der kulturellen Blüte. Durch die kluge
Neutralitätspolitik Graf Anton Günthers (1583- 1667)
blieb sein Herrschaftsbereich weitgehend unangetas-
tet. Damit war letztlich die Voraussetzung für prächti-
ge Neuausstattungen in den wohlhabenden Marsch-
gemeinden geschaffen. Ihren komplexen theologi-
schen Programmen verlieh der Hamburger Bildhauer
Ludwig Münstermann (um 1575-1637/38) einen
künstlerischen Ausdruck, der durch ein einzigartiges
Zusammenspiel von Form, Licht und Farbe geprägt ist.
Dabei müssen zwei Kunstwerke besonders hervorge-
hoben werden: Der Altar von 1629 und die Kanzel
aus dem Jahre 1631. Außerdem befinden sich im
Chor das Dethmersche Epitaph (1637) und im Haupt-
 
Annotationen