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Peter Königfeld

Kunstgeschichtliche Anmerkungen zur Kanzel

lung der Materialbeschaffung, den Termin der Fertig-
stellung sowie die Zahlungsbedingungen. Einen we-
sentlichen Bestandteil bilden Forderungen nach der
Verwendung guter Rohstoffe und eine Bürgschaft für
die Haltbarkeit des Werkes. Weiterhin wird die Be-
schaffenheit des Holzes und die Art der Bemalung
vorgegeben. „Sehr große Wichtigkeit wurde den
Zeichnungen beigemessen, welche die Verträge meis-
tens ergänzten. Diese sogenannten „Visierungen"
sollten nur eine gewisse Anschauung des geplanten
Werkes vermitteln und waren daher meistens nur
„ongeverlich gevisiret". Trotzdem war es streng ver-
boten, an der Visierung etwas „abzubrechen", das
heißt das Werk anders auszuführen als „innhalt und
auswysung der visierung „besagten".10
Die Vorstellung von Ludwig Münstermann als genia-
lem Bilderfinder, der einsam nach eigenen künstleri-
schen Vorstellungen seine expressiven Werke schuf,11
entspricht also keinesfalls den historischen Gegeben-

39 Rodenkirchen, St. Matthäus-Kirche, Kanzeltür.


heiten: Münstermann arbeitete selbstverständlich
nach den städtischen Zunftregelungen, die wirtschaft-
liche Begrenzungen (Zahl der Beschäftigten, Arbeits-
zeiten, Produktqualität, Preise), aber auch religiöse,
soziale, kulturelle und militärische Aufgaben beinhal-
teten. Er war ein künstlerisch hochbegabter Hand-
werker, der gemeinsam mit seiner Werkstatt Bild-
werke aus Holz, Stein und Alabaster schuf.
Die Auftraggeber seiner Zeit besaßen eine klare, von
kulturellen Konventionen und theologischen Vorstel-
lungen bestimmte Erwartungshaltung hinsichtlich
Form und Inhalt der verschiedenen Bildthemen, der
auch Münstermann als Auftragnehmer zu entspre-
chen hatte.12 Bezüglich des gegenständlichen Inhalts
des zu liefernden Kunstwerkes wurden häufig sehr
genaue Anordnungen getroffen, die sicher auch in
Rodenkirchen in der Wahl der dargestellten Themen
von einem Theologen vorgegeben wurden.13 Tatsäch-
lich wurden dem Künstler damit nur in geringem Ma-
ße Fesseln in seinem Gestaltungswillen angelegt; er
war ohnehin durch feste Bildtraditionen bzw. kirch-
lich-dogmatische Überlieferung gebunden.
In Rodenkirchen lässt die Betrachtung des Schemas
erkennen, dass der bildhauerische Schmuck in deutli-
cher Vertikalausrichtung vom Kanzelfuß bis zu der
den Schalldeckel bekrönenden Figur nach einem
komplexen theologischen Programm entworfen
wurde, das sich dem Betrachter nur im „Zusam-
menlesen" aller Teile in seiner inhaltlichen Gesamt-
ordnung erschließt. Man darf wohl davon ausgehen,
dass es vom damaligen Ortspfarrer ausgearbeitet
wurde. Auf ihn weist eine Inschrift an der Tür am
Korpus der Kanzel hin: „M. Gerhardus Petri hat die-
sen Predigstul befördert" (Abb. 39). Sein Name ist
nochmals auf dem Aufsatz über der Kanzeltür zu
lesen: „M. Gerhard Petri".14
Leben und Werk von Ludwig Münstermann
Das Leben von Ludwig Münstermann bleibt hinter
wenigen Daten verborgen.15 Wir kennen weder Ort
und Jahr seiner Geburt, noch sein genaues Sterbe-
datum. Wir wissen nichts über seine Herkunft und
Jugend, auch nicht, bei wem er seinen Beruf erlernt
und wohin ihn seine Wanderung als Geselle geführt
hat. Vermutungen weisen nach Magdeburg, das
Zentrum der Bildhauerkunst für die protestantischen
Länder Norddeutschlands vor dem Dreißigjährigen
Krieg.16 Möglich ist auch ein zeitweiliger Aufenthalt in
Städten mit bedeutender Kunstproduktion in Ober-
sachsen (Freiberg) bzw. Niedersachsen (Braun-
schweig, Hildesheim).17
Erst als Meister tritt Münstermann 1599 mit seiner
Aufnahme in das Hamburger Drechsleramt vor uns.18
Bekannt sind zwei Eheschließungen, Taufen und
Hochzeiten seiner Kinder - kaum mehr. 1624-1626
war er Beigeordneter, zwischen 1628 und 1635 über
mehrere Amtsperioden Ältermann, also Vorsteher
 
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