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Uwe Pleninger
Beobachtungen zur Werk- und Fasstechnik der Kanzel
92 Vergleich mit einem Druckgrafikausschnitt der Quelle.
93 Vergleich durch Hervorheben von Konturen.
auch selbst solche Studien durch, um Vorlagen zu
gewinnen.
Das 1586 erschienene Werk des neapolitanischen
Arztes und Universalgelehrten Giovanni Battista della
Porta „de humana physiognomia"12, das Regeln auf-
stellt, wie von der äußerlichen Gestalt eines Men-
schen, seiner Statur und seinen Gliedmaßen auf seine
innere Verfassung und sein Gemüt zu schließen sei,
war neben Medizinern seiner Zeit auch Künstlern
bekannt. Münstermann könnte es als Anregung für
seine Charaktergestalten gedient haben, wie ein
Vergleich des Kopfes des Evangelisten Lukas mit einer
Darstellung in dieser Quellenschrift belegen mag.
(Abb. 92, 93) Beide Gesichter sind in vielen Bereichen
ähnlich: große breite Stirn, breite Nase und die nahe-
zu identischen Konturen der Wangen.
Farbigkeit
Neue Fasstechniken
Der Farbklang der Kanzel setzt sich im Wesentlichen
aus hellen und dunklen, veredelten Holzoberflächen
zusammen. Wichtige Szenen des Bildprogramms sind
farblich und fasstechnisch hochwertig ausgeführt.
Man darf annehmen, dass Münstermann dabei nicht
ganz ohne den Einfluss zeitgenössischer Moden gear-
beitet hat. Der aufwändige Import neuer Farbstoffe
und Fassungstechniken aus fernen Ländern schuf
neue künstlerische Möglichkeiten. Dafür waren die in
verschiedenen europäischen Ländern installierten
Ostindischen Kompanien von Bedeutung, die für den
Handel mit Indien und Ostasien privilegiert waren. Vor
allem Holland war hier mit seiner 1602 gegründeten
Niederländischen Ostindien-Kompanie als Handels-
zentrum bedeutend.13
Über diese Handelsgesellschaften wurden neben
Gewürzen auch Färbehölzer eingeführt, beispielswei-
se der Auszug des Brasilholzes (heute als Florenti-
nerrot gehandelt), auch asiatische Lackarbeiten, die
sich bald großer Beliebtheit erfreuten. Es entstanden
seit dem Ende des 16. Jahrhunderts große Werk-
stätten, die diese Luxuswaren aus China und Japan
imitierten, wobei allerdings neuartige Lackrezepturen
auf Basis von Ölen, Harzen und Bindemitteln, aber
anderen, exotischen Materialien entwickelt werden
mussten, da der Saft des asiatischen Lackbaumes
nicht zur Verfügung stand.
Uwe Pleninger
Beobachtungen zur Werk- und Fasstechnik der Kanzel
92 Vergleich mit einem Druckgrafikausschnitt der Quelle.
93 Vergleich durch Hervorheben von Konturen.
auch selbst solche Studien durch, um Vorlagen zu
gewinnen.
Das 1586 erschienene Werk des neapolitanischen
Arztes und Universalgelehrten Giovanni Battista della
Porta „de humana physiognomia"12, das Regeln auf-
stellt, wie von der äußerlichen Gestalt eines Men-
schen, seiner Statur und seinen Gliedmaßen auf seine
innere Verfassung und sein Gemüt zu schließen sei,
war neben Medizinern seiner Zeit auch Künstlern
bekannt. Münstermann könnte es als Anregung für
seine Charaktergestalten gedient haben, wie ein
Vergleich des Kopfes des Evangelisten Lukas mit einer
Darstellung in dieser Quellenschrift belegen mag.
(Abb. 92, 93) Beide Gesichter sind in vielen Bereichen
ähnlich: große breite Stirn, breite Nase und die nahe-
zu identischen Konturen der Wangen.
Farbigkeit
Neue Fasstechniken
Der Farbklang der Kanzel setzt sich im Wesentlichen
aus hellen und dunklen, veredelten Holzoberflächen
zusammen. Wichtige Szenen des Bildprogramms sind
farblich und fasstechnisch hochwertig ausgeführt.
Man darf annehmen, dass Münstermann dabei nicht
ganz ohne den Einfluss zeitgenössischer Moden gear-
beitet hat. Der aufwändige Import neuer Farbstoffe
und Fassungstechniken aus fernen Ländern schuf
neue künstlerische Möglichkeiten. Dafür waren die in
verschiedenen europäischen Ländern installierten
Ostindischen Kompanien von Bedeutung, die für den
Handel mit Indien und Ostasien privilegiert waren. Vor
allem Holland war hier mit seiner 1602 gegründeten
Niederländischen Ostindien-Kompanie als Handels-
zentrum bedeutend.13
Über diese Handelsgesellschaften wurden neben
Gewürzen auch Färbehölzer eingeführt, beispielswei-
se der Auszug des Brasilholzes (heute als Florenti-
nerrot gehandelt), auch asiatische Lackarbeiten, die
sich bald großer Beliebtheit erfreuten. Es entstanden
seit dem Ende des 16. Jahrhunderts große Werk-
stätten, die diese Luxuswaren aus China und Japan
imitierten, wobei allerdings neuartige Lackrezepturen
auf Basis von Ölen, Harzen und Bindemitteln, aber
anderen, exotischen Materialien entwickelt werden
mussten, da der Saft des asiatischen Lackbaumes
nicht zur Verfügung stand.