VOTIVPINAX AUS MYKENAI
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durch die arge Zerstörung hindurch an allen einigermaas-
sen erhaltenen Teilen erkennen. So hatte die kronenartige
Kopfbedeckung der Frau zur Linken eine feine schwarze
Innenzeichnung, und ihr Ohr ist zierlich aus dem Gelb der
Krone ausg-espart. Mit grosser Sorgfalt waren die Details des
Schildes ausg'eführt. Besonders gewonnen aber hat die rechte
Frau, deren rhythmisch graziöse Bewegung vom Kopf, des-
sen Vorzeichnung z. T. erhalten ist, bis zu den Füssen, von
denen Reste des Weiss geblieben sind, gesichert ist. Trotz
der Zierlichkeit in den Details ist die Zeichnung des Gan-
zen verblüffend flott und sicher, kein ängstlich pedantisches
Aneinanderreihen von feinen Einzelheiten. Es ist der ausge-
prägte, nicht zu verkennende Stil der kretischen Miniaturge-
mälde. Die Frau zur Rechten hat zwar einen anderen Rock
wie ihre Schwestern, die tanzenden Frauen auf dem einen
knossischen Miniaturfresko (vgl. Tiryns II 78 f.), gleicht ihnen
aber in der typischen Gesamtbewegung des Körpers, mit dem
Zurücklehnen des Kopfes und der Schwingung der Umrisse
des Kleides, vollkommen. Dieselbe Bewegung finden wir auf
Ringen und Siegelabdrücken der ersten und zweiten spät-
minoischen Epoche aus Kreta und Mykenai, am ähnlichsten
auf einem Goldring mit tanzenden Frauen, der in einem der
Fürstengräber von Isopata gefunden worden ist (vgl. Gillie-
rons Nachbildung, Geislinger Katalog S. 24, Nr. 126). Noch
schwerer wiegend ist die Identität der Technik; denn es ist
gerade das Kennzeichen des sog. Miniaturstils, dass die Fi-
guren in voller Silhouette, die Männer rot, die Frauen weiss
gemalt, und dass alle Details der Innenzeichnung und der
Kleidung auf diese Grundlage aufgesetzt werden. In gewis-
ser Weise entsteht dadurch bei den Frauengewändern eine
Lasurwirkung, denn die dünne Schicht des Deckweiss bindet
das Blau und Gelb natürlich nicht genau so, als wenn es
direct auf dem Grunde sitzt; aber diese Wirkung ist sicher
nicht beabsichtigt, sondern nur eine zufällige Folge der
Silhouettenmalerei. Da der Miniaturstil in die erste spät-
minoische Epoche gehört1, müssen wir den Pinax innerhalb
Vgl. AM. XXXVI 1911, 230, sowie Tiryns II Cap. III. Auf die Aus-
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durch die arge Zerstörung hindurch an allen einigermaas-
sen erhaltenen Teilen erkennen. So hatte die kronenartige
Kopfbedeckung der Frau zur Linken eine feine schwarze
Innenzeichnung, und ihr Ohr ist zierlich aus dem Gelb der
Krone ausg-espart. Mit grosser Sorgfalt waren die Details des
Schildes ausg'eführt. Besonders gewonnen aber hat die rechte
Frau, deren rhythmisch graziöse Bewegung vom Kopf, des-
sen Vorzeichnung z. T. erhalten ist, bis zu den Füssen, von
denen Reste des Weiss geblieben sind, gesichert ist. Trotz
der Zierlichkeit in den Details ist die Zeichnung des Gan-
zen verblüffend flott und sicher, kein ängstlich pedantisches
Aneinanderreihen von feinen Einzelheiten. Es ist der ausge-
prägte, nicht zu verkennende Stil der kretischen Miniaturge-
mälde. Die Frau zur Rechten hat zwar einen anderen Rock
wie ihre Schwestern, die tanzenden Frauen auf dem einen
knossischen Miniaturfresko (vgl. Tiryns II 78 f.), gleicht ihnen
aber in der typischen Gesamtbewegung des Körpers, mit dem
Zurücklehnen des Kopfes und der Schwingung der Umrisse
des Kleides, vollkommen. Dieselbe Bewegung finden wir auf
Ringen und Siegelabdrücken der ersten und zweiten spät-
minoischen Epoche aus Kreta und Mykenai, am ähnlichsten
auf einem Goldring mit tanzenden Frauen, der in einem der
Fürstengräber von Isopata gefunden worden ist (vgl. Gillie-
rons Nachbildung, Geislinger Katalog S. 24, Nr. 126). Noch
schwerer wiegend ist die Identität der Technik; denn es ist
gerade das Kennzeichen des sog. Miniaturstils, dass die Fi-
guren in voller Silhouette, die Männer rot, die Frauen weiss
gemalt, und dass alle Details der Innenzeichnung und der
Kleidung auf diese Grundlage aufgesetzt werden. In gewis-
ser Weise entsteht dadurch bei den Frauengewändern eine
Lasurwirkung, denn die dünne Schicht des Deckweiss bindet
das Blau und Gelb natürlich nicht genau so, als wenn es
direct auf dem Grunde sitzt; aber diese Wirkung ist sicher
nicht beabsichtigt, sondern nur eine zufällige Folge der
Silhouettenmalerei. Da der Miniaturstil in die erste spät-
minoische Epoche gehört1, müssen wir den Pinax innerhalb
Vgl. AM. XXXVI 1911, 230, sowie Tiryns II Cap. III. Auf die Aus-