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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 50.1925

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Reuther, Oskar: Urformen des Sparren- und Pfettendaches
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https://doi.org/10.11588/diglit.29494#0120
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URFORMEN DES SPARREN- UND PFETTENDACHES.

Am Schlusse seiner Abhandlung ‘Gebäudemodelle spät-
geometrischer Zeit’ 1 spricht Kurt Müller die Ansicht aus, daß
das griechische Tempeldach mit seiner Ziegeldeckung sich ‘nicht
am steileren Sparrengerüst entwickelt habe’, sondern auf das
Erddach zurückzuführen sei, und zwar ein Erddach, daß des
Wasserabflusses halber in der Mitte habe erhöht sein müssen.

Daß man im heutigen Orient in der Tat Erddächer häufig
so herstellt, dürfte jedem, der mit offenen Augen durc’n syrische
oder mesopotamische Dörfer gegangen ist, bekannt sein. Die
Nachteile einer solchen Dachung sind indessen augenscheinlich:
die Deckenbalken biegen sich unter der größeren Last in der
Mitte durch. Aufbringen neuen Lehms zum Ausfüllen der ein-
gesunkenen Stelle und zum Wiederherstellen der Neigung nach
außen hieße den Teufel durch Beelzebub austreiben. So hilft
man sich dadurch, daß man die Deckung wegräumt, die durch-
gebogenen Balken umdreht und Reisig und Lehmschlag wieder
aufbringt. Auf diese Gepflogenheit gründet sich wohl die
merkwürdige, sonst unverständliche Bemerkung Strabos (XV
3, 10), der dem Holz der Dattelpalme nachrühmt, es biege sich
unter der Last nicht nach unten, sondern nach oben. Ein
durch technische Kenntnisse nicht Beschwerter, der eine solche
gewendete Decke sieht, kann wohl auf den sonderbaren Gedanken
verfallen wie Strabo. Der einfachste und selbstverständliche Aus-
weg aus dieser Schwierigkeit wäre der, die Balken selbst geneigt
zu legen, um so eine den Abfluß des Regenwassers gewähr-
leistende Dachschräge und eine Dachhaut von gleichmäßiger
Dicke zu erhalten. Daß man das zumal beim städtischen
Wohnhaus im Orient nicht tut, sondern an der horizontalen
Lage der Balken festhält — den offensichtlichen Nachteilen zum
Trotz — geschieht einmal deshalb, weil man im Raum keine

1 AM. XXXXVIII 1923, 52ff.
 
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