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Stegmann, Carl von; Geymüller, Heinrich von; Stegmann, Carl von [Editor]; Geymüller, Heinrich von [Editor]
Die Architektur der Renaissance in Toscana: dargestellt in den hervorragendsten Kirchen, Palästen, Villen und Monumenten nach den Aufnahmen der Gesellschaft San Giorgio in Florenz; nach Meistern und Gegenständen geordnet (Band 7): Raffaelo, Antonio da Sangallo der Jüngere, Baccio d'Agnolo, Rovezzano, Giuliano di Baccio d'Agnolo, Bandinelli, Peruzzi, Vignola, Folfi — München: Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.55573#0029
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MICHELAGNOLO BUONARROTI

Mariette mehr ins Reine zeichnete; daher ist letzteres hier nicht
abgebildet.1)
Oben auf Fig. 19 steht von der Hand Aristotiles ge-
schrieben: di mano di michel angel o (oder lagnolo) le
fiure ehe sapezerranno qui in questa sepoltura ar an-
no il segno del -X- d. h. die Figuren zu diesem Grabmal,
die er besonders zeichnen wird, werden mit obigem Zeichen mar-
kiert werden. Auch diese Notiz bestätigt, dass wir hier die
Oriuinalskizze des Aristotile vor uns haben, währenddem auf dem
anderen Blatte er keinerlei Bemerkung geschrieben hat.
Die andere Zeichnung, in den Uffizi Nr. 607,’) ebenfalls
von Aristotile da Sangallo, unterscheidet sich von dieser Skizze
nur dadurch, dass die geraden Linien mit der Reissfeder gezeichnet
sind und dass Schraffierungen den Mittelbau und die Gebälk-
verkröpfungen als vorspringend, den Grund der drei Skulpturen-
felder als zurücktretend erklären helfen. Das Giebelfeld, das runde
Schild darüber, der Raum zwischen der grossen Draperie und
dem Monumente sind ebenfalls schraffiert und die Gliederungen
der Sarkophage sind auch durch solche Schraffierungen klarer
hervorgehoben.2)
In diesen beiden Skizzen hat die Stellung des Knaben
neben dem Postament der Madonna etwas Befremdendes, als ob
er nicht zur Komposition gehörte. Betrachtet man aber die
Fig. 16 und 17, wo ähnliche Knaben paarweise auftreten, so
wird die hier unvollständig gegebene Idee sofort verständlich.
Andere Studien im british museum
Fig. 17 giebt eine Originalskizze Michelangelos (British Museum,
1859, 7. 14. 822 recto), welche gewiss die früheste der hier
wiedergegebenen Studien des Meisters zu sein scheint. Diese
interessante Skizze zeigt sozusagen die Genesis der Ideen Michel-
angelos und deren Ausgangspunkt: die gleichmässige Behandlung
der nebeneinander gerückten Grabmäler der beiden Brüder. Wie
auf Betten ruhen sie auf Sarkophagen ausgestreckt und in der
Mitte, hinter jedem, baut sich die Wandarchitektur der beiden.
Monumente auf Die Nebeneinanderstellung dieser zwei taber-
nakelartigen Kompositionen liess in der Mitte einen Raum offen,
den Michelangelo durch die Aufstellung einer grossen Statue zum
Hauptmotiv der ganzen Wand zu gestalten sucht. Hierzu war
aber dieser Raum zu schmal. Michelangelo fühlte ferner, dass
in der Kunst, wie in der Natur, die Nebeneinanderstellung zwei
ganz gleicher Formen stets unleidlich wirkt, wenn nicht die Um-
stände, in welchen diese Zusammenstellung erfolgt, die „zwei“
gleichen Gegenstände sofort als „Einheit“ erkennen lassen, z. B.
zwei Obelisken oder zwei Cypressen neben einem Thor, die als
Hüter des letzteren mit diesem bloss „einen“ Eingang bilden, oder
die zwei Türme der Fassade von Notre Dame in Paris und
der meisten französischen Kathedralen, die mit der ganzen Fassade
so glücklich verschmolzen sind, dass diese „ein“ eingerahmtes

Ganzes bildet und nicht an „zwei“ nebeneinander gerückte Gegen-
stände denken lassen.
Aus diesen Gründen versucht Michelangelo in einer Reihe
von Skizzen über den beiden Sarkophagen als Hauptmotiv in
der Axe ein breites Mitteltabernakel zu bilden. Die Fig. 19—22
zeigen diese Versuche.
Fig. 21 und 22 zeigen zwei Orginalskizzen Michelangelos
(British Museum, 1859, 6. 25. 543 verso und recto). In der
ersteren ist im Mitteltabernakel eine stehende Figur, und weiter
unten, zu beiden Seiten über jedem Sarkophage, eine sitzende an-
gedeutet. In Fig. 22 sind die drei Figuren in gleicher Höhe
aufgestellt; die mittlere bereits in sitzender Stellung von einer
Gliederung begleitet, die Michelangelo auf dem Wege zur in
Fig. 20 dargestellten Komposition zeigt. Unten steht von Michel-
angelo eigenhändig geschrieben: la fama tiene gli epitafi a
giacere non va ne inanzi ne in dietro perchö son
morti e loro operare c fermo.
Typus der fig. 20 in München und deren
WIEDERHOLUNGEN IN WIEN UND PARIS Die
hier abgebildete Zeichnung befindet sich in München (Kupfer-
stichkabinett 3) Sie gehört zu einer Gruppe von Blättern, die keinen
Autornamen tragen, unter denen wir aber zahlreiche als echte
Zeichnungen des Aristotile da Sangallo, andere wahrscheinlich
Kopien nach ihm von einem seiner Vettern ausgeführt, erkannt
haben. Wenn Fig. 20 nicht eine echte Zeichnung Aristotiles dar-
stellt, zeigt sie jedenfalls eine solche gleichzeitige Kopie nach ihm.
Die in der Albertina zu Wien4) befindliche Kopie nach
demselben Originale zeigt ganz genau alle gleichen Details, die
wir auf der Münchener Zeichnung sehen. Die einzigen Unter-
schiede dürften die folgenden sein: Am Sockel der Sarkophage
sind die Konsolen unter den Füssen des Sarkophags etwas deut-
licher als Konsolen erkennbar, die Schäfte der Ordnung sind
durch einen leichten Pinselstrich als Halbsäulen angedeutet, und
am Hals der jonischen Säulen ist eine Reihe stehender Blätter
skizziert. Die Zeichnung scheint aus der Schule Raffaels zu
stammen und die Figuren zeigen viel weniger als auf dem Mün-
chener Exemplar den Charakter und Stil Michelangelos.
Die im Louvre befindliche Kopie nach demselben Original
stammt aus der Sammlung Baldinucci, ist sehr verdorben, trägt
die Bezeichnung „d’aprös Michel-Ange“ No. d’ordre 789. Am
Sockel des Sarkophags rechts ist die zweite sitzende Figur des
Reliefs ganz angegeben.5)
C. DRITTES PROJEKT.
Seine Notwendigkeit ©x® In keiner dieser Studien
des zweiten Entwurfs hat die nahe Zusammenstellung der beiden
Sarkophage in ihrer Verbindung mit einem Hauptmotiv in der

1) Sie ist von Braun, Clement & Cb successeurs, photographiert unter dem
Namen Michel-Ange, Musee de Florence Nr. 180.
2) In der berühmten Sammlung Mariettes und auch in den Uffizien, bis
vor kurzem, galt diese Zeichnung als ein Original Michelangelos, unter letzterem
Namen ist sie von Braun photographiert. Nachdem es mir 1882 gelungen war,
die S. 5, n. 5 und S. 8, n. 6 erwähnte Autorschaft Aristotile da Sangallos fest-
zustellen, wurde auch dies Blatt mit Recht dem letzteren zurückgegeben. Seitdem
haben L. del Moro und Gerspach sie als Werk des Aristotile angeführt.

3) Disegni di architellura di chiese, Handzeichnungen Fol. 134 a. Bl. 16.
0,383 m X 0,251.
4) Von Braun photographiert als „Dessin de Michel-Ange“ pro-
jet abandonne pour une des parois de la chapelle des Medicis
Vienne, Albertine No. 30.
5) Im Louvre zeigen ferner die Nrn. 1539 und 1540, als Schule Michel-
angelos ausgestellten Zeichnungen, zwei Kompositionen, deren Architektur und
Figuren an die der Mediceergräber erinnern.

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