2. Das künstlerische Fachschulwesen.
Der Charakter und die Unterschiedlichkeit der
künstlerischen Produktion seit dem Jahre 1900
ist zwar primär durch die gesellschaftlichen
Änderungen bedingt, häufig wurde jedoch hier
ein Wandel der künstlerischen Anschauungen
und die sich ihm anpassenden Änderungen der
Organisation und des Schulwesens der bildenden
Kunst zum bestimmenden Faktor.
Das Schulwesen Mitteleuropas passt sich in
struktureller Einsicht wie auch in seinen Lehr-
methoden den neuen Verhältnissen an. Fach-
schulen werden modernisiert oder neu errichtet.
Der Unterricht der angewandten Kunst und des
Industrielldesign wird erweitert, die Unterrichts-
methoden werden modernisiert. Sie orientieren
sich teils auf die Bedürfnisse der Praxis, teils auf
die neuen ideell-ästhetischen Ansichten (Lumi-
nismus). Da es auf dem Gebiet des ehemaligen
Oberungarns, in dieser Zeit keine höhere Schule
der bildenden Kunst gab, studierte man in
nächsten Kulturzentren: Budapest, Prag, Mün-
chen.
In Budapest war schon seit dem 19. Jahrhundert
ein System von Hoch- und Mittelschulen in dem
Gebiet der bildenden Kunst aufgebaut. Eine
technische Hochschule mit den Fächern Baukunst
und Architektur, eine kunstgewerbliche Hoch-
schule für das Studium der angewandten Kunst
und des Industriedesign, eine Hochschule der
bildenden Kunst zur Heranbildung freischaffender
Künstler, eine Lehranstalt für Professoren des
Zeichnens an Mittelschulen. Die fachgemässe
Vorbereitung der bildenden Künstler beeinflusste
auch das Wirken der Museen der bildenden Kunst,
die dank der Milleniumaktionen gerade in den
90er Jahren neue Räumlichkeiten bezogen. Das
Museum der Schönen Künste konzentrierte Samm-
lungen der Weltkunst und der ungarischen Kunst,
während der neuerrichtete Ausstellungspavillon
zum grössten Budapester Ausstellungsraum für
grosse Ausstellungen zeitgenössischer Kunst wurde.
Das offizielle Schulwesen der bildenden Kunst
in Budapest befasste sich nur in geringem Masse
mit den neuen bildnerisch osthotischen Tendenzen
und setzte sich mit ihnen auch nicht genügend
auseinander, obzwar sie das künstlerische Europa
an der Jahrhundertwende bewegten. Bis zum
1. Weltkrieg stand an der Spitze der offiziellen
Hierarchie Julius Benczúr mit seinen Ansichten
und seiner Meisterklasse, die zum Idol aller jener
Künstler wurde, die auf eine amtliche Stellung
aspirierten.2
Gegen diese protegierte Kunst, die die gross-
magyarischen Machtaspirationen unterstützte und
in ihrer künstlerischen Ansicht im Grunde den
Rahmen eines akademischen Illusionismus nicht
überschritt, entstand von mehreren Seiten eine
Reaktion, die in dem Verlangen nach moderneren
Programmen in der bildenden Kunst ihren Aus-
druck fand. Es waren einerseits die Parolen der
Sezession, die sich schrittweise in den kulturellen
Zentren Mitteleuropa’s einbürgerten,3 andererseits
verspätete Strömungen des mitteleuropäischen
Impressionismus, die sich in der Betonung des
Luminismus und der pleinairen Malerei aus-
drückten. Im Leben der ungarischen bildenden
Kunst fand dies einerseits seinen Rückschlag
im neuen Charakter des kunstgewerblichen Schul-
wesens, andererseits im Entstehen von Maler-
kolonien, die nicht nur eine künstlerische sondern
auch eine pädagogische Bedeutung hatten, da
es Terrainfachschulen der bildenden Kunst waren.
Den ersten Platz unter ihnen nahm die Maler-
kolonie Baia-Mare (Nagybánya) ein, die auch von
mehreren bildenden Künstlern aus der Slowakei
besucht wurde.4 Die Nagybányaer Kolonie ent-
stand! ursprünglich aus Terrainreisen der privaten
Malerschule dos Simon Hollösy aus München,
die im Jahre 1896 begannen. Die Persönlichkeit
Hollösy’s und die rapid ansteigende Popularität
des Pleinairs verhalfen dazu, dass die Kolonie
von Nagybánya zu einer anziehungsfähigen und
sehr bald auch dauernden Institution wurde.
Selbst die Tatsache, dass Hollösy seit dem Jahre
1902 nicht mehr nach Nagybánya kam, und seine
Schüler nach Tecsö in der heutigen Karpatoukraine
führte, konnte dies nicht verhindern. Der Einfluss
der Kolonie von Nagybánya auf die jungen
bildnerischen Bemühungen in Ungarn war be-
deutend. Von Hollösy’s Ansichten, die sich an
den Franzosen Bastien Lepage knüpften, ging
man rasch zu einer Entwicklung des Luminismus,
einem Pleinairismus in neuen Bereichen über, der
eine gesetzmässige Reaktion auf die arrangierte
Der Charakter und die Unterschiedlichkeit der
künstlerischen Produktion seit dem Jahre 1900
ist zwar primär durch die gesellschaftlichen
Änderungen bedingt, häufig wurde jedoch hier
ein Wandel der künstlerischen Anschauungen
und die sich ihm anpassenden Änderungen der
Organisation und des Schulwesens der bildenden
Kunst zum bestimmenden Faktor.
Das Schulwesen Mitteleuropas passt sich in
struktureller Einsicht wie auch in seinen Lehr-
methoden den neuen Verhältnissen an. Fach-
schulen werden modernisiert oder neu errichtet.
Der Unterricht der angewandten Kunst und des
Industrielldesign wird erweitert, die Unterrichts-
methoden werden modernisiert. Sie orientieren
sich teils auf die Bedürfnisse der Praxis, teils auf
die neuen ideell-ästhetischen Ansichten (Lumi-
nismus). Da es auf dem Gebiet des ehemaligen
Oberungarns, in dieser Zeit keine höhere Schule
der bildenden Kunst gab, studierte man in
nächsten Kulturzentren: Budapest, Prag, Mün-
chen.
In Budapest war schon seit dem 19. Jahrhundert
ein System von Hoch- und Mittelschulen in dem
Gebiet der bildenden Kunst aufgebaut. Eine
technische Hochschule mit den Fächern Baukunst
und Architektur, eine kunstgewerbliche Hoch-
schule für das Studium der angewandten Kunst
und des Industriedesign, eine Hochschule der
bildenden Kunst zur Heranbildung freischaffender
Künstler, eine Lehranstalt für Professoren des
Zeichnens an Mittelschulen. Die fachgemässe
Vorbereitung der bildenden Künstler beeinflusste
auch das Wirken der Museen der bildenden Kunst,
die dank der Milleniumaktionen gerade in den
90er Jahren neue Räumlichkeiten bezogen. Das
Museum der Schönen Künste konzentrierte Samm-
lungen der Weltkunst und der ungarischen Kunst,
während der neuerrichtete Ausstellungspavillon
zum grössten Budapester Ausstellungsraum für
grosse Ausstellungen zeitgenössischer Kunst wurde.
Das offizielle Schulwesen der bildenden Kunst
in Budapest befasste sich nur in geringem Masse
mit den neuen bildnerisch osthotischen Tendenzen
und setzte sich mit ihnen auch nicht genügend
auseinander, obzwar sie das künstlerische Europa
an der Jahrhundertwende bewegten. Bis zum
1. Weltkrieg stand an der Spitze der offiziellen
Hierarchie Julius Benczúr mit seinen Ansichten
und seiner Meisterklasse, die zum Idol aller jener
Künstler wurde, die auf eine amtliche Stellung
aspirierten.2
Gegen diese protegierte Kunst, die die gross-
magyarischen Machtaspirationen unterstützte und
in ihrer künstlerischen Ansicht im Grunde den
Rahmen eines akademischen Illusionismus nicht
überschritt, entstand von mehreren Seiten eine
Reaktion, die in dem Verlangen nach moderneren
Programmen in der bildenden Kunst ihren Aus-
druck fand. Es waren einerseits die Parolen der
Sezession, die sich schrittweise in den kulturellen
Zentren Mitteleuropa’s einbürgerten,3 andererseits
verspätete Strömungen des mitteleuropäischen
Impressionismus, die sich in der Betonung des
Luminismus und der pleinairen Malerei aus-
drückten. Im Leben der ungarischen bildenden
Kunst fand dies einerseits seinen Rückschlag
im neuen Charakter des kunstgewerblichen Schul-
wesens, andererseits im Entstehen von Maler-
kolonien, die nicht nur eine künstlerische sondern
auch eine pädagogische Bedeutung hatten, da
es Terrainfachschulen der bildenden Kunst waren.
Den ersten Platz unter ihnen nahm die Maler-
kolonie Baia-Mare (Nagybánya) ein, die auch von
mehreren bildenden Künstlern aus der Slowakei
besucht wurde.4 Die Nagybányaer Kolonie ent-
stand! ursprünglich aus Terrainreisen der privaten
Malerschule dos Simon Hollösy aus München,
die im Jahre 1896 begannen. Die Persönlichkeit
Hollösy’s und die rapid ansteigende Popularität
des Pleinairs verhalfen dazu, dass die Kolonie
von Nagybánya zu einer anziehungsfähigen und
sehr bald auch dauernden Institution wurde.
Selbst die Tatsache, dass Hollösy seit dem Jahre
1902 nicht mehr nach Nagybánya kam, und seine
Schüler nach Tecsö in der heutigen Karpatoukraine
führte, konnte dies nicht verhindern. Der Einfluss
der Kolonie von Nagybánya auf die jungen
bildnerischen Bemühungen in Ungarn war be-
deutend. Von Hollösy’s Ansichten, die sich an
den Franzosen Bastien Lepage knüpften, ging
man rasch zu einer Entwicklung des Luminismus,
einem Pleinairismus in neuen Bereichen über, der
eine gesetzmässige Reaktion auf die arrangierte