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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Editor]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 1.1859

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Fickler, Pr.: Der heilige Jüngling zu Nicklashausen: ein Vorspiel zum Bauernkrieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.42306#0483
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465 -

An solche Reden knüpften sich denn auch die ersten Hand-
lungen Johann Böhms, des neuen Propheten. Den 24sten
März 1476 errichtete er (es war gerade am Sonntag Lätare)
einen kleinen Scheiterhaufen vor der Kirche zu Nicklashausen
uud verbrannte, in Mitte des versammelten Volkes, seine ihm
bisher so lieb gewesene Handpauke.
„Ihm sei", so lautete die Auslegung dieser Handlung, „des
Nachts, während er die Heerde gehütet, die heilige Jung-
frau in ihrer Glorie erschienen und habe ihn zu ihrem Pro-
pheten erkoren. Nicht mehr solle er das sündliche Treiben des
Musicirens üben, sondern statt des Auffpielens zum Tanze das
Volk mit dem wahren Gottesworte erfreuen."
„NicklasHaufen sei", dies war der weitere Verlauf feiuer
Rede (und hier läßt sich erkennen, wo die Schwärmerei des
bildungslosen Knaben zuerst ausgebeutet wurde), „Nicklashaufeu
sei von Maria zu dem Gnadenorte ausersehen, an welchem sie
Segen über die ganze Welt verbreiten und den andächtigen Be-
suchern der Kirche vollkommene Vergebung ihrer Sünden wolle
angedeihen lassen. Harte Strafe wolle Gott über die Welt ver-
hängen; Maria werde durch ihre Fürbitte sie abwenden, aber
nach Nicklashausen müße man zu ihr wallen, hier sei sie gnä-
dig; nirgends sonst sei Ablaß. Im Tauberthal sei mehr
Gnade als zu Rom oder irgendwo; wer da sterbe, der fahre
von Stund an gen Himmel. Auch die Kinder, welche die Kirche
nicht besuchen könnten, erlangten gleiche Gnade."
Dieses waren die Erstlingspredigten des jungen Men-
schen, der nach Brandts „ein halber Thore was, als man je
von Jogunt uff gemerket hatte"; der nach Trittenheim weder
zusammenhängend denken noch ordentlich reden konnte; der, wie
sich bei der peinlichen Untersuchung später herauöstellte, „weder
in den einfachsten Lehren des christlichen Glaubens unter-
richtet war, noch das Vaterunser beten konnte."
4) Außer Seb. Brandt bandeln von Zeitgenossen über Böhm: Conrad
Stolle, in der Thüringer Chronik, der Abt Trittenheim, später ci'.^r-
Aentree, (^vlleclio tnciiciorum cw uoris erroribus), Lorenz FrieS,
Gefch. d. Bisch, v. Wirzb., und Reuß, Archiv des histor. Vereins in Wirzb,
Badenia, t858. 20
 
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