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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0286
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Gemma Augustes. Zeit und Herkunft. 273

Feinde des römischen Volkes bezwungen hat, und nun
am Ende seiner Regierung im Glänze göttlichejr Herr-
sehergewalt thront, das scheint der Vorwurf unseres Gemmen-
bildes zu sein1.

In künstlerischer Beziehung gilt der Wiener Cameo mit Recht
für eines der schönsten Specimina römischen Steinschnitts: Geistvoll
aufgefasst, klar in der Composition, und, wenn man sich einmal über
die Teilung in zwei Streifen hinweggesetzt hat, von vortrefflicher
Gruppierung und Raumfüllung. Die Aufgabe war besonders schwierig,
da im oberen Felde die Kleinheit des Raumes eine verhältnismässig
nur geringe Zahl von Personen zuliess, im unteren aber ein Gegen-
stand zu bewältigen war, der eher auf eine quadrate oder runde
Fläche berechnet schien. Diese untere Composition atmet noch
etwas von dem Stilgefühl griechischer Kampfdarstellungen. Auch die
Ausführung, namentlich die bei Cameen so schwierige Rundung der
Figuren, zeugt von bewundernswürdiger Sorgfalt. Wenn die Zeichnung
und das Formgefühl nicht auf der gleichen Höhe steht, indem die
Glieder etwas Gedunsenes, die Gewänder etwas Conventionelles haben,
so wird doch von den Cameen mit historischen Darstellungen in
künstlerischer Beziehung keiner diesem gleichgesetzt werden können 2.
lieber Zeit und Ort der Verfertigung lässt sich nichts Sicheres
feststellen. Auf Grund der angenommenen Deutung sollte mau glauben,
dass der Stein noch zu Lebzeiten desAugustus zwischen 12 und 14 n.Chr.
geschnitten wurde. Indes hängt dies von der Frage ab, ob er Ori-
ginal oder Copie. Seitdem wir wissen, dass die Darstellung des
grossen Pariser Cameo noch in einem weiteren Exemplar vorkommt,
ist die Originalität dieser malerischen Gemmenbilder precär geworden3.
Auch bei unserem Stein ist es wahrscheinlich, dass er nur eine bereits
vorhandene Composition in kleinerem Massstab wiedergab. Dann
fällt er natürlich später und jene Zeitbestimmung gilt bloss für das
Original. Die Uebertragung des Gemmenschneiders erst der Regierung
des Tiberius zuzuschreiben, hat um so weniger Schwierigkeit, als erstens
Tiberius ebenfalls auf dem Steine gefeiert wird, und zweitens die

1 „La gloire d; Auguste au mmnent du triompJie de mm fiU et de son petit-
0b." Köhler.

2 Köhler (Ueber die gesehuitt. Steine mit Künstlernamen, Ges. Sehr. III.
p. 41) stellt den Pariser Cameo, was die .Richtigkeit der Zeichnung betrifft, höher
als den Wiener.

3 Vorher hatte nur Köhler (Ges. Sehr. V. p. 49) beiläufig die Meinung aus-
gesprochen, es werde ein grosses Basrelief dem Wiener Cameo zu Grunde gelegen
haben.

BernoulH, Ikonographie. II.. 18
 
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