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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0383
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370 Zwei auf Claudius und seine Familie bez. Cameen.

indem die Steinschneider sich häufig dergleichen Modifikationen er-
laubten1. Was aber Anstoss erregen muss, das ist die Incongruenz
des relativen Alters der beiden Geschwister mit gewissen son-
stigen Daten, aus denen man schliessen muss, dass Octavia jünger als
ihr Bruder war, während sie hier als halbwüchsiges Mädchen, d. h. um
ein gutes Stück älter als jener dargestellt ist. Ueber diese Daten
freilich walten noch verschiedene Meinungen. Einige glauben in der
That das umgekehrte Verhältnis als das richtige bezeichnen zu müssen2
und diese werden geneigt sein, die bisherige Deutung trotz der man-
gelnden Bildnisähnlichkeit der Figuren zu acceptieren. Den unbe-
hilflichen Stil können sie sich, wie schon Visconti that, durch Pro-
vincialarbeit erklären. Wer sich dagegen an die Angabe des Tacitus
hält3, dass Octavia bei ihrem Tode (62 n. Chr.) erst zwanzig Jahre
alt war, sodass ihre Geburt später als die des Britannicus zu setzen,
der wird kaum mehr behaupten können, dass die angenommene
historische Grundlage der Darstellung vollkommen entspreche. Wir
können nicht umhin, uns bis auf Weiteres dieser letzteren Ansicht
anzuschliessen, und glauben daher, dass man sich mit dem Gedanken
vertraut machen muss, den Cameo ins 4. Jahrhundert herabzusetzen.

2. Der Cameo mit den Fruehthornbüsten in Wien.

(Taf. XXXI).

Unter den Prachtstücken des Wiener Cabinets nimmt nach der
Gemma Augustea so ziemlich den ersten Rang ein der c. 12 Cent,
hohe und 15 Cent, breite Sardonyx mit den vier aus Füllhörnern
hervorragenden, in ungewöhnlicher Grösse dargestellten Claudier-
köpfen4.

Je zwTei Büsten, eine vordere männliche und eine hintere weib-
liche, einander gegenübergestellt auf Füllhörnern, die sich unten mit
ihren spitzen Enden kreuzen. Zwischen den beiden Porträtpaaren
ein Adler mit halbausgebreiteten Flügeln; unter den Füllhörnern

1 Vgl. den Germanicus auf der Gemma Augustea p. 2G9, die Livia auf
dem Pariser und auf dem Florentiner Cameo p. 281.

2 So Bauch in den Berl. Blatt, f. Münzkunde I. p. 259, wo die Geburt der
Octavia mindestens schon 38 od. 39 n. Chr. gesetzt, wird.

3 Annal. XIV CA.

1 Er ist abgeb. bei Eckhel Pierres gravees pl. 7; Mongez Iconogr. rom.
pl. 29. 3; Lenormant Icon. pl. XV; Arneth Die ant. Cameen Taf. 7; Aschbach
Livia III. 1. Vgl. Sacken u. Kenner Das k. k. Münz- und Ant. cab. p. 419. Nr. (>.
 
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