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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0399
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386 Nero.

das 17. Altersjahr vollendet hatte. Nacheinander schaffte er jetzt seinen
Stiefbruder Britannicus (55), seine Mutter Agrippina (59), und seine
jugendliche Gemahlin Octavia (62) aus dem Wege. An Stelle der
letzteren heiratete er die Poppaea. Im Jahre 64 trat er in Neapel
öffentlich als Sänger auf. Dann folgte der Brand Roms, die Ver-
schwörung des Piso, und 66 die schmachvolle Sängerfahrt nach
Griechenland. 67 kehrte er zurück, mit Siegeskränzen beladen, und
hielt einen feierlichen Einzug in Rom, als ob er selber Apollo wäre.
Unterdessen hatte die Unzufriedenheit ihr Werk gethan. In Gal-
lien und Spanien erhoben sich die Legionen und riefen Galba zum
Kaiser aus (68). Der „grosse Künstler" floh, und Hess sich zitternd
in der Villa eines Freigelassenen töten, noch nicht ganz 31 Jahre
alt. Seine Ueberreste wurden im domizischen Familienbegräbnis auf
dem collis hortorum (jetzt Monte Pincio) beigesetzt.

Nero war von lebhaftem und aufgewecktem Geist, ein Liebhaber
und Beschützer der Künste. Doch ist das Letztere nicht der Beweis
für das Erstere; denn seine Liebhaberei beruhte auf Eitelkeit und
Sinnlichkeit. Auf etwas Grosses und Edles war sein Geist niemals
gerichtet. Hauptsächlich besass er Phantasie; Verstand und Urteils-
kraft traten dagegen bedeutend bei ihm zurück.

Dass er ausser lieh nicht unvorteilhaft gestaltet war, geht so-
wohl aus dem Zeugnis der Schriftsteller als aus den Münzen hervor.
Bei Anlass der Schilderhebung Galba's bemerkt Tacitus, indem er die
Stimmung der Gemüter in Rom beschreibt: „Selbst Galba's Alter
erregte Hohn und Widerwillen, da das Volk an Nero's Jugend ge-
wöhnt war, und es die Kaiser, wie der Pöbel zu thun pflegt, nach
Gestalt und Körperschönheit mit einander verglich" '. Natürlich mussten
die Spuren seiner masslosen Ausschweifungen allmählig auch in seinen
Zügen zu Tage treten. Doch lebte er zu kurz, als dass sie sein Aus-
sehen vollständig hätten ändern und seine Wohlgestalt zerstören
können. Sueton, der zu einer Zeit schrieb, wo noch manche Augen-
zeugen lebten, schildert ihn folgendermassen: „Er war von mittlerer
Statur, hatte einen mit Blüten bedeckten übelriechenden Körper, hell-
blondes Haar, ein mehr schönes als angenehmes Gesicht, blaue und
etwas kurzsichtige Augen, einen fetten Nacken, einen vortretenden
Bauch, aber äusserst magere Schenkel; dabei eine gute Gesundheit.
In Beziehung auf Kleidung und Aeusseres kehrte er sich so wenig an
den Anstand, dass er sein stets wellenförmig gebranntes Haar auf der
Reise nach Griechenland hinten sogar lang wachsen Hess, und dass er

1 Tacit. Hist. I. 7: Imperatores forma ac decore corporis, wt est mos rulgi,
comparantibus.
 
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