Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 1.1866

DOI Heft:
Heft 4
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49709#0105
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das' Buch für Alle.

97

er an der Ypsilanti.

Eine Episode des Wiener Congresses.
Von
-Louise Mühlbach.

(Schluß.)


^7 a, das ist Aspasien's Ge-
vÄf mach, und jetzt, hinter je-
nein Vorhang dort drü-
ben, tritt sie ein. As-
pasia im langwallenden, goldge-
stickten weißen Gewände, mit
dem goldgeränderten Peplum
darüber. Die wundervollen
weißen Arme dicht unter der
Schulter mit goldenen Span-

schwarzen Haar, das in fcyonen
ss Wellenlinien die breite Stirne
umfaßt, das goldene Diadem.
Schön ist ihr Angesicht, wie das Antlitz Minerva's, hold-
selig ist ihr Lächeln, wie das Lächeln Aphroditens, Und
nun breitet sie ihre Arme aus und fliegt zu ihm hin.
Schlingt diese Arme, diese vollen Weichen Arme um Upsi-
lanti's Nacken, drückt einen glühenden Kuß auf seine Lippen.
Sei mir willkommen, Du letzter Sohn der Götter! Sei
mir willkommen, König von Griechenland! Und wieder
küßt sie seine Lippen.
Aber dieser Kuß erweckte Dpsilanti aus seiner süßen
Betäubung. Wie aus einem Traum schien er zu erwachen,
und sein Antlitz, das vorher in Wonne gestrahlt, umdü-
sterte sich, und seine Augen, die vorher in Begeisterung
geflammt, nahmen jetzt einen fast strengen Ausdruck an.

' gen geschmückt. Ueber dem
> schwarzen Haar, das in schönen
s

Der Traum war zu Ende. Ppsilanti war nicht mehr
in Griechenland, er war wieder in Wien!
Du wendest Dich von mir, flüsterte sie leise. Du bist
dem Liebesruf gefolgt und doch bist Du kalt und schweigst?
Nicht weil ich kalt bin, Madonna, sagte er mit zittern-
der gepreßter Stimme, sondern weil ich kalt sein muß.
Sie haben mich eben die Götter Griechenlands erschauen
lassen. Sie haben meine Seele erhoben in Andacht. Ich
habe gebetet zu Minerva und Apoll; ich habe meine Kniee
gebeugt vor Venus und habe ihr geschworen, daß keine
irdische Liebe mein Herz erfüllen soll, bevor ich nicht meine
jiniee gebeugt aus der Akropolis des durch mich befreiten
Griechenlands!
Und Du wirst es befreien! rief sie begeistert. Du wirst
die Sklavenketten Griechenlands brechen, Du wirst es er-
heben aus dem Staube! Aber mir gestatte, daß ich Dir
hülfreich zur Seite stehe. Laß mich mit Dir Deine Ge-
fahren, Deine Kämpfe, Deine Pläne theilen, gieb mir das
Recht, an Deiner Seite zu sein, wenn Du hinausziehst in
den Kampf fürs Vaterland. Als Dein Page, als Dein
Diener verkleidet will ich Dir folgen über Meere und Län-
der, will Noth und Tod mit Dir theilen, denn auch ich
liebe Griechenland. Es ist mein Vaterland, wie es, das
Deine ist, und ich liebe Dich, Du König Griechenlands!
Du liebst mich? fragte er. Und doch kennst Du mich
nicht.
Ich kenne Dich! rief sie glühend. Es kennt Dich jeder


Buch für Alle. 186«. IV.

13
 
Annotationen