Das Buch für Alle.
321
Eg ili be Himmt in Gottes Uath.
Novelle von Kugo Kellerman«.
(Fortsetzung.)
n dem nämlichen Abend erhielt der Rath einen Expreß-
brief von I>r. Vandenhardt. welcher besagte, daß Frau
Albertinens leichtes Unwohlsein sich gegen sein Erwarten
zu einer nicht ungefährlichen Krankheit ausgebildet habe
und daß sie dringend nach Adelma verlange. O, wenn
das vr. Vandenhardt schreibt, jammerte die erschreckte
Tochter, sich ihrer bangen Ahnungen bei der Abreise be-
wußt werdend, dann muß es sehr, sehr schlimm sein. Und
Mama's letzter Brief ist doch erst acht Tage alt.
Man beschloß, in Folge dieser Nachricht, den schleunig-
sten Gesammtaufbruch. Am andern Morgen sand man
Hall's Zimmer leer, sein Bett unberührt; das Fehlen seiner
Siebensachen stellte seine plötzliche Abreise ohne Abschied,
ohne Dank außer Frage. Der Major konnte sich keinen
andern Vers darauf machen, als diesen: der Kerl ist eben
ein Original, kümmert sich den Henker um gesellschaftliche
Rücksichten und folgt seinen Einfällen. — Vandenhardt's
Brief und Hall's Verschwinden machte den schönen Tagen
von Erlmatten ein jähes Ende. Herzblättchen sah' blaß
und angegriffen aus, wie nie zuvor, Adelma ängstigte sich
um Mama und gerieth bezüglich Hall's in eine solche
nervöse Aufregung, daß sich Henrika genöthigt sah, ihr
einige Aufschlüffe zu geben, in der stillen Hoffnung, die-
selben würden zugleich als gesunde Medizin gegen ihr ver-
wundetes Herz wirken. Sie erzählte ihr schonend, daß
Hall ihr, der Freundin Adelma's, seine leidenschaftliche
Liebe gestanden und daß sie ihn kalt abgewiesen. Die
Wirkung war, daß Henrika für des armen Mädchens Ver-
stand fürchtete und sich nun die bittersten Vorwürfe machte,
nicht geschwiegen zu haben. Unter diesen Umständen war
die Trennung eine furchtbar schwere, unsäglich schmerzliche.
Immer auf's Neue warf sich Adelma in Hcnrika's Arme,
und diese wollte sie gar nicht von sich lassen. Aber es
mußte ja sein. Du hast eine Freundin gefunden, war ihr
letztes Wort, die ihr Schicksal mit dem Deinen eng ver-
bunden betrachtet!
Bei der Heimkehr ereignete sich auf dem Wege von
der Eisenbahnstation bis zur Stadt ein Unfall. Die Pferde
des hochbepackten Wagens wurden plötzlich scheu und der
Kutscher vermochte sie nicht mehr zu bändigen. Die Angst
Dorchens veranlaßte Anselm Horst einen Sprung aus dem
Gefährt zu wagen und den Pferden in die Zügel zu fallen.
Dabei empfing er von einem der Pferde einen Schlag mit
dem Hufe vor die Brust, der ihn besinnungslos zur Seite
schleuderte. Zwei hülfbereit herbeieilenden Andern erging
es kaum besser, bis einige die enge Straße fast ganz ver-
sperrende Karren den Thieren Halt geboten.
Anselm's Verletzung war gefährlicher Art; er lag wo-
chenlang fast hoffnungslos darnieder. Dorchen saß an
seinem Lager, pflegte ihn Tag und Nacht, und ihre Liebe
erstarkte in dieser schweren Zeit zu jener Erhebung der
Buch sür Alle. ISS«. XI.
41
321
Eg ili be Himmt in Gottes Uath.
Novelle von Kugo Kellerman«.
(Fortsetzung.)
n dem nämlichen Abend erhielt der Rath einen Expreß-
brief von I>r. Vandenhardt. welcher besagte, daß Frau
Albertinens leichtes Unwohlsein sich gegen sein Erwarten
zu einer nicht ungefährlichen Krankheit ausgebildet habe
und daß sie dringend nach Adelma verlange. O, wenn
das vr. Vandenhardt schreibt, jammerte die erschreckte
Tochter, sich ihrer bangen Ahnungen bei der Abreise be-
wußt werdend, dann muß es sehr, sehr schlimm sein. Und
Mama's letzter Brief ist doch erst acht Tage alt.
Man beschloß, in Folge dieser Nachricht, den schleunig-
sten Gesammtaufbruch. Am andern Morgen sand man
Hall's Zimmer leer, sein Bett unberührt; das Fehlen seiner
Siebensachen stellte seine plötzliche Abreise ohne Abschied,
ohne Dank außer Frage. Der Major konnte sich keinen
andern Vers darauf machen, als diesen: der Kerl ist eben
ein Original, kümmert sich den Henker um gesellschaftliche
Rücksichten und folgt seinen Einfällen. — Vandenhardt's
Brief und Hall's Verschwinden machte den schönen Tagen
von Erlmatten ein jähes Ende. Herzblättchen sah' blaß
und angegriffen aus, wie nie zuvor, Adelma ängstigte sich
um Mama und gerieth bezüglich Hall's in eine solche
nervöse Aufregung, daß sich Henrika genöthigt sah, ihr
einige Aufschlüffe zu geben, in der stillen Hoffnung, die-
selben würden zugleich als gesunde Medizin gegen ihr ver-
wundetes Herz wirken. Sie erzählte ihr schonend, daß
Hall ihr, der Freundin Adelma's, seine leidenschaftliche
Liebe gestanden und daß sie ihn kalt abgewiesen. Die
Wirkung war, daß Henrika für des armen Mädchens Ver-
stand fürchtete und sich nun die bittersten Vorwürfe machte,
nicht geschwiegen zu haben. Unter diesen Umständen war
die Trennung eine furchtbar schwere, unsäglich schmerzliche.
Immer auf's Neue warf sich Adelma in Hcnrika's Arme,
und diese wollte sie gar nicht von sich lassen. Aber es
mußte ja sein. Du hast eine Freundin gefunden, war ihr
letztes Wort, die ihr Schicksal mit dem Deinen eng ver-
bunden betrachtet!
Bei der Heimkehr ereignete sich auf dem Wege von
der Eisenbahnstation bis zur Stadt ein Unfall. Die Pferde
des hochbepackten Wagens wurden plötzlich scheu und der
Kutscher vermochte sie nicht mehr zu bändigen. Die Angst
Dorchens veranlaßte Anselm Horst einen Sprung aus dem
Gefährt zu wagen und den Pferden in die Zügel zu fallen.
Dabei empfing er von einem der Pferde einen Schlag mit
dem Hufe vor die Brust, der ihn besinnungslos zur Seite
schleuderte. Zwei hülfbereit herbeieilenden Andern erging
es kaum besser, bis einige die enge Straße fast ganz ver-
sperrende Karren den Thieren Halt geboten.
Anselm's Verletzung war gefährlicher Art; er lag wo-
chenlang fast hoffnungslos darnieder. Dorchen saß an
seinem Lager, pflegte ihn Tag und Nacht, und ihre Liebe
erstarkte in dieser schweren Zeit zu jener Erhebung der
Buch sür Alle. ISS«. XI.
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